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Freigeist

Freigeist, ein altes Schmähwort der Ketzer und Religionsverächter, das Gombert ZfdW. 7, 140 f. bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgt und schon aus Schottels Hauptsprache (1663) S. 488 anmerkt: „Freigeister est nomen haereticorum nimis sublimia appetentium.“ Zu Anfang des 18. Jahrhunderts aber tritt der Ausdruck mit erhöhter Schlagkraft auf. Das zeigen schon die von Gombert, Jahresbericht des Königl. Gymnasiums zu Groß-Strehlitz 1878, 11 zitierten Büchertitel und namentlich die Stelle aus Thomasius, Gewissensrüge (1703) S. 268 „da doch die Orthodoxi mit vollem Halse die Pietisten vor Libertiner, Frei-Geister und Schwärmer schelten“. Mylius wählte dann 1745 für sein in Leipzig herausgegebenes moralisches Wochenblatt absichtlich den aktuellen Titel: Der Freigeist und empfing danach selbst diesen Spitznamen. Recht lehrreich ist seine Begründung im 41. Blatt (vom 11. Oktober 1745): „Die Freiheit zu denken, oder vielmehr die Gedanken zu offenbaren, hielt ich für das beste Mittel, zur Erreichung meines Endzweckes, und der Name Freigeist schien daher meinen Charakter, als Verfasser dieser Blätter, bequem auszudrücken. Ich glaube, es wird mir frei gestanden haben, einem Wort eine Bedeutung beizulegen, welches, so häufig es auch von manchem jungen Augustin und Ambrosius unserer Zeiten herausgedonnert wird, doch zur Zeit noch so vielerlei bedeutet, dass man oft nicht weiss, ob man nur einen Wolfianer, oder gar den Teufel, darunter verstehen soll?“

Zugleich druckt er ein stark ironisches Lob der Freigeisterei in dieser Nummer ab, worin die gedankenlosen und oberflächlichen Freigeister gründlich durchgehechelt werden.

Weit leidenschaftlicher befehdet sie der Verfasser des Aufsatzes über „Freigeister, Naturalisten, Atheisten“, der im „Wahrsager“ am 6. Februar 1749 herauskam und von E. Consentius auf Lessing zurückgeführt wird. Darin heißt es: „Wer aber ohne Überlegung glaubt, was ihm einkömmt, und tut, was ihm beliebt, der gehört zu der folgenden Art Menschen.

Ich meine die Freigeister. Wenn man zwischen diesen und den Naturalisten und Atheisten, wie es sich auch gehört, einen Unterschied machen will, so sind dieses Leute, welche gar nichts glauben, gar nichts behaupten, keiner Sache nachdenken, in den Tag hinein von allen Sachen reden und urteilen, wie es ihnen einkömmt, und also alles tun, wozu sie ihre Begierden hinreissen“ usw.

Diese Gedanken erinnern vielfach an das von Lessing 2, 49 ff. im gleichen Jahre verfaßte Lustspiel: Der Freigeist.

Ähnlich erläutert noch 1775 Adelung den Ausdruck „Freigeist“ 2, 290 durch den Zusatz: „Am häufigsten, und in verächtlichem Verstande, der sich von den Gesetzen der Vernunft, Religion und Sitten los macht. Ein Freigeist in der Religion, der am häufigsten nur schlechthin ein Freigeist genannt wird.“

Von neuem belebt wurde das Schlagwort durch Wiederaufnahme seiner ältesten Form: freie Geister von Nietzsche, der z. B. dem 1878 veröffentlichten Werk „Menschliches, Allzumenschliches“ den pointierten Untertitel gab: „Ein Buch für freie Geister“.