Schlaf fördernde Mittel
Mittel, Schlaf fördernde, Medicamina somnifica, somnifera. Der Schlaf ist eine große Wohltat des Schöpfers, wodurch der Mensch seine Kräfte wieder sammeln und von der Arbeit ausruhen soll. Er ist derjenige Act des organischen Lebens, in welchem die Tätigkeiten der Seele, die Empfindungswahrnehmungen, und die willkürliche Bewegung ruhen und zu neuer Tätigkeit gestärkt werden, wobei die bildende Tätigkeit im Körper, die produktive Kraft vollständiger, als im Wachen, von Statten geht. Im wachenden Zustande kann der Mensch die Geistestätigkeiten frei ausüben, er nimmt die Sinneseindrücke vollständiger wahr; die willkürlichen Bewegungen erfolgen nach dem Willen der Seele, aber die Ernährung und Bildung des Körpers, so wie das Wachsthum gehen unvollkommener von Statten; somit ist das Schlafen und Wachen dasjenige für den Menschen, was für die Erde Nacht und Tag ist. — Man hat lange geglaubt, dass die Ruhe und die Untätigkeit der Organe des Körpers während des Schlafs die eigentliche Ursache der neuen Stärkung des menschlichen Körpers sei. Diese Meinung ist falsch; nicht die hypothetische Untätigkeit der Organe, sondern etwas Tätiges, was während des Schlafs im Körper vorgeht: das Absterben des Alten und das Geborenwerden des Neuen, ist die Ursache, dass wir nach einem erquickenden Schlaf, gestärkt an Geist und Körper, wieder erwachen. Wenn der Schlaf bloß deswegen da wäre, damit alle Teile des lebenden Körpers sich ausruhen sollten, warum ruhen denn nicht auch das Herz und die Lungen im Schlafe? Beide wichtige Eingeweide beweisen, dass sie in fortwährender Tätigkeit, das ganze Leben hindurch, sein können, ohne einmal das Bedürfnis der Ruhe zu haben. — Für die höchsten Verrichtungen des Nervensystems hat der Schlaf eine große Bedeutung, indem er nur für diese im Gegensatz zum Wachen steht, nicht aber für die anderen Verrichtungen des Körpers. Dies zeigen schon die Erscheinungen des Schlafs. In ihm sind die Seelenkräfte, ohne äußere Tätigkeit, gleichsam für die Seele gefesselt, das Denk- und Vorstellungsvermögen ist aufgehoben, die Gesetze selbst, welchen diese Vermögen im Wachen gehorchen, sind ihnen jetzt fremd, und was irgend von Vorstellungen während des Traums sich erzeugt, ist regellos zusammen gehäuft, und fügt sich in jene Gesetze eben so wenig, als in die der Zeit und des Raums. Das Gemüt ist ruhig; der Trauernde vergisst im Schlaf eben so seinen Schmerz, wie der Freudige, Hoffende und Liebende die Gegenstände seiner Freude, Hoffnung und Liebe, — die Leidenschaften schweigen, und der Wille ist gebunden; er hat über keines der im Wachen ihm untergeordneten Organe irgend eine Macht; denn diese Organe selbst bindet die Gewalt des Schlafs eben so, wie dieselbe die Sinnesorgane den äußeren Reizen bis auf einen gewissen Grad verschliesst.
Folgende Punkte verdienen hier in diätetisch-medizinischer Hinsicht wohl beherzigt zu werden.
1) Man wache und schlafe zur rechten Zeit; man lege sich ein paar Stunden vor Mitternacht zu Bett und stehe des Morgens früh auf; denn der Schlaf, den wir vor Mitternacht gcniessen, stärkt am besten Geist und Körper. Das frühe Aufstehen (im Sommer um drei, im Winter um vier Uhr Morgens) hat so ungemein großen Vorteil für Geist und Körper, dass alle Eltern und Lehrer bei ihren Kindern und Zöglingen darauf sehen sollten. Man gewöhnt sie leicht daran, indem man sie, unbekümmert um die Zeit, wann sie zu Bett gegangen, nur früh weckt. Sie werden dann des Abends von selbst auch früher müde werden und schlafen gehen.
2) Das beste Beförderungsmittel des Schlafs ist: hinreichende körperliche und geistige Bewegung bei Tage, Bewegung in freier Luft, bis zur mäßigen Ermüdung. Alle künstlichen Schlaf machenden Mittel, als geistige Getränke, Opium u. s. w. sind dem Gesunden höchst schädlich; sie geben einen unnatürlichen, unruhigen, traumvollen Schlaf, der weder wohltut, noch erquickt.
