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Tierischer Magnetismus

Magnetismus, tierischer, oder Lebensmagnetismus, Magnetismus animalis s. Biomagnetismus. Es gibt vielleicht kein Hausmittel, welches zur Besänftigung von Schmerzen aller Art mehr in Anwendung käme, als dieses, obgleich die Mehrzahl derjenigen, welche es anwenden, wenig oder nichts davon wissen. Jede stillende Mutter oder Amme ohne Ausnahme haucht, pustet, bläst und streichelt ihrem Säuglinge instinktmäßig den Kopf, die Arme oder jeden anderen durch Fall, Stoss, Schlag u. s. w. getroffenen schmerzenden Teil, — und dies besänftigt nicht nur kleine, sondern auch größere Kinder, selbst Erwachsene. Die heftigsten Kopf- und Zahnschmerzen, das heftigste Gliederreißen kann der Freund dem Freunde, der Gatte der Gattin, der Bräutigam der Braut, der Bruder der Schwester, und umgekehrt, durch regelrechtes Streichen des entblößten Teils mittelst der Hand (sie wird von oben nach unten langsam mit ausgestreckten Fingern hinunter und darauf mit in die hohle Hand eingezogenen Fingern, in einem Bogen, vom Teile entfernt, wieder in die Höhe zum schmerzhaften Teile geführt und dieses Manöver einige Mal wiederholt), auf der Stelle vertreiben. Gewöhnlich reichen drei bis vier Striche mit einer oder besser mit beiden Händen hin, um den Schmerz zu stillen. Ist dieser aber sehr heftig, so kann man den Teil auch anhauchen, anblasen und das sanfte Streichen einige 10—20mal wiederholen. Es bleibt keinem Zweifel unterworfen, dass bei solchen Manipulationen ein unmittelbarer Übergang der höhern organischen Tätigkeit (der sogenannten Lebenskraft, biomagnetischen Kraft) aus dem einen organischen Individuum, z. B. aus der Hand des Manipulators in ein anderes (in den schmerzhaften Teil des Manipulierten) übergeht. Auf ähnliche biomagnetische Weise erklärt sich auch die in vielen Fällen nicht zu leugnende Wirkung sympathetischer Mittel und Kurmethoden (s. meine kleine im J. 1842 erschienene Schrift darüber).

Der mineralische Magnetismus, Mineralmagnetismus, d. i. das Bestreichen oder Bedecken des leidenden Teils mittelst eines künstlichen Magnets (Magnetstahl, Magnetplatte) hat in unserer Zeit die Aufmerksamkeit der Ärzte und Laien als wirksames Mittel gegen Zahn-, Kopf- und Gliederschmerzen, gegen örtliche Gicht, nervösen Rheumatismus, Magenkrampf, Veitstanz, Epilepsie u. s. w. vielfach in Anspruch genommen. Selbst der quälende, oft Jahre lang nervöse Subjekte periodisch aufs Fürchterlichste ergreifende Gesichtsschmerz (Prosopalgia, Tic douloureux) wurde in den Hospitälern Londons durch das tägliche Bestreichen mit dem Nordpol eines erwärmten Magnets allmählich geheilt.

M. E. v. Bulmerincq (Beiträge zur ärztlichen Behandlung mittelst des mineralischen Magnetismus. Berlin 1835) hat auf überzeugende Weise die günstige Wirkung des Magnetismus in chronischen Krankheiten: bei Migräne, selbst der heftigsten Art, bei allen krampfhaften Leiden ohne Fieber und Entzündung: Hysterie, Veitstanz, Starrsucht, Epilepsie, Magenkrampf dargetan, und vielfache eigene Versuche haben dieses bestätigt. — Von großer Wirkung ist das Anheften magnetischer Platten an die leidenden Teile, wobei die Erscheinung, dass sich dort Pusteln erzeugen, die sich nur während der Krankheit, aber nicht zu anderer Zeit bilden, interessant ist. — Bei der Anwendung des Magnets ist Folgendes zu bemerken:

1) Man wende nie den Magnet kalt, stets mäßig erwärmt an; man lege ihn daher vor dem Gebrauche des Sommers in den Sonnenschein und des Winters in die Nähe des warmen Ofens oder über ein Kohlenfeuer.

