4. Theodizee
Auf den Gottesbegriff führt Leibniz' System von den verschiedensten Seiten zurück. Wir fanden Gott als die Ursubstanz oder »Ureinheit« aller Kräfte, als die oberste Monade, als den Quell alles Erkennens und alles Seins, und schließlich als obersten Baumeister der Natur und obersten Gesetzgeber des moralischen Reiches der Zwecke. Als der letzte Grund der Dinge muß er alle Vollkommenheiten, die sich in den aus ihm abgeleiteten Substanzen, seinen Ausflüssen, finden, im höchsten Maße in sich schließen. Er ist also allmächtig und allwissend, allgerecht und allgütig. Aus dieser seiner höchsten Vollkommenheit folgt weiter, dass er bei Erschaffung der Welt »den bestmöglichen Plan gewählt hat, in welchem sich die größte Mannigfaltigkeit mit der größten Ordnung vereint, Ort, Raum und Zeit am besten ausgenutzt, die größte Wirkung auf den einfachsten Wegen hervorgebracht und bei den Geschöpfen die meiste Macht, das meiste Wissen, das meiste Glück und die meiste Güte findet, welche das Universum fassen konnte« So wird das ganze Weltall eine Theodizee, d. i. eine Rechtfertigung Gottes. Dies der Grundgedanke des gleichnamigen Werkes, das Leibniz auf die Bitte seiner königlichen Schülerin Sophie Charlotte schrieb, um den Behauptungen des übrigens von ihm hochgeschätzten Skeptikers Bayle (§ 23) entgegenzutreten, der mit großer Schärfe auf die in der Welt vorhandenen moralischen und physischen Übel hingewiesen hatte. Aus dem weit ausgesponnenen, wenig philosophischen Werke brauchen wir nach allem Vorausgegangenen nur weniges anzuführen. Gegenüber dem Zwiespalt von Glauben und Vernunft, den Bayle hervorgehoben, behauptet Leibniz die Übereinstimmung beider. Der Satz des Widerspruchs läßt zwar keine widervernünftigen, wohl aber übervernünftige Wahrheiten zu, und das Prinzip des zureichenden Grundes weist über sich selbst hinaus, auf das teleologische Prinzip einer Vorsehung, eines absoluten Wesens, das seine eigene Ursache ist. Die Übel in der Welt, die selbst Leibniz' Optimismus nicht leugnen kann, haften teils als Unvollkommenheit und Beschränktheit von Natur allem Endlichen an (metaphysisches Übel), teils dienen sie als Leiden (physisches Übel) höheren Zwecken der Vorsehung, z.B. der göttlichen Erziehung des Menschen, teils endlich sind sie als Sünde (moralisches Übel) von Gott zugelassen, um ihren Gegensatz, das Gute, hervorzurufen und uns vor Abstumpfung zu bewahren. Übrigens muß man, um auch erfahrungsmäßig die bestehende Welt als die bestmögliche (daher die Bezeichnung des Optimismus für Leibniz' religiös-ethische Weltanschauung) zu erkennen, den Blick nicht an einzelnen Flecken haften lassen, sondern auf das Ganze richten, von dem wir ja nur einen Teil, vielleicht den mit den meisten Übeln behafteten, kennen.