Wahrheit
Wahrheit. Wahrheit ist Übereinstimmung des Denkens mit dem Gegenstand. Ein allgemeines „Kriterium“ für die materiale Wahrheit eines Urteils gibt es nicht. Aber es besteht ein formales Kriterium der Wahrheit, nämlich Übereinstimmung des Urteils mit den Gesetzen des Denkens. Diese Übereinstimmung ist die negative Bedingung aller Wahrheit, wenn es auch noch nicht als allgemeines positives Kriterium wahrer Erkenntnis ausreicht. Logisch richtig, formal wahr ist, was widerspruchslos ist und den Denkgesetzen, den Regeln der Logik nicht widerspricht. Materiale Wahrheit können aber nur Urteile haben, die den Gesetzen (Grundsätzen) des auf die Erfahrung bezogenen Verstandes, den apriorischen Voraussetzungen der Erfahrung, den obersten Prinzipien einer möglichen Erfahrung gemäß sind, d. h. die durch die Anwendung jener Grundsätze auf die Daten zu einer objektiven Erfahrung notwendig, gefordert, bedingt sind. Wahrheit im Sinne objektiver Geltung (s. d.) können nur Urteile haben, die der Idee einheitlichen Erfahrungszusammenhanges gemäß sind, durch die etwas diesem Zusammenhange eingegliedert wird, durch die also eine allgemeingültige Synthese von Daten zu einem Objekt hergestellt wird. Das wahre Urteil muß mit dem Objekt übereinstimmen, weil die Bedingungen objektiv wahrer Urteile zugleich die Bedingungen der Gegenstände solcher Urteile und ihrer „Wirklichkeit“ sind (vgl. Deduktion, Erkenntnis). Objektive Wahrheit ist insofern absolut, als sie von aller subjektiven Besonderheit unabhängig, für ein „Bewußtsein überhaupt“ (s. d.) und für die Gegenstände (als Erscheinungen wenigstens) selbst Geltung besitzt und als ihre apriorischen Grundlagen streng notwendig und allgemein sind. Von der apriorisch feststehenden Wahrheit dieser Grundlagen der Erkenntnis sind die empirischen Wahrheiten zu unterscheiden, die im Prozeß der Erkenntnis allmählich gefunden werden, wobei die „transzendentale“ Wahrheit der Forschung die Richtung gibt und die empirischen Wahrheiten selbst konstant bedingt, als Beziehung auf Erfahrung überhaupt. Notwendige Wahrheiten gelten zeitlos.
Ein „unbedingt erstes und umfassendes Prinzip für alle Wahrheiten“ gibt es nicht. Denn soll es ein bejahender Satz sein, so kann er nicht das unbedingt erste Prinzip der verneinenden Wahrheiten sein; ist es ein verneinender, so kann er nicht an der Spitze der bejahenden stehen, N. diluc. Propos. 1 (V 1, 5). „Unbedingt oberste Prinzipien aller Wahrheiten gibt es zwei; eines für die bejahenden Wahrheiten, nämlich den Satz: Alles, was ist, das ist; das andere für die verneinden, nämlich den Satz: Alles, was nicht ist, das ist nicht. Diese beiden werden zusammen das Prinzip der Identität genannt“, ibid. Propos. 2 (V 1, 6 f.). Da „alle Wahrheit aus der Bestimmung eines Subjekts durch ein Prädikat hervorgeht“, „so ist der bestimmende Grund nicht bloß das Kennzeichen der Wahrheit, sondern auch deren Quelle, ohne die man zwar sehr viel Mögliches, aber gar nichts Wahres finden kann“, ibid. Propos. 4 (V 1, 12); vgl. Grund.
Alle wahren Urteile müssen „entweder bejahend oder verneinend sein“. „Weil die Form einer jeden Bejahung darin besteht, daß etwas als ein Merkmal von einem Dinge, d. i. als einerlei mit dem Merkmale eines Dinges vorgestellt werde, so ist ein jedes bejahende Urteil wahr, wenn das Prädikat mit dem Subjekte identisch ist. Und da die Form einer jeden Verneinung darin besteht, daß etwas einem Dinge als widerstreitend vorgestellt werde, so ist ein verneinendes Urteil wahr, wenn das Prädikat dem Subjekte widerspricht“, Nat. Theol. 3. Btr. § 3 (V 1, 139).
