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Wechselwirkung

Wechselwirkung. Wie ist es möglich, „daß mehrere Substanzen in gegenseitiger Wechselwirkung stehen und auf diese Weise zu demselben Ganzen gehören, welches die Welt heißt?“ „Wenn mehrere Substanzen gegeben sind, so folgt das Prinzip ihrer möglichen Wechselwirkung untereinander nicht aus ihrem bloßen Dasein, sondern es ist noch etwas anderes nötig, aus dem die gegenseitigen Beziehungen begreiflich werden. Denn des bloßen Daseins wegen beziehen sie sich nicht notwendig auf etwas anderes, ausgenommen etwa auf ihre eigene Ursache; allein das Verhältnis der Wirkung zur Ursache ist nicht Wechselwirkung, sondern Abhängigkeit. Stehen sie also in Wechselwirkung mit anderen, so bedarf es eines besonderen Grundes, der dies genau bestimmt.“ Eine wirkliche Wechselwirkung ist jene, „nach welcher das Ganze der Welt ein wirkliches und kein ideales oder eingebildetes genannt zu werden verdient“, Mund. sens. §§ 16 f. (V 2, 115 f.). „Ein Ganzes aus notwendigen Substanzen ist unmöglich. Denn da für jede ihr eigenes Dasein vollkommen feststeht, frei von aller Abhängigkeit von jeder anderen, die gar nicht auf notwendige Dinge paßt: so ist klar, daß nicht bloß die Wechselwirkung der Substanzen (d. h. die gegenseitige Abhängigkeit ihres Zustandes) aus ihrem Dasein nicht folgt, sondern daß sie ihnen als notwendigen Dingen überhaupt nicht zukommen kann“, ibid. § 18 (V 2, 117). „Das Ganze der Substanzen ist deshalb nur ein Ganzes von zufälligen Dingen, und die Welt besteht vermöge ihrer Wesenheit aus lauter Zufälligem“, ibid. § 19 (V 2, 117). „Die Substanzen der Welt sind Wesen, die von einem Anderen herrühren; aber nicht von verschiedenen, sondern alle von Einem. Denn, gesetzt sie wären von mehreren notwendigen Wesen veranlaßt, so ständen die Wirkungen, deren Ursachen jeder Beziehung zueinander fremd wären, nicht in Wechselwirkung. Demnach ist die Einheit in der Verbindung der Substanzen des Weltalls eine Folge der Abhängigkeit ihrer aller von Einem. Darum zeugt die Form des Weltalls von einer Ursache der Materie, und die einzige Ursache für alle ist die Ursache ihrer Allheit; und der Baumeister der Welt ist zugleich ihr Schöpfer“, ibid. § 20 (V 2, 117). „Alle Wechselwirkung der Substanzen des Weltalls ist also äußerlich gegründet (durch eine gemeinsame Ursache aller).“ Auf dieser Wechselwirkung beruht die allgemein gegründete Harmonie der Welt, ibid. § 22 (V 2, 118 f.).

