4. Einteilung der Erkenntnisarten


4. Es folgt dann eine ähnliche Einteilung der Erkenntnisarten wie in dem Traktat De emendatione (s. oben), nur dass die Erkenntnisse der drei ersten Arten jetzt gemeinsam als opinio oder imaginatio zusammengefaßt werden. Diese ist die Quelle alles Irrtums. Dagegen lehren die beiden höheren Erkenntnisarten, Vernunft (ratio) und intuitive Erkenntnis, das Wahre vom Falschen zu unterscheiden. Wer die wahre Vorstellung hat, ist sich dessen bewußt und zweifelt nicht mehr. Die Wahrheit ist ihre eigene Norm. Und da der menschliche Geist, insofern er die Dinge wahr auffaßt, ein Teil des unendlichen göttlichen Intellekts ist, so müssen seine »klaren und deutlichen« Vorstellungen ebenso wahr sein wie die Vorstellungen Gottes. Nur die Einbildungskraft betrachtet die Dinge als zufällig; der Natur der Vernunft entspricht es, sie als notwendig, »wie sie an sich sind«, d.h. - und nun wiederholt sich der Ausdruck des Traktats - ›sub quadam aeternitatis specie‹ zu betrachten, denn die Notwendigkeit der Dinge ist zugleich die Notwendigkeit der ewigen Natur Gottes. Während die Vernunft das Wesen der Dinge in ihren einzelnen, ihnen mit allen Dingen gemeinsamen Eigenschaften erkennt, erschaut die noch höhere scientia intuitiva diese ewigen Eigenschaften als unmittelbar in Gottes ewigem Wesen gegründet. Spinoza gesteht übrigens ganz wie ein mittelalterlicher Mystiker, dass selbst er nur sehr wenige Dinge auf diese letzte und höchste Art eingesehen habe. - Das zweite Buch schließt mit einigen Ausführungen über den menschlichen Willen. Da der menschliche Geist eine festbestimmte Weise (certus et determinatus modus) des Denkens darstellt, so gibt es in ihm keinen freien oder absoluten Willen, sondern jeder Willensvorgang ist von einem anderen, vorhergehenden abhängig. Wille und Vorstellung existieren nicht für sich, sondern nur in den einzelnen Willensund Vorstellungsakten. Beide sind übrigens »ein und dasselbe«!


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