Obgleich aber die Erscheinungen die „innere und absolute Beschaffenheit der Gegenstände nicht ausdrücken“, so ist dennoch ihre Erkenntnis eine „durchaus wahre“. „Denn erstens zeugen sie, insofern sie sinnliche Begriffe oder Wahrnehmungen sind, als Wirkungen von der Gegenwart eines Gegenstandes, was den Idealismus widerlegt; insofern man aber die Urteile über das sinnlich Erkannte im Auge hat, so besteht die Wahrheit des Urteils in der Übereinstimmung des Prädikats mit dem gegebenen Subjekt; der Begriff des Subjekts nun, soweit es Erscheinung ist, wird mir nur durch die Beziehung auf das sinnliche Erkenntnisvermögen gegeben, und demselben gemäß werden auch die sinnlich wahrnehmbaren Prädikate gegeben; also erfolgen die Vorstellungen des Subjekts und des Prädikats nach gemeinsamen Gesetzen und bieten deshalb die Handhabe für eine durchaus wahre Erkenntnis“, Mund. sens. § 11 (V 2, 102 f.).
Man fragt nach allgemeinen Kriterien 1. der materialen, 2. der formalen Wahrheit von Urteilen. Bedeutet Wahrheit „Übereinstimmung einer Erkenntnis mit ihrem Gegenstande“, so muß dieser Gegenstand von anderen unterschieden werden, denn eine Erkenntnis ist „falsch“, „wenn sie mit dem Gegenstande, worauf sie bezogen wird, nicht übereinstimmt, ob sie gleich etwas enthält, was wohl von anderen Gegenständen gelten könnte“. „Nun würde ein allgemeines Kriterium der Wahrheit dasjenige sein, welches von allen Erkenntnissen, ohne Unterschied ihrer Gegenstände, gültig wäre. Es ist aber klar, daß, da man bei demselben von allem Inhalt der Erkenntnis (Beziehung auf ihr Objekt) abstrahiert, und Wahrheit gerade diesen Inhalt angeht, es ganz unmöglich und ungereimt sei, nach einem Merkmale der Wahrheit dieses Inhalts der Erkenntnisse zu fragen, und daß also ein hinreichendes, und doch zugleich allgemeines Kennzeichen der Wahrheit unmöglich angegeben werden könne.“ „Von der Wahrheit der Erkenntnis der Materie nach läßt sich kein allgemeines Kennzeichen verlangen, weil es in sich selbst widersprechend ist“, KrV tr. Log. Einl. III (I 122—Rc 132). In formaler Beziehung aber ist klar, daß eine Logik, sofern sie „die allgemeinen und notwendigen Regeln des Verstandes“ vorträgt, „eben in diesen Regeln Kriterien der Wahrheit darlegen müsse“. „Denn, was diesen widerspricht, ist falsch, weil der Verstand dabei seinen allgemeinen Regeln des Denkens, mithin sich selbst widerstreitet. Diese Kriterien aber betreffen nur die Form der Wahrheit, d. i. des Denkens überhaupt, und sind sofern ganz richtig, aber nicht hinreichend. Denn obgleich eine Erkenntnis der logischen Form völlig gemäß sein möchte, d. i. sich selbst nicht widerspräche, so kann sie doch noch immer dem Gegenstande widersprechen. Also ist das bloß logische Kriterium der Wahrheit, nämlich die Übereinstimmung einer Erkenntnis mit den allgemeinen und formalen Gesetzen des Verstandes und der Vernunft zwar die conditio sine qua non, mithin die negative Bedingung aller Wahrheit; weiter aber kann die Logik nicht gehen, und den Irrtum, der nicht die Form, sondern den Inhalt trifft, kann die Logik durch keinen Probierstein entdecken.