3) Die Dauer des Schlafs und die Zeit, wie lange der Mensch, ohne Nachteil für seine Gesundheit, schlafen darf, lassen sich im Allgemeinen nicht genau bestimmen, da das Bedürfnis des Schlafs nach Alter, Konstitution, Klima u. s. w. verschieden, bald größer, bald geringer ist. Kinder bedürfen mehr Schlaf, als Erwachsene, heiße Klimate erfordern auch mehr Schlaf, als kalte; daher den mittäglichen Völkern Europas der Mittagsschlaf — Siesta — Bedürfnis geworden. Auch in feuchten, nebligen, sumpfigen Gegenden schläft der Mensch länger, als in trocknen, hochliegenden Länderstrichen. Die kalten Gegenden des Nordens und die frische Luft der Berghöhen bringen den Bewohnern einen nur kurzen Schlaf und ein geringeres Bedürfnis desselben. Schwächliche Personen müssen mehr schlafen, als starke; für letztere sind, wenn sie sich im mittlem Alter des Lebens befinden, sieben bis acht Stunden Schlaf binnen 24 Stunden hinreichend. Ich kenne indessen mehrere recht tätige, geistreiche, viel mit dem Kopf arbeitende Personen, welche binnen 24 Stunden nur vier bis fünf Stunden schlafen und sich dabei vollkommen wohl befinden.
4) Zu vieles Schlafen ist höchst ungesund. Trägheit aller Lebensverrichtungen, ein schlaffer, aufgedunsener, fettleibiger Körper mit Neigung zur Wassersucht, Stumpfheit der Sinne, Gedächtnissschwäche, Dummheit und ein untätiges, geistloses Pflanzenleben sind die gewöhnlichen Folgen. Alte Leute fallen dadurch oft in tagelange Schlummersucht, die mit dem Nervenschlage endet.
5) Zu vieles Wachen ist ebenfalls sehr schädlich. Die Nerven werden dadurch übermäßig gereizt, die Körperkräfte schwinden, der Körper wird immer magerer, die Verdauung und Blutbereitung immer schwächer. Es entsteht Fieber, Kopfschmerz, Schwindel, Unruhe des Gemüts, überspannte Phantasie, Gedächtnissschwäche, worauf endlich eine große Leidenschaftlichkeit des Temperaments, eine Nichtbeherrschung der Affekte und selbst Wahnwitz folgen. Höchst schädlich ist es, wenn Studirende durch künstliche Reize: durch Kaffee, Tee, kalte Fussbäder u. s. w. den Schlaf des Nachts verscheuchen. Mir sind mehrere traurige Beispiele bekannt, dass junge Leute sich dadurch heftige Anfälle von Schwindel, von Krämpfen zugezogen, ja sogar die Epilepsie bekamen. Muss man notwendig zuweilen eine Nacht hindurch arbeiten, so ist, um sich munter zu erhalten, der reichliche Genuas frischen Wassers am geratensten.
6) Wer gut schlafen will, muss sich nicht mit vollem Magen niederlegen; er muss sich den Tag über zur Müdigkeit geistig und körperlich — doch wenn nicht beides vereinigt werden kann, lieber das letzte als das erste — bewegt, muss gearbeitet und dabei ein gutes Gewissen haben. Doch es gibt auch Fälle, wo durch Krankheit die Reizbarkeit des Körpers der Art steigt, dass gerade ein voller Magen den Schlaf begünstigt (s. oben Kartoffeln).
