Drittes Kapitel
Kleinere geschichtsphilosophische und polemische Schriften der 80er Jahre

Die Berliner Monatsschrift


Nach dem Erscheinen des großen Werks der Kritik der reinen Vernunft und ihrer Erläuterungsschrift, der Prolegomenen, fühlte unser Philosoph sich endlich innerlich wie äußerlich freier zur Bearbeitung der mannigfachen sonstigen Probleme und Gedanken, die er in seinem Kopfe trug, jedoch der großen theoretischen Arbeit zulieb alle die Jahre zurückgehalten hatte. Zudem drängte es ihn offenbar, nach so langer Pause einmal wieder zu einem größeren Publikum in allgemeinverständlichen Abhandlungen zu reden.

Für diesen Zweck bot sich ihm nun gerade damals ein vorzüglich passendes Organ in der soeben (1783) von dem Schulmanne Gedike und dem Bibliothekar Biester gegründeten Berlinischen Monatsschrift, die, im gleichen Verlage wie Nicolais 'Allgemeine Deutsche Bibliothek' erscheinend, ähnlich dieser, nur vertiefter den Kampf gegen alle Rückwärtserei in Religion und Politik auf ihre Fahne schrieb, übrigens auch schon — eine Seltenheit in jener Zeit — die Hebung der unteren Volksklassen durch Unterricht und gewerbliche Genossenschaften ins Auge gefaßt hat. Die Seele des Unternehmens, später auch alleiniger Herausgeber war der 1749 geborene Johann Erich Biester, seit 1777 Privatsekretär des Ministers von Zedlitz (s. B. II, Kap. 5), seit 1784 Vorsteher der Königlichen Bibliothek in Berlin. Ein kleiner, etwas verwachsener Mann mit schönen Gesichtszügen, wußte er geschickt die berühmtesten Namen der Zeit, soweit sie der Aufklärung dienen wollten, für die neue Zeitschrift zu gewinnen: Moses Mendelssohn, Justus Moser, der Theologe Semler, der Philologe Heyne, die Dichter Ramler und Gleim gehörten zu seinen Mitarbeitern. Mit Kant stand er bereits seit 1779 im Briefwechsel. Drei Jahre später hätte dieser ihn gern für die Königsberger Professur der Eloquenz, verbunden mit einer solchen der Jurisprudenz, gewonnen. Dazu kam es jedoch nicht. Dagegen wurde Kant einer der eifrigsten Mitarbeiter des neuen Organs: von den Abhandlungen, die er von 1784—1797 geschrieben, sind alle, mit einer Ausnahme, in der Berlinischen Monatsschrift zuerst veröffentlicht worden, davon fast die Hälfte (7) in den drei ersten Jahren von deren Bestehen; dazu kommen nur noch drei Rezensionen in der Jenaer Literaturzeitung (1785/86). Wegen der Themen fragt er gelegentlich den literarisch erfahreneren Biester um Rat: "Da ich beständig über Ideen brüte, fehlts mir nicht an Vorrat, wohl aber an einem bestimmten Grunde der Auswahl, desgleichen an Zeit, mich abgebrochenen Beschäftigungen zu widmen, da ich mit einem ziemlich ausgedehnten Entwürfe, den ich gern vor dem herannahenden Unvermögen des Alters ausgeführt haben möchte, beschäftigt bin. ... So möchte ich manchmal wohl wissen, welche Fragen das Publikum wohl am liebsten aufgelöst wissen möchte" (Kant an Biester, 31. Dez. 1784).

Seine ersten Aufsätze bezogen sich auf ein Feld, auf dem wir ihn noch nicht kennen gelernt haben, die A. Geschichtsphilosophie.


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