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Freiheit und Gleichheit

Freiheit und Gleichheit wurden seit dem 4. Mai 1789, als der damals beliebte Ruf: Vive le tiers-état! von einigen Mitgliedern des dritten Standes durch den Ruf: Liberté, Egalité! erwidert wurde, zu den großen Schlagworten, an denen sich die französischen Republikaner so stürmisch berauschten. Vgl. Buchers Angabe in der Deutschen Revue, 12. Jahrgang, Bd. 2, S. 71. Lavater 2, 341 konstatiert dann: „Freiheit, Gleichheit, Menschenrecht, Menschlichkeit sind die Aushängschilde zu allen Dekreten und Publikationen".

Kein deutscher Schriftsteller hat sich wohl eingehender mit dieser viel berufenen Parole beschäftigt als gerade Wieland. In zahlreichen Aufsätzen kommt er darauf zu sprechen. Vgl. nur 9, 106: „Was waren denn die mächtigen Zauberwörter: Freiheit und Gleichheit — denen man vorbedächtlich die weiteste und unbestimmteste Bedeutung ließ — was waren sie anders als Losungswörter des Aufruhrs, als bloße Vorspiegelungen, wodurch eine zusammenverschworene Bande ehrgeiziger Egoisten die rohe, leicht zu erhitzende und in der Hitze zu Allem fähige Klasse der Sansculotten .. dahin zu bringen wußte, ihr zur Umkehrung der bisherigen Ordnung der Dinge ihre Arme zu leihen?“

Oder 33, 370 (1798): „Das große Losungswort der Jakobiner, Sansculotten und Anarchisten, Freiheit und Gleichheit, ist ein ganz unmäßiger oder vielmehr bloß zu ihren geheimen Factionsabsichten nötiger Pleonasmus; denn mit dem Worte Freiheit ist schon Alles gesagt.“

Eine Fülle von Schattierungen hat die Losung Freiheit! erfahren. Alle möglichen Potenzen dieses politischen Überschwangs sind sprachlich fixiert worden. Vgl., abgesehen von Lampes Aufzählungen, die von Feldmann, ZfdW. 6, 318 angeführten Zusammensetzungen, wie Freiheitsenthusiasmus, Freiheitstobsucht, Freiheitsschwindel, Freiheitswahn, Freiheitswut, Freiheitsfieber.

Für den zuletzt genannten Ausdruck siehe z. B. noch Wieland 34, 76 (1790), wo er von dem „verhaßten und übelberüchtigten Freiheitsfieber“ spricht, und Melchior Striegel (1795) S. 200.

Während nun die Schlagwortformel Anfang der neunziger Jahre des 18. Jahrhunderts um ein drittes Glied erweitert wurde zu der Fassung Sicherheit, Freiheit, Gleichheit (vergl. Wieland 34, 242), hat sie dann noch weitere Ummodelungen durchgemacht. Die beliebteste wurde lange Zeit: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit (vergl. Mollat S. 471).

Wie schlagkräftig das Wort Freiheit übrigens bereits vor der französischen Revolution gebraucht wurde, und wie besonders die Nachahmer Goethes förmlich Kultus damit trieben, hat Feldmann a. a. D. anschaulich gezeigt.