2) Man bringe, um Schmerzen zu stillen, namentlich Kopf-, Zahn-, Magen- und Gliederschmerzen, stets den Nordpol an den leidenden Teil, nie den Südpol; denn dieser vermehrt, nach Dr. Kayle, Blundell u. A. den Schmerz im leidenden Teile. Die Ursache dieser entgegengesetzten Wirkungen liegt vielleicht darin, dass wir auf der nördlichen Halbkugel wohnen, auf der südlichen über den Äquator hinaus, mag es vielleicht anders sein; doch fehlen mir darüber nähere Versuche und Nachrichten.

3) Sehr wichtig ist die permanente Anwendung des Magnets, zumal in chronischen Leiden. Hier ist das Anheften magnetischer Platten, nach Bulmerincqs und meinen Erfahrungen, von großer Wirkung, und daher das magische Amulett besonders zweckmäßig. Es besteht aus einer magnetisierten ovalen, eine bis zwei Linien dicken, zwei und drei Zoll im Durchmesser haltenden Stahlplatte, welche an der einen Fläche etwas konkav, an der anderen konvex gearbeitet worden ist, auch ein oder zwei Löcher hat, um eine seidene Schnur, die um den Hals gehangen wird, darin zu befestigen. Dieselbe muss so lang sein, dass die Platte gerade in die Herzgrube, die konvexe Fläche nach unten, der Südpol nach oben, der Nordpol nach dem Nabel gerichtet, zu liegen kommt, und in dieser Lage erhalten wird. In einem Falle von wochenlang anhaltendem Erbrechen einer Frau in gesegneten Umständen, hatte sich diese Magnetplatte ordentlich an die Haut gesogen; letztere war gerötet und mit kleinen Blätterchen besetzt, ein sichtbarer Beweis ihrer Wirksamkeit. — Übelkeit und Erbrechen verschwanden sogleich, der Appetit kehrte zurück und alle Beschwerden waren in kurzer Zeit völlig gehoben.

Gegen periodisch eintretende Leibschmerzen, Unterleibskrämpfe, starke Mutterblutflüsse, große Neigung zu Verstopfung, Blähungen und schlechter Verdauung leistet das anhaltende Tragen der magnetischen Stahlplatte, nach meinen zahlreichen Erfahrungen, die besten Dienste. Was außerdem die nähern Wirkungen der Amulette betrifft, so habe ich mich darüber schon oben weitläufig ausgesprochen (s. Amulette).

4) Die magnetische Kur gegen schlimme Nervenübel, gegen hartnäckigen Rheumatismus und die anderen, oben genannten Leiden gelingt am besten, wenn man zwei mäßig starke, etwa drei bis zwölf Pfund Eisen tragende, hufeisenförmige Magnete an die beiden Waden dergestalt legt, das + M und + M eines jeden einzelnen Magnets, die Pole nach der Achillessehne und nach unten gerichtet, entweder außerhalb oder innerhalb der Unterschenkel zu liegen kommen, nicht aber der + Pol des einen und der — Pol des anderen Magnets nach Innen, oder umgekehrt, damit sie unter dem Einflüsse des Erdmagnetismus, dieser mächtigen, Alles umfassenden, die Naturheilkraft so ungemein stark und kräftig anregenden Form von Naturtätigkeit bleiben und sich nicht in ihrer Wirkung aufheben. Auch reicht es oft schon hin, statt zweier nur einen hufeisenförmigen Magnet unter die entkleidete Fußsohle der leidenden Seite (z. B. bei Migräne, Zahnweh, Rheumatismus der einen oder anderen Schulter u. s. w.) so zu legen, und auf diese Weise mit einer Binde zu befestigen, dass beide Pole nach den Fußzehen gerichtet sind.