“ „Materielle (objektive)“ Wahrheit durch bloße Logik finden zu wollen, führt zur Dialektik (s. d.), zu einer sophistischen Logik des Scheins, ibid. (I 113 f.—Rc 132 f.). Hingegen ist die transzendentale Analytik eine „Logik der Wahrheit“. „Denn ihr kann keine Erkenntnis widersprechen, ohne daß sie zugleich allen Inhalt verlöre, d. i. alle Beziehung auf irgendein Objekt, mithin alle Wahrheit“, ibid. Einl. IV (I 115—Rc 135). In der allgemeinen Beziehung auf mögliche Erfahrung besteht die „transzendentale“ Wahrheit, welche alle „empirische“ Wahrheit möglich macht, ibid. tr. Anal. 2. B. 1. H. (I 189—Rc 244). Damit ein Satz wahr ist, muß das Urteil Begriffe so verbinden, wie es der Gegenstand mit sich bringt, oder es muß ein Grund a priori oder a posteriori gegeben sein, der zu einem solchen Urteil berechtigt. Es kann daher ein Urteil ohne allen inneren Widerspruch doch „falsch oder grundlos“ sein. Der Satz des Widerspruchs ist nur ein negatives Kriterium der Wahrheit. Nur bei den analytischen Urteilen (s. d.) kann er positive Bedeutung haben. Die Wahrheit analytischer Urteile muß nach diesem Prinzip erkannt werden können, ibid. 2. B. 2. H. 1. Abs. (I 192 f.—Rc 248 f.). Erkenntnis (Synthesis) a priori hat nur dadurch „Wahrheit (Einstimmung mit dem Objekt)“, daß sie „nichts weiter enthält, als was zur synthetischen Einheit der Erfahrung überhaupt notwendig ist“, ibid. 2. Abs. (I 197—Rc 253); vgl. Grundsätze. Wahrheit (und Schein) ist nicht im Gegenstände, sofern er angeschaut wird, sondern im Urteile über denselben, d. h. „nur in dem Verhältnisse des Gegenstandes zu unserem Verstande“. In einer Erkenntnis, die „mit den Verstandesgesetzen durchgängig zusammenstimmt“, ist kein Irrtum (s. d.). Das „Formale aller Wahrheit“ besteht in der „Übereinstimmung mit den Gesetzen des Verstandes“. Wahrscheinlichkeit ist „Wahrheit, aber durch unzureichende Gründe erkannt“, KrV tr. Dial. Einl. I (I 314 f.—Rc 380 f.) Wahrheit beruht auf der „Übereinstimmung mit dem Objekt“. Betreffs dessen müssen „die Urteile eines jeden Verstandes einstimmig“ sein. Der „Probierstein des Fürwahrhaltens“ ist die Mitteilbarkeit desselben; denn dann besteht wenigstens eine Vermutung, „der Grund der Einstimmung aller Urteile, ungeachtet der Verschiedenheit der Subjekte untereinander, werde auf dem gemeinschaftlichen Grunde nämlich dem Objekte beruhen, mit welchem sie daher alle zusammenstimmen und dadurch die Wahrheit des Urteils beweisen werden“, ibid. tr. Meth. 2. H. 3. Abs. (I 677 f.— Rc 830 f.); vgl. Überzeugung.
