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Studio »L'Assaut«

66 rue Lepic befindet sich im fünften Stock ein schmaler Bühnenraum und ein Saal, der auf gestaffelten Holzbänken 300 Personen faßt. Mehr als 500 waren erschienen, um einem Abend des »Assaut« beizuwohnen. Unstreitig lohnend die Gruppierung des Publikums. Der Raum, in dem es verstaut war, gehört Mme. Lara, ehemaliger Sozietärin der Comédie Française. Sie hat dem (altgoldnen) Glanz dieses Institutes entsagt, um ihre Arbeitskraft diesem jungen kommunistisch organisierten Theaterunternehmen zuzuwenden: alles, was sonst bezahlten Hilfskräften obliegt – Dekoration, Maschinerie, Beleuchtung – wird von den Gruppenteilnehmern selber gestellt und versorgt. Man gab einen Sketch des Belgiers Closson, vorher das »Armoire à glace« von Aragon (textlich bekannt aus des Autors »Libertinage«). Im Zwischenakt machte man die Bekanntschaft der Mme. Lara selbst. Tolstoischer Observanz; mit strengen Zügen. Sie erlegte den Gästen Stillschweigen auf, einem Publikum, das man geladen hatte, ohne Wert darauf legen zu wollen. Der puritanische Aufbau des Ganzen, die drakonische Plazierung der Anwesenden hätten Strengeres erwarten lassen. Herr Closson widmet für diesmal sich Vorgängen, die im Vorraum eines Aborts sich abspielen. Es fehlt nicht an liebevoller Ausmalung des lokalen Details; im übrigen würde es nicht einmal für »Grand-Guignol« hinreichen. Denn die Schicksale der fünf Franken, die im Lauf der verschiedenen Konstellationen, wie sie an solchen Orten eintreten, in der Schürze der diensttuenden Wartefrau sich einfinden, um endlich einem »louis« in die Hände zu fallen, sind ganz uninteressant: kümmerlicher Märchenstoff eines perversen Andersen. Mit solchen Spätlingen der großbürgerlichen Varietébühne beglaubigt ein antikapitalistisches, emanzipiertes Theaterwesen sich schlecht. Des geschätzten surrealistischen Champions Aragon »Spiegelschrank« kommt – nicht minder verspätet – von Maeterlinck her. Im Spiegelschrank steht ein Mann: der Liebhaber. Oder steht er nicht drin? ... Der Gatte steht auf jeden Fall davor wie die Kuh (vielmehr der Hornochse) vorm neuen Tor. Soll er den Schrank einfach aufmachen? Aber wo wird er denn ... Also: greuliche Symbolwürgerei mit »Nachbarin« in Schwarz und allem durch und durch verstaubten Inventar aus dem Jugendstil des Jahrhundertanfangs. – In der Grande Maison de Blanc rehabilitiert sich Mme. Lara mit hübschen Kostümentwürfen zu dem neuen Film »Nana«. An welcher Stelle ihre Autoren das tun, wüßten wir nicht anzugeben.