Wunder
Wunder. Das Wunder ist „eine Begebenheit, deren Grund nicht in der Natur zu finden ist“. Man kann die Wunder einteilen in „äußere und innere, d. h. in Veränderungen der Erscheinung für den äußeren und in die für den inneren Sinn“. „Jene geschehen im Raume, diese in der Zeit.“ „Es kann weder durch ein Wunder, noch durch ein geistiges Wesen in der Welt eine Bewegung hervorgebracht werden, ohne ebensoviel Bewegung in entgegengesetzter Richtung zu wirken, folglich nach Gesetzen der Wirkung und Gegenwirkung der Materie; denn widrigenfalls würde eine Bewegung des Universi im leeren Raum entspringen.“ „Es kann aber auch keine Veränderung in der Welt (also kein Anfang jener Bewegung) entspringen, ohne durch Ursachen in der Welt nach Naturgesetzen überhaupt bestimmt zu sein, also nicht durch Freiheit oder eigentliche Wunder; denn weil nicht die Zeit die Ordnung der Begebenheiten bestimmt, sondern umgekehrt die Begebenheiten, d. i. die Erscheinungen nach dem Gesetze der Natur (der Kausalität) die Zeit bestimmen, so würde eine Begebenheit, die unabhängig davon in der Zeit geschähe oder bestimmt wäre, einen Wechsel in der leeren Zeit voraussetzen, folglich die Welt selbst in der absoluten Zeit ihrem Zustande nach bestimmt sein“, Acht kleine Aufsätze, 2: Über Wunder (VIII 164 f.). Der Glaube an Wunder muß durch die moralische Religion (s. d.) endlich entbehrlich gemacht werden; denn „es verrät einen sträflichen Grad moralischen Unglaubens, wenn man den Vorschriften der Pflicht, wie sie ursprünglich ins Herz der Menschen durch die Vernunft geschrieben sind, anders nicht hinreichende Autorität zugestehen will, als wenn sie noch dazu durch Wunder beglaubigt werden.“ Die wahre Religion kann sich „durch Vernunftgründe“ selbst erhalten, Rel. 2. St. 2. Abs. Allg. Anmerk. (IV 95). Vernünftige Menschen, die dem Glauben an Wunder nicht entsagen wollen, glauben an sie zwar, „was die Theorie betrifft“, „in Geschäften aber statuieren sie keine“. „Wunder“ sind für uns, d. h. zu unserem praktischen Vernunftgebrauch, Begebenheiten in der Welt, „von deren Ursache uns die Wirkungsgesetze schlechterdings unbekannt sind und bleiben müssen“. Man kann sie in „theistische“ und „dämonische“ (englische und teuflische) Wunder einteilen, ibid. (IV 96 f.). Der Glaube an Wunder lähmt die Vernunft in ihrem Forschen und vernichtet das Vertrauen auf die schon bekannte Gesetzlichkeit des Geschehens, ibid. (IV 97 ff.). In einer „bezauberten Welt“ ist die Vernunft „zu gar nichts nutze“. Für uns muß alles in der Welt Erfahrbare als „Naturwirkungen“ beurteilt werden; das Übersinnliche (s. d.) aber liegt theoretisch jenseits des Erkennens (auch gegen alle Arten des Okkultismus u. dgl.), ibid. Allg. Anmerk. 3. Anm. (IV 100 f.); vgl. Str. d. Fak. 1. Abs. Allg. Anmerk. (V 4, 100 f.). Wunder sind „nicht Facta, sondern übernatürliche Deutungen von Factis, denn die Bestimmung der Ursachen beruht immer auf Vernunft“, Lose Bl. 5. Vgl. Übernatürlich, Religion, Gnade, Aberglaube.