Der Unterschied zwischen Wahrheit und Traum beruht nicht auf der Beschaffenheit der auf Gegenstände bezogenen Vorstellungen, „denn die sind in beiden einerlei“, sondern auf der „Verknüpfung derselben nach den Regeln, welche den Zusammenhang der Vorstellungen in dem Begriffe eines Objekts bestimmen, und wiefern sie in einer Erfahrung beisammenstehen können oder nicht“. „Und da liegt es gar nicht an den Erscheinungen wenn unsere Erkenntnis den Schein für Wahrheit nimmt, d. i. wenn Anschauung, wodurch uns ein Objekt gegeben wird, für Begriff vom Gegenstande oder auch der Existenz desselben die der Verstand nur denken kann, gehalten wird.“ Der Schein kommt nicht auf Rechnung der Sinne, sondern des Verstandes, dem es allein zukommt, aus der Erscheinung ein objektives Urteil zu fällen. Wenn wir unsere sinnlichen Anschauungen im Raume und in der Zeit „nach Regeln des Zusammenhanges aller Erkenntnis in einer Erfahrung verknüpfen, so kann, nachdem wir unbehutsam oder vorsichtig sind, trüglicher Schein oder Wahrheit entspringen; das geht lediglich den Gebrauch sinnlicher Vorstellungen im Verstande und nicht ihren Ursprung“ an, Prol. § 13 Anmerk. III (III 45 f.). „Objektive Wahrheit“ bekunden Vorstellungen durch ihre „Verknüpfung nach Erfahrungsgesetzen“, dadurch also, daß sie mit dieser Verknüpfung durchaus übereinstimmen, und sich so als „wahrhafte Erfahrung“ ausweisen, ibid. § 49 (III 102 ff.; vgl. Außenwelt, Wirklich. Raum und Zeit in Verbindung mit den Kategorien schreiben aller möglichen Erfahrung ihr Gesetz vor, „welches zugleich das sichere Kriterium abgibt, in ihr Wahrheit von Schein zu unterscheiden“, Prol. Anh. Probe eines Urteils... (III 152); vgl. 2. Anm. (III 154). Wahrheit ist „Zusammenhang nach Gesetzen, die ich a priori erkenne“, ibid. Beilage I: Vorarbeit zu d. Prol. (III 171). Der letzte Probierstein der Zulässigkeit eines Urteils ist allein in der Vernunft zu suchen, mag diese nun „durch Einsicht oder bloßes Bedürfnis und die Maxime ihrer eigenen Zuträglichkeit in der Wahl ihrer Sätze geleitet werden“. Was heißt: s. i. D. or.? (V 2, 155). Denn „der letzte Probierstein der Wahrheit ist immer die Vernunft“, ibid. (V 2, 156); vgl. letzte Anm. (V 2, 162). Der „Probierstein“ der Wahrheit der apriorischen Sätze der Mathematik und Naturwissenschaft liegt „in ihnen selbst“, „weil ihre Begriffe nur so weit gehen, als die ihnen korrespondierenden Gegenstände gegeben werden können“, Fortschr. d. Metaph. Beüage I Einl. (V 3, 151).
Wir müssen unser Urteil auch am Verstande anderer prüfen. Dieses äußere Wahrheitskriterium können wir nicht entbehren, sollen wir nicht dem Irrtum (sogar in der Mathematik) preisgegeben werden. „Gibt es doch auch manche Fälle, wo wir sogar dem Urteil unserer eigenen Sinne allein nicht trauen, z. B. ob ein Geklingel bloß in unseren Ohren, oder ob es das Hören wirklich gezogener Glocken sei, sondern noch andere zu befragen nötig finden, ob es sie nicht auch so dünke“, Anthr. 1. T. § 2 (IV 13 f.). Es ist „ein subjektiv-notwendiger Probierstein der Richtigkeit unserer Urteile überhaupt und also auch der Gesundheit unseres Verstandes: daß wir diesen auch an den Verstand anderer halten, nicht aber uns mit dem unsrigen isolieren und mit unserer Privatvorstellung doch gleichsam öffentlich urteilen“. Das „größte und brauchbarste Mittel, unsere eigenen Gedanken zu berichtigen“, besteht darin, daß wir sie „öffentlich aufstellen, um zu sehen, ob sie auch mit anderer ihrem Verstande zusammenpassen; weil sonst etwas bloß Subjektives (z. B. Gewohnheit oder Neigung) leichtlich für objektiv würde gehalten werden“, ibid. § 53 (IV 138).
