Die syllogistischen Figuren
Unsere Untersuchung hat den Höhepunkt längst über schritten und könnte in rasch beschleunigtem Tempo bergab laufen. Eine Betrachtung der psychologischen Begriffsbildung hat uns schon gelehrt, dass Urteile nicht aus Begriffen hervorgehen, sondern vor den Begriffen vorhanden sind, dass also in den Begriffen oder Worten schon alles angeblich Spätere enthalten sei: Urteile und Schlüsse. Es lag in dieser Auffassung vom Begriffe schon ausgesprochen, dass sich aus der Häufung von Urteilen nichts erschließen lassen werde, was wir in den Begriffen nicht schon wüßten. Das logische Denken zeigte sich uns als ein Rückweg bei Tage, auf welchem Hänsel und Gretel nur die weißen Steinchen sehen, die sie bei Nacht auf dem Hinwege ausgestreut haben. Wenn sich mit keiner Schlußfolgerung etwas Neues erschließen läßt, so ist es überflüssig, diese Tatsache bei jeder einzelnen Schlußfigur besonders zu beweisen.
Aber die syllogistischen Figuren stehen seit den zwei Jahrtausenden, die seit Aristoteles verflossen sind, in so hohem Ansehen, und meine bisherige Darlegung war leider selbst so logisch, dass es vielleicht doch gut sein wird, die Beispiele zu vermehren, die Überzeugung beim Leser zu befestigen. Wie in jedem alten Hause, so gibt es auch in der Logik uralten Hausrat, der lästig im Wege steht, wenn man ihn nicht eines Tages einem historischen Museum überläßt oder ihn verbrennt.
Ich werde mich in diesem Zusammenhang nicht bei der historischen Frage aufhalten, wer eigentlich unsere vier Klassen zuerst aufgestellt habe. Gewiß ist nur, dass Aristoteles drei Klassen kannte oder erfand, und zwar, dass er unklar unter der ersten Klasse zusammenfaßte, was jetzt noch pedantischer teils der ersten, teils der vierten Klasse zugewiesen wird. Nach Angabe der arabischen Philosophen, die freilich für den Ärztestand sehr viel übrig hatten, war Galenos, der berühmte Systematiker der alten Medizin, 500 Jahre nach Aristoteles der Erfinder der vierten Figur, des vierten Spielzeugs für philosophierende Kinder.
Bevor wir aber an die harte Aufgabe gehen, die Theorie der vier Schlußfiguren auseinanderzulegen, wollen wir einmal an- einem uralten Schulbeispiel für die vier Figuren aufzeigen, wie leer diese ganze Spielerei für modernes Denken, für unsere moderne Sprache geworden ist. Das alte Schulbeispiel setzt mich nicht dem Verdachte aus, besonders schwache Seiten der Logik ausgewählt zu haben. Das Schulbeispiel spielt mit den Begriffen: Tugend und Laster, lobenswert und nützlich. Der Schüler von Logikern wird sofort die vier syllogistischen Figuren wiedererkennen; und wer das nicht vermag, darf sich damit begnügen, vier verschiedene Gedankengänge der Schule bemerkt zu haben.