842. Kamerad¹⁾. Kollege²⁾.
Kamerad (eig. Stubengenossenschaft oder Stubengenosse, aus frz. camarade, ital. camerata, bedeutete eigentl. Stubengenossenschaft, dann Gesellschaft, Genosse, von lat. camera, Kammer, Stube; da die Soldaten im Zelt beisammenwohnten, so ist der Ausdruck namentlich beim Militär üblich geblieben) bezeichnet einen Genossen jeder Art, z. B. Schul-, Spiel-, Reisekamerad usw., Kollege (lat. collega) nur den Amtsgenossen. Kollege war ursprünglich auf akademisch gebildete Kreise beschränkt und gewann dann namentlich in Schul- und Lehrerkreisen eine besondere Bedeutung als Berufsbezeichnung, indem an den Lateinschulen die Lehrer nach ihrer Reihenfolge im Lehrerkollegium, z. B. als Collega quintus, quartus, tertius (d. h. als fünfter, vierter, dritter Lehrer) bezeichnet wurden. Daher entwickelte sich in Lehrerkreisen der Begriff der Kollegialität, d. h. der hilfbereiten, unterstützenden, allen Hochmut und Neid ausschließenden Liebe und gegenseitigen Wertschätzung der Amtsgenossen untereinander, der noch heute als eine besonders wertvolle ethische Eigenschaft unter der Lehrerschaft hochgehalten wird (wie der der Kameradschaft beim Militär). Von den Lehrern an höheren Schulen übertrug man die Bezeichnung Kollege auch auf die Lehrer an den Volksschulen. Heute hat das Wort überhaupt seine Bedeutung erweitert und bezeichnet nicht nur die Amtsgenossen bei den höheren, sondern auch die Berufsgenossen bei den niederen Ständen. Jeder Handwerkslehrling oder -gehilfe nennt heute jeden andern Lehrling oder Gehilfen des gleichen Handwerks, ebenso jeder Ziegelträger bei einem Bau den andern seinen Kollegen. Kamerad schränkt sich dagegen immer mehr auf den Soldatenstand ein. Hierher gehört auch der Ausdruck Kumpan (mhd. kumpân, kompân, aus altfrz. compaing, Gefährte, das wieder auf mittellat. companium, d. i. eigentl. Brotgemeinschaft, von lat. panis, Brot, zurückgeht). Das Wort hieß anfangs Compan und kommt auch heute noch in dieser dem Französischen noch näher stehenden Form vor, wurde aber schon im Mittelhochdeutschen in der Form Kumpan noch deutscher gemacht. Das Wort ist jetzt in gewählter Sprache nicht mehr üblich; es ist überhaupt im Absterben begriffen und dient nur noch als Kraftwort für Geselle, Genosse. Noch bei Goethe steht es in gewählter Sprache: „Meine Tischgesellen, als gute Kumpane, waren mir auch Gesellen für die übrige Zeit geworden.“ Goethe fühlte noch deutlich die ursprüngliche Bedeutung des Wortes, wie aus dieser Stelle hervorgeht. Kamerad, das bereits im frühesten Neuhochdeutsch sich findet, und Kumpan verdrängten zahlreiche gute altdeutsche Ausdrücke für denselben Begriff, z. B. got. gahlaiba, ahd. gileib, Genosse (von got. haifs, gen. hlaibis, ahd. hleib, leib, mhd. leip, d. i. Brot, nhd. Laib),1 ahd. gimazzo, der Gemaße, Genosse (von maz, Neutr., d. i. Speise), ahd. gidofto, Genosse u. a. Geselle, Gefährte und Genosse haben sich dagegen siegreich bis in unsere Zeit behauptet. (Vgl. Art. 659.) Kamerad ist sogar ins Volkslied eingedrungen, z. B. „Ich hatt’ einen Kameraden, einen bessern findst du nit.“ Uhland.
- Bemerkenswert ist, daß auch das engl. lord, angelsächs. hlâford, d. i. Herr, eigentl. Brotwart, und das engl. lady, angelsächs. hlôefdige, d. i. Herrin, eigentl. Brotverteilerin, auf denselben Stamm zurückgehen.↩