„Wahrheit, sagt man, besteht in der Übereinstimmung der Erkenntnis mit dem Gegenstande. Dieser bloßen Worterklärung zufolge soll also meine Erkenntnis, um als wahr zu gelten, mit dem Objekte übereinstimmen. Nun kann ich aber das Objekt nur mit meiner Erkenntnis vergleichen, dadurch, daß ich es erkenne. Meine Erkenntnis soll sich also selbst bestätigen, welches aber zur Wahrheit noch lange nicht hinreichend ist. Denn da das Objekt außer mir und die Erkenntnis in mir ist, so kann ich immer doch nur beurteilen, ob meine Erkenntnis vom Objekt mit meiner Erkenntnis vom Objekt übereinstimme. Einen solchen Zirkel im Erklären nannten die Alten Diallele.“ Es fragt sich nun: „ob und inwiefern es ein sicheres, allgemeines und in der Anwendung brauchbares Kriterium der Wahrheit gebe? — Denn das soll die Frage: was ist Wahrheit? bedeuten.“ „Um diese wichtige Frage entscheiden zu können, müssen wir das. was in unserer Erkenntnis zur Materie derselben gehört und auf das Objekt sich bezieht, von dem, was die bloße Form, als diejenige Bedingung betrifft, ohne welche eine Erkenntnis gar keine Erkenntnis überhaupt sein würde, wohl unterscheiden. — Mit Rücksicht auf diesen Unterschied zwischen der objektiven, materialen und der subjektiven, formalen Beziehung in unserer Erkenntnis zerfällt daher die obige Frage in die zwei besonderen: 1. Gibt es ein allgemeines materiales, und 2. Gibt es ein allgemeines formales Kriterium der Wahrheit?“ „Ein allgemeines materiales Kriterium der Wahrheit ist nicht möglich; — es ist sogar in sich selbst widersprechend. Denn als ein allgemeines, für alle Objekte überhaupt gültiges, müßte es von allem Unterschiede derselben völlig abstrahieren und doch auch zugleich als ein materiales Kriterium eben auf diesen Unterschied gehen, um bestimmen zu können, ob eine Erkenntnis gerade mit demjenigen Objekte, worauf es bezogen wird, und nicht mit irgendeinem Objekte überhaupt — womit eigentlich gar nichts gesagt wäre — übereinstimme. In dieser Übereinstimmung einer Erkenntnis mit demjenigen bestimmten Objekte, worauf sie bezogen wird, muß aber die materiale Wahrheit bestehen. Denn eine Erkenntnis, welche in Ansehung eines Objektes wahr ist, kann in Beziehung auf andere Objekte falsch sein.“ „Ist nun aber die Frage nach allgemeinen formalen Kriterien der Wahrheit, so ist die Entscheidung hier leicht, daß es dergleichen allerdings geben könne. Denn die formale Wahrheit besteht lediglich in der Zusammenstimmung der Erkenntnis mit sich selbst bei gänzlicher Abstraktion von allen Objekten insgesamt und von allem Unterschiede derselben. Und die allgemeinen formalen Kriterien der Wahrheit sind demnach nichts anderes als allgemeine logische Merkmale der Übereinstimmung der Erkenntnis mit sich selbst, oder — welches einerlei ist — mit den allgemeinen Gesetzen des Verstandes und der Vernunft.“ „Diese formalen, allgemeinen Kriterien sind zwar freilich zur objektiven Wahrheit nicht hinreichend, aber sie sind doch als die conditio sine qua non derselben anzusehen.“ „Denn vor der Frage: ob die Erkenntnis mit dem Objekte zusammenstimme? muß die Frage vorhergehen: ob sie mit sich selbst (der Form nach) zusammenstimme? Und dies ist die Sache der Logik.“ „Die formalen Kriterien der Wahrheit in der Logik sind 1. der Satz des Widerspruches, 2. der Satz des zureichenden Grundes. Durch den ersteren ist die logische Möglichkeit, durch den letzteren die logische Wirklichkeit einer Erkenntnis bestimmt.“ „Zur logischen Wahrheit einer Erkenntnis gehört nämlich: Erstlich: daß sie logisch möglich sei, d. h. sich nicht widerspreche. Dieses Kennzeichen der innerlichen logischen Wahrheit ist aber nur negativ; denn eine Erkenntnis, welche sich widerspricht, ist zwar falsch; wenn sie sich aber nicht widerspricht, nicht allemal wahr. — Zweitens: daß es logisch begründet sei, d. h. daß es a) Gründe habe und b) nicht falsche Folgen habe. — Dieses zweite, den logischen Zusammenhang einer Erkenntnis mit Gründen und Folgen betreffende Kriterium der äußerlichen logischen Wahrheit oder der Rationabilität der Erkenntnis ist positiv. Und hier gelten folgende Regeln: 1. Aus der Wahrheit der Folge läßt sich auf die Wahrheit der Erkenntnis als Grundes schließen, aber nur negativ: wenn eine falsche Folge aus einer Erkenntnis fließt, so ist die Erkenntnis selbst falsch. Denn wenn der Grund wahr wäre, so müßte die Folge auch wahr sein, weil die Folge durch den Grund bestimmt wird. — Mann kann aber nicht umgekehrt schließen: wenn keine falsche Folge aus einer Erkenntnis fließt, so ist sie wahr; denn man kann aus einem falschen Grunde wahre Folgen ziehen. 