Cullens Mittel gegen Podagra
Mittel, Cullens, gegen Podagra. Wenn Sydenham mit Recht sagt, dass es töricht sei, das Podagra heilen zu wollen (denn es ist ja ein heilsames Naturbestreben); so stimmt damit Cullen völlig überein; denn sein Hauptmittel gegen Podagra ist; Geduld und Flanell. Osiander sagt darüber (l. c. p. 133) sehr richtig: „Es ist allerdings rationeller, bei warmem Verhalten den natürlichen Verlauf eines akuten Gichtanfalls ruhig abzuwarten, als ihn sehr aktiv zu behandeln. Durch spirituöse, kampferhaltige Einreibungen werden zwar podagrische Schmerzen schnell gehoben (auch durch Kaltwasserumschläge M.); die arthritische Entzündung verschwindet darnach in wenigen Stunden, kann aber metastatisch das Herz, die Leber, den Magen oder das Gehirn befallen, wo sie die augenscheinlichste Lebensgefahr erzeugt.“
Um das Podagra bei den ersten Zeichen seines Auftretens gelinder und kürzer an Ausdauer zu machen, so dass statt sechs bis acht Wochen nur zwei bis drei Wochen Kranksein nötig war, befolgte ein hiesiger Schiffer zwar nicht den Rat jenes englischen Arztes, der einem luxuriös lebenden Lord, unzufrieden über die öfteren podagrischen Anfälle, als Radikalmittel anriet, ein Pferd zu stehlen, sich dabei ertappen und einsperren (NB. bei Wasser und Brot, wie gewöhnlich) zu lassen, — benutzte aber folgendes, jenem in der Hauptsache sehr ähnliches Verfahren. Er legte sich zu Bett, ließ sich eine große Flasche frisches Wasser, ungefähr zwölf Maß enthaltend, vor sein Bett setzen, trank täglich diese Flasche aus und stillte seinen Hunger mit alten trocknen Semmeln, die er in Wasser tauchte. Nachdem er drei Tage lang nichts weiter genossen, hatte er schon große Erleichterung und war nach 14 Tagen ohne Arznei, nur durch Diät wieder hergestellt. Um die Langeweile zu vertreiben, rauchte er mehrere Pfeifen Tabak im Bett und las Romane von Kramer, Spiess und Lafontaine. „Mancher fleischessende und schlemmende Stadtbewohner würde gewiss sein Zipperlein (wie es in Rust’s Magaz. f. d. ges. Heilkunde, Bd. 4. S. 158, mit Recht heißt) verlieren, wenn er sich nur entschließen könnte, die gewohnte Fleischnahrung mit einer vegetabilischen auf längere Zeit zu vertauschen.“
Frugalität, Wassertrinken und aktive Bewegung sind die größten Schutz- und Heilmittel der Gicht, besonders des Podagras. „Vinum, Venus, Otium et Crapula sunt primi parentes podagrae, Aquae potus, lactis usus, sobrietas et exercitium eidem medentur.“ (Baglivi Opp. ex edit. Pinel. 1788. T. I. p. 157.) Die Mäßigkeit, welche Petrarca freiwillige Armut nennt, so wie wirkliche Armut, bewahren am sichersten vor Gicht und Podagra, und sie verscheuchen auch die drohende und ausgebrochene Krankheit wieder. (Osiander l. c. p. 142.) Nicht selten habe ich bei gichtischen Männern, welche ihrer Fleischkost und dem Weingenuss nicht entsagen wollten, das Vorurteil wahrgenommen, dass sie meinten, Milch diene ihnen nicht, — sie verschleime den Magen. Dies ist nicht der Fall, wenn man vorher ein Glas kaltes frisches Wasser trinkt und dem Wein- und Fleischgenuss auf Wochen ganz entsagt, dagegen nur von Salat, frischem, zartem Gemüse, abwechselnd mit Milchsuppen, worin Reis, Gries, Grütze, zumal die vom Buchweizen, befindlich, sich nährt. Ein feister Potator, welcher nur vom Fleisch und Weine lebte, bekam regelmäßig im Herbst und Frühling einen vier bis acht Wochen dauernden Anfall akuter Gicht. Auf den Rat eines Freundes verweilte er einige Monate auf dem Lande, wo er recht viele Erdbeeren mit Milch aß, keinen Wein, keinen Kaffee trank, viel im Freien sich bewegte, Jagd und Gärtnerei trieb und sein Gichtanfall blieb in diesem Jahre aus. Er beobachtete später dieselbe Lebensweise und die Gicht stellte sich nicht wieder ein. Schon Linne kannte die herrlichen Wirkungen der Erdbeeren, um drohende Gichtanfälle zu verhüten. Sobald er selbst solche Anfälle bekam, aß er eine große Schüssel voll Erdbeeren (am besten sind die recht reifen Walderdbeeren), und am folgenden Tage war er gesund. Er wiederholte dies drei Jahre hintereinander bei jedem podagrischen Anfalle, und er bekam die Krankheit nie wieder, wie dies Stöver, Linnés Biograph, versichert (s. Osiander l. c. p. 136).