Der Begriff der Wechselwirkung gehört zu den Kategorien (s. d.) der Relation. Das „Schema“ (s. d.) der Gemeinschaft (Wechselwirkung) oder der wechselseitigen Kausalität der Substanzen ist „das Zugleichsein der Bestimmungen der Einen mit denen der Anderen, nach einer allgemeinen Regel“, KrV tr. Anal. 2. B. 1. H. (I 187—Rc 243). Zu den „Analogien“ (s. d.) der Erfahrung gehört der apriorische (aber „regulative“) „Grundsatz des Zugleichseins, nach dem Gesetze der Wechselwirkung oder Gemeinschaft“: „Alle Substanzen, sofern sie im Raume als zugleich wahrgenommen werden können, sind in durchgängiger Wechselwirkung“, ibid. 2. B. 2. H. 3. Abs. 3. Analogie (I 242—Rc 302 Anm.). „Alle Substanzen, sofern sie zugleich sind, stehen in durchgängiger Gemeinschaft“, ibid. (I 242 Anm.—Rc 302). Beweis: „Zugleich sind Dinge, wenn in der empirischen Anschauung die Wahrnehmung des einen auf die Wahrnehmung des anderen wechselseitig folgen kann (welches in der Zeitfolge der Erscheinungen ... nicht geschehen kann).“ „Nun ist das Zugleichsein die Existenz des Mannigfaltigen in derselben Zeit. Man kann aber die Zeit selbst nicht wahrnehmen, um daraus, daß Dinge in derselben Zeit gesetzt sind, abzunehmen, daß die Wahrnehmungen derselben einander wechselseitig folgen können. Die Synthesis der Einbildungskraft in der Apprehension würde also nur eine jede dieser Wahrnehmungen als eine solche angeben, die im Subjekte da ist, wenn die andere nicht ist, und wechselsweise, nicht aber daß die Objekte zugleich seien, d. i. wenn das eine ist, das andere auch in derselben Zeit sei, und daß dieses notwendig sei, damit die Wahrnehmungen wechselseitig aufeinander folgen können. Folglich wird ein Verstandesbegriff von der wechselseitigen Folge der Bestimmungen dieser außer einander zugleich existierenden Dinge erfordert, um zu sagen, daß die wechselseitige Folge der Wahrnehmungen im Objekte gegründet sei, und das Zugleichsein dadurch als objektiv vorzustellen. Nun ist aber das Verhältnis der Substanzen, in welchem die eine Bestimmungen enthält, wovon der Grund in der anderen enthalten ist, das Verhältnis des Einflusses, und wenn wechselseitig dieses den Grund der Bestimmungen in dem anderen enthält, das Verhältnis der Gemeinschaft oder Wechselwirkung. Also kann das Zugleichsein der Substanzen im Raume nicht anders in der Erfahrung erkannt werden, als unter Voraussetzung einer Wechselwirkung derselben unter einander: diese ist also auch die Bedingung der Möglichkeit der Dinge selbst als Gegenstände der Erfahrung“, ibid. (I 243 f.—Rc 302 f.). Durch die Kategorie der „Gemeinschaft“ (Wechselwirkung) wird durch ein A dem B und umgekehrt dem B durch A seine Stelle in der Zeit bestimmt. Die dynamische Gemeinschaft ist die Bedingung des Zugleichseins zweier Objekte in einer möglichen Erfahrung, ibid. (I 244 f.—Rc 304 f.). „Ohne Gemeinschaft ist jede Wahrnehmung (der Erscheinung im Raume) von der anderen abgebrochen, und die Kette empirischer Vorstellungen, d. i. Erfahrung, würde bei einem neuen Objekt ganz von vorne anfangen, ohne daß die vorige damit im geringsten zusammenhängen oder im Zeitverhältnisse stehen könnte.“ „In unserem Gemüte müssen alle Erscheinungen, als in einer möglichen Erfahrung enthalten, in Gemeinschaft (communio) der Apperzeption stehen, und sofern die Gegenstände als zugleich existierend verknüpft vorgestellt werden sollen, so müssen sie ihre Stelle in einer Zeit wechselseitig bestimmen und dadurch ein Ganzes ausmachen. Soll diese subjektive Gemeinschaft auf einem objektiven Grunde beruhen oder auf Erscheinungen als Substanzen bezogen werden, so muß die Wahrnehmung der einen als Grund, die Wahrnehmung der anderen, und so umgekehrt, möglich machen, damit die Sukzession, die jederzeit in den Wahrnehmungen als Apprehension ist, nicht den Objekten beigelegt werde, sondern diese als zugleich existierend vorgestellt werden können. Dieses ist aber ein wechselseitiger Einfluß, d. i-eine reale Gemeinschaft (commercium) der Substanzen, ohne welche also das empirische Verhältnis des Zugleichseins nicht in der Erfahrung stattfinden könnte“, ibid. (I 245 f.— Rc 305 f.). Die Möglichkeit der Gemeinschaft der Substanzen können wir uns — ohne Vermittlung durch die Gottheit: Leibniz — faßlich machen, wenn wir sie uns in der äußeren Anschauung des Raumes vorstellen. „Denn dieser enthält schon a priori formale äußere Verhältnisse, als Bedingungen der Möglichkeit der realen (in Wirkung und Gegenwirkung, mithin der Gemeinschaft), in sich“, tr. Anal. 2. B. 2. H. 3. Abs. Allg. Anmerk. (I 269—Rc 331).

Die (von Leibniz gelehrte) „prästabilierte Harmonie“, „das wunderlichste Figment, was je die Philosophie ausgedacht hat“, ist etwas, was sich nur ausdenken ließ, „weil alles aus Begriffen erklärt und begreiflich gemacht werden sollte“. „Nimmt man dagegen die reine Anschauung des Raumes, sowie dieser a priori allen äußeren Relationen zum Grunde liegt und nur ein Raum ist: so sind dadurch alle Substanzen in Verhältnissen, die den physischen Einfluß möglich machen, verbunden und machen ein Ganzes aus, so daß alle Wesen als Dinge im Raume zusammen nur eine Welt ausmachen und nicht mehrere Welten außereinander sein können“, Fortschr. d. Metaph. 2. Abt. 1. Stadium (V 3, 112). Vgl. Wirkung, Einfluß, Koexistenz, Harmonie.