2. Wenn alle Folgen einer Erkenntnis wahr sind, so ist die Erkenntnis auch wahr. Denn wäre nur etwas Falsches in der Erkenntnis, so müßte auch eine falsche Folge stattfinden“. Log. Einl. VII (IV 54 ff.). Die drei Grundsätze, welche die allgemeinen formalen oder logischen Wahrheitskriterien bilden, sind der Satz des Widerspruches und der Identität, der Satz des zureichenden Grundes, der Satz des ausschließenden Dritten, ibid. (IV 58). „Ein äußeres Merkmal oder ein äußerer Probierstein der Wahrheit ist die Vergleichung unserer eigenen mit anderer Urteilen, weil das Subjektive nicht allen anderen auf gleiche Art beiwohnen wird, mithin der Schein dadurch erklärt werden kann. Die Unvereinbarkeit anderer Urteile mit den unsrigen ist daher als ein äußeres Merkmal des Irrtums und als ein Wink anzusehen, unser Verfahren im Urteilen zu untersuchen, aber darum nicht sofort zu verwerfen. Denn man kann doch vielleicht recht haben in der Sache und nur unrecht in der Manier, d. i. dem Vortrage“, ibid. (IV 63). Die „ästhetische Wahrheit“ ist „eine bloß subjektive Wahrheit, die nur in der Übereinstimmung der Erkenntnis mit dem Subjekte und den Gesetzen des Sinnenscheines besteht und folglich nichts weiter als ein allgemeiner Schein ist“, Log. Einl. V (IV 43).
Daß alle notwendigen Wahrheiten „ewige Wahrheiten sind“, bedeutet nur: „notwendige Wahrheit ist auf keine zufälligen Bedingungen (also auch nicht auf irgendeine Stelle in der Zeit) eingeschränkt; welches mit dem Begriffe der Notwendigkeit identisch ist und einen ana lytischen Satz ausmacht“. Ungereimt wäre die Behauptung, „die notwendige Wahrheit existiert wirklich zu aller Zeit“, An Reinhold, 12. Mai 1789. Alle Wahrheit eines Urteils, „sofern sie auf objektiven Gründen beruht“, ist „logisch“, das Urteil selbst mag zur Physik oder Metaphysik gehören. Zur „ästhetischen“ Wahrheit gehört nur, „daß das Urteil den allen Menschen gewöhnlichen Schein, mithin Übereinstimmung mit subjektiven Bedingungen zu urteilen zum Grunde habe“, An Reinhold, 19. Mai 1789. Wahrheit ist nicht ein besonderes, in der Zeit existierendes Ding, dessen Dasein ewig ist oder nur eine gewisse Zeit dauert, sondern: „Daß alle Körper ausgedehnt sind, ist notwendig und ewig wahr, sie selbst mögen nun existieren oder nicht, kurz oder lange oder auch alle Zeit hindurch, d. i. ewig existieren.“ „Der Satz will nur sagen: sie hängen nicht von der Erfahrung ab (die zu irgendeiner Zeit angestellt werden muß) und sind also auf gar keine Zeitbedingung beschränkt, d. i. sie sind a priori als Wahrheiten erkennbar, welches mit dem Satze: sie sind als notwendige Wahrheiten erkennbar, ganz identisch ist“. Üb. e. Entdeck. 2. Abs. (V 3, 60). „Der Satz: alle notwendigen Wahrheiten sind ewige Wahrheiten, ist offenbar analytisch.“ Er enthält „keine Bestimmung irgendeines Dinges durch ein Prädikat“. Die Ewigkeit wird nicht den (beurteilten) Dingen, sondern nur der Wahrheit beigelegt, und diese Ewigkeit ist hier identisch mit Notwendigkeit (nur ein „Tropus“, „da ich mir die Wahrheit bei dem Urteile verständiger Wesen in alle Ewigkeit, worin diese existieren möchten, vorstelle, d. i. dieses Urteil ist ihnen notwendig, unangesehen der Zeit, wann oder wie lange sie existieren; denn an sich hat Wahrheit mit Zeit und Ewigkeit nichts zu tun, weil sie selbst nichts Existierendes ist“). Die Wahrheit enthält „bloß das Verhältnis des Prädikats und Subjekts in einem möglichen Urteile vermöge der Begriffe desselben, die Objekte oder das denkende Subjekt mögen nun existieren oder nicht“, Lose Bl. C 12.