Man entfernt nun alles Eisen aus der Nähe des Kranken und beginnt die Operation mit dem Magnetstabe. Leidet z. B. Jemand an Zahnschmerz, so nimmt ein Bekannter, Verwandter oder der Arzt, der Gatte bei der kranken Gattin, und umgekehrt, den vorn wie eine Bleifeder zugespitzten Magnetstab, erwärmt diesen und streicht mit dem positiven Pole (+ M) von der schmerzhaften Stelle aus langsam, zwischen Zähnen und Lippen der Mitte der Schneidezähne zu, und entfernt dann rasch den Magnet vom Mund des Kranken. Dieses Streichen muss oft mehrere Male des Tages, sobald der Zahnschmerz sich wieder einstellt, jedesmal zwei- bis dreimal wiederholt werden; doch ist dies selten nötig. Ich habe mit drei Strichen an mir selbst und an vielen anderen Personen oft die heftigsten Zahnschmerzen auf lange Zeit vertrieben. Auf gleiche angegebene Weise bestreicht man, während die Hufeisenmagnete perpetuierlich an den Füßen liegen bleiben, die schmerzhaften Stellen des Kopfes, Halses, der an rheumatischen Schmerzen leidenden Schulter u. s. f.

5) Da bei solchem Bestreichen durch die Hand eines Dritten mittelst des Magnetstabs nicht allein mineralischer, auch Biomagnetismus, wie bei Anwendung aller sympathetischen Mittel überhaupt, dem Kranken zugeführt wird; so muss derjenige, welcher sich zur Applikation der magnetischen Striche, so wie überhaupt zur Verabreichung sympathetischer Mittel und zur Anwendung solcher Kuren versteht, alle jene Eigenschaften besitzen, welche man von einem jeden guten Magnetiseur verlangt. Diese aber sind: Lauterkeit der Gesinnungen, Reinheit der Sitten, Biederkeit und Festigkeit des Charakters, und ein kräftiger Wille, aus reinem Mitgefühl, ohne alle andere Absichten und Nebenrücksichten, dem Kranken wahrhaft zu helfen.

Außer der Schrift von Bulmerincq gehören hierher als die neuesten und besten noch folgende Schriften: C. A. Becker, der mineralische Magnetismus und seine Anwendung in der Heilkunst, 1829, und: A. Schnitzer, Über die rationelle Anwendung des mineralischen Magnetismus, nebst einer Anweisung zur Verfertigung von Stahlmagneten. Berlin 1837.

6) Auch der magnetische Meridian der Erde ist bei Anwendung des Mineralmagnetismus nicht ohne Einfluss. Bulmerincq sagt darüber Folgendes: „Wird ein Kranker in den magnetischen Meridian gebracht, sitzt er dabei so auf einem Stuhle, dass er den Rücken zur Lehne des Stuhles zurückbeugt und die Beine ausstreckt, so ist sein Körper der magnetischen Axe der Erde genähert. Ist dabei Gesicht, Brust und der ganze Vorderteil des Körpers ruhig nach Norden, der Rücken und ganze Hinterteil nach Süden gewandt, und nähere ich möglichst dem Kranken den Nordpol eines senkrecht gehaltenen magnetischen Stabes, so dass der Südpol den oberen Punkt des möglichst genauen Perpendikels bildet, so führe ich dem Kranken Erdmagnetismus zu. Sitzt dagegen der Kranke umgekehrt, d. i. in dieser Stellung mit dem Rücken nach Norden, und nähert man ihm den Südpol eines senkrecht gehaltenen Magnetstabs, so wird dem Kranken Magnetismus entzogen und der Erde zugeleitet. Verschlimmert sich das Übel nach dem einen Verfahren, so wende man das Entgegengesetzte an; hilft auch dieses nicht, wird das Übel auch dadurch schlimmer, so richtet man mit dem Magnet schwerlich etwas aus, und schlage lieber ein anderes Heilverfahren ein.“ — Im schmerzhaften Anfall selbst wirkt der Magnet oft gar nicht, weil dann das ganze Nervensystem zu sehr vom gegenwärtigen Schmerz übertäubt ist, um auf fremde Eindrücke hinreichend zu reagieren. Bei nervösem Kopfweh führe man recht rasch den Strich vom Antlitz zum Sonnengeflechte (d. i. zur Herzgrube), und verweile hier, stets in perpendikulärer Richtung, ruhig einige Sekunden. Bei heftigem Kopfweh beginnt jeder Strich nur beim Sonnengeflecht und geht nach den Füßen. — Eine für die magnetische, wie für die elektrische und galvanische Behandlung der dafür geeigneten Kranken gut eingerichtete Heilanstalt ist seit ein paar Jahren in Berlin unter Direktion des Hofmechanikus Amuel ins Leben getreten.