4. Holland


4. Auch in unserem Nachbarlande Holland herrscht, entsprechend dem Aufschwung der schönen Literatur, seit etwa 1880 regeres philosophisches Leben. Neben den zum Teil schon genannten Ganzbezw. Halbkantianern Levy, Ovink und Spruyt, dem an Fechner erinnernden van der Wyck (Utrecht), Herausgeber der Zeitschrift Onze Eeuw (Unsere Zeit), und dem Spinozisten W. Meyer, ragt vor allem der durch seine frühere Bekämpfung des Katholizismus und Sozialismus auch in nicht-philosophischen Kreisen bekannte geniale Autodidakt Bolland (Leiden) hervor, der sich von Hartmann über Kant zu Hegel entwickelt hat und eine ganze Anzahl Jünger zählt, die zu den führenden philosophischen Schriftstellern Hollands gehören. Von Bollands scharfsinnigen Arbeiten nennen wir das Collegium Logicum (1906) und Zuivere Rede (d.h. Reine Vernunft, 3. Aufl. 1912), in welchen Hegels Logik bezw. verschiedene Teile seiner Enzyklopädie eine selbständige Neubearbeitung und Weiterbildung erfahren haben, sowie die in unserer Sprache geschriebene Streitschrift gegen Hartmann: Alte Vernunft und neuer Verstand (1902). In seinen Schriften Het Evangelie (2. Aufl. 1910) und De groote Vraag (2. Aufl. 1913) zeigt er mit einem gewaltigen Zitatenmaterial, wie sich das Christentum aus der alexandrinischen Theosophie (vgl. Bd. I, § 48) entwickelt hat. Seine trefflichen Hegel-Ausgaben s. S. 304 f. Der holländische Neuhegelianismus hat sogar 1912 eine besondere ›Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft der Reinen Vernunft in den Niederlanden‹ gegründet. - Eine andere bekannte Persönlichkeit ist der Herausgeber der 1906 gegründeten, im ganzen hegelianisierenden Zeitschrift für Philosophie (Tydschrift voor Wysbegeerte), der feinsinnige Denker J. D. Bierens de Haan, der einen mehr subjektiv gefärbten Idealismus vertritt. Von seinen Schriften heben wir hervor: De psychische afkomst van het oorzaakbegrip (= Der psychische Ursprung des Kausalbegriffs, 1895), ferner Levensleer naar de grondbeginselen van Spinoza (1902), welche eine Lebenslehre, d.h. Ethik »nach den Grundsätzen Spinozas« entwirft, aber auf neue erkenntnistheoretische Grundlagen stellt; endlich De weg tot het inzicht (1909), d.h. eine Einleitung in die Philosophie. - Außerdem sei noch erwähnt der tüchtige Physio-Psychologe G. Heymans (geb. 1857, Groningen) mit seinen Werken: Die Gesetze und Elemente des wissenschaftlichen Denkens (1890-94, 2. Aufl. 1905) und Einführung in die Metaphysik auf Grundlage der Erfahrung (Leipzig 2. Aufl. 1911), sowie der positivistisch gerichtete Ethiker und Soziologe Wynaendts Francken (Soziale Ethik 1897, Ethische Studien, 1903)*).

 

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*) Die Notizen über Holland verdanke ich zum größten Teile meinem Freunde S. A. van Lunteren (Utrecht), die über Polen Herrn Professor Garfein-Garski (Lemberg). 


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Seite zuletzt aktualisiert: 31.10.2006 
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