„Wahrheit und Falschheit ist nur in den Urteilen. Sie stimmt mit dem Objekt, wenn sie mit sich selbst stimmt“, N 2124. „Was ist Wahrheit? Dieser Satz ist nur durch solche Regeln beantwortlich, die schon voraussetzen, daß ich das Wahre vom Falschen unterscheiden kann“, N 2126. Wahrheit ist „Übereinstimmung des Verstandes und der Vernunft“, N 2142. Die 1. Frage in Ansehung der Wahrheit ist: „ob die Vorstellung eine Sensation sei (ob ihr Gegenstand wirklich sei)“. „Die 2. Frage in Ansehung derselben ist: ob die Vorstellung eine Erkenntnis sei (ob ihr Gegenstand möglich sei).“ „Die 3. Frage in Ansehung derselben ist: ob die Vorstellung eine Erkenntnis einer schon gegebenen Erkenntnis sei (Wahrheit der Urteile).“ „Es ist also 1. von dem Gegenstande die Frage nach dessen Verhältnis zur Vorstellung, ohne die Vorstellung mit sich selbst zu vergleichen. Denn wenn die Ursache der Vorstellung subjektiv ist, so liegt sie entweder in der Einbildung eines äußeren Gegenstandes oder in der Form, jeden Gegenstand unter einer gewissen Gestalt zu gedenken.“ „Das objektive Kriterium der Wahrheit ist die Übereinstimmung der Vorstellungen in einem Urteil untereinander nach allgemeinen Gesetzen des Verstandes und der Vernunft, d. i. durch Anschauungen oder Begriffe.“ „Das subjektive Kriterium der Wahrheit ist die Übereinstimmung eines Urteils mit anderen sowohl in demselben Subjekt als in verschiedenen“, N 2128. — Wahrheit besteht bloß in dem „Zusammenhange der Vorstellungen durchgängig nach Gesetzen des Verstandes“. „Darin besteht aller Unterschied vom Traum. Nicht darin, daß die Bilder abgesondert vom Gemüt vor sich so existieren.“ Wie wollen wir Vorstellungen mit etwas, was in diesen nicht liegt, vergleichen? „Alle Objekte sind zugleich in uns, ein Objekt außer uns ist transzendent, d. i. uns gänzlich unbekannt und zum Kriterium der Wahrheit unbrauchbar“, N 5642. Wahrheit ist „Zusammenstimmung des Mannigfaltigen mit dem Objekt nach Regeln“, N 5745. „Ein jedes Ding ist wahr, d. i. es kann unter allen möglichen Begriffen nicht geleugnet werden und stimmt mit anderen Dingen: transzendental“, N 3765. „Alle Wahrheit besteht in der Übereinstimmung aller Gedanken mit den Gesetzen des Denkens, und also untereinander“, N 4373. „Kriterium der empirischen Wahrheit: Ordnung der Natur oder die Ordnung an sich, d. i. Verbindung nach Regeln, beweiset die Beziehung auf ein Objekt, und nicht bloß Willkür“, N 5563. „Schein und Wahrheit gehören beide zum Verstände. Wir haben einen Begriff von Dingen, wie sie sind, d. i. wie sie nach einem Urteil über sie, was mit den Erscheinungen nach allgemeinen Gesetzen zusammenstimmt, vorgestellt werden“, N 5060. „Wahr ist das, was für jede Erkenntnis gilt“, N 3971. Vgl. Schein, Irrtum, Realität, Geltung, Objektiv, Dialektik, Logik, Erfahrung, Wirklichkeit, Existenz, Wahrscheinlichkeit, A priori, Traum, Urteil.