7) Die horizontale Körperlage mit etwas gekrümmten Gliedern, und mit einer Erhöhung des Kopfes von sechs bis zwölf Zoll ist zum ruhigen Schlafe die beste. Dabei dürfen die Hände nicht über dem Kopf zusammengeschlagen werden, sonst wird der Blutumlauf in den Armen gestört, das Blut zu sehr nach dem Kopf getrieben, wodurch unruhige Träume und Nervenziehen in den Armen, sogenanntes Ameisenkriechen, Eingeschlafensein, Gefühl von Taubheit im Gliede, entstehen. Auch die Rückenlage taugt aus gleichen Ursachen nichts. Beim Liegen auf der linken Seite beengt der Druck der Leber das Herz, wodurch gleichfalls, wegen Störung der Zirkulation des Bluts beängstigende Träume entstehen. Daher bleibt die rechte Seite die beste Lage, indessen macht auch hier die Gewohnheit viel, und es gibt eine Menge Menschen, welche auf beiden Seiten gleich gut schlafen können, den einen Teil der Nacht auf der rechten, den anderen auf der linken ruhend. —
8) Das Schlafgemach muss nicht warm und niedrig, sondern kalt, hoch, geräumig, trocken, bei Tage stets gelüftet und reinlich, des Nachts verdunkelt und dem Geräusch entzogen sein. Alles, was die Luft verunreinigt: Kohlendunst, Dampf von Nachtlampen, Blumen, gährende Getränke, schmutzige, unreine Wäsche u. s. w. darf durchaus nicht darin geduldet werden. Man schlafe im Winter nicht in geheizten Zimmern, nicht in den düsteren, dem Licht unzugänglichen Alkoven; man bedenke, dass, wo kein gehöriges Licht hindringen kann, auch die Luft nichts taugt, und vergesse nicht; dass das Schlafgemach, worin wir doch auch einen großen Teil unseres Lebens uns aufhalten müssen, derselben Sorgfalt in Hinsicht der Reinlichkeit und der gesunden Luft bedarf, als das Wohnzimmer.
9) Jede Erkältung schadet des Nachts am meisten, weil der Körper eines Schlafenden mehr und stärker, als der eines Wachenden ausdünstet. Diese stärkere Ausdünstung ist naturgemäss und notwendig. Man vermeide daher alle Zugluft im Schlafzimmer, man lasse ja nicht, wie dies manche Leute zu tun pflegen, im Sommer die Kammerfenster des Nachts offen stehen; man schlafe nicht ohne gehörige Bedeckung des Körpers, wozu man im Sommer bei uns eine gute wollene oder baumwollene Decke, im Winter ein Federbette wählt; man schlafe nicht auf der Erde, nicht unter freiem Himmel, will man anders seine Gesundheit bewahren. Wenn ein gesunder Mensch nach einem kürzern oder längern Schlafe mehr oder minder zittert oder friert, so ist dies ein sicheres Zeichen, dass er an keinem zweckmäßigen Orte und nicht gehörig warm genug bedeckt geschlafen hat.
10) Es ist gesunder, auf Matratzen, als auf Federn enthaltenden Unterbetten zu schlafen. Kinder und junge Leute sollte man, um sie etwas abzuhärten, vom dritten Lebensjahre an auf Unter betten von gereinigtem und getrocknetem Seegras, Moos, Häcksel oder Stroh schlafen lassen. Zu dicke Federbetten machen durch ihre Wärme und die in ihnen sich sammelnden, unreinen, schädlichen Ausdünstungen den Körper schwach und ungesund, und verursachen Flüsse, Kopf-, Zahn-, Ohren- und Gichtschmerzen. Doch hat man auch den Nachteil der Federbetten übertrieben. Sind sie nicht zu dick, werden sie im Sommer alle acht, im Winter alle 14 Tage an die Luft gebracht, ausgeklopft und alle vier Wochen mit reinen Überzügen versehen; sind sie so eingerichtet, dass jeder einzelne Mensch allein darin schläft, so können sie nicht schädlich sein. Die großen Familienbetten, worin mehrere Personen schlafen, taugen nichts; besonders nachteilig ist’s, wenn Kinder bei Erwachsenen oder mehrere Kinder in einem Bett schlafen.
11) Man lege sich nicht in fremde Betten, bevor sie gelüftet und mit reiner Wäsche überzogen sind. In Wirthshäusern tut man daher, sobald man keine reine Betten haben kann, besser, mit einem reinlichen Strohlager vorlieb zu nehmen, oder sich unausgezogen aufs Bett zu legen, als sich unreinlicher Betten, die uns Ungeziefer, Gicht, Krätze, Podagra, sogar die venerische Krankheit mitteilen können, zu bedienen.
12) Obgleich das Bedürfnis der Schlafzeit und der Dauer des Schlafs nach dem Alter und der Konstitution des Körpers verschieden ist, so beruht es doch viel auf der Gewöhnung von Kindheit an, ob Jemand das Bedürfnis hat, viel oder wenig zu schlafen. Wer sich von Jugend auf gewöhnt, das geistige Leben als den größeren, bessern Teil seines Ichs zu betrachten, wer die Genüsse der niederen Sinnlichkeit, der Tafel, des Geschlechts u. s. w., die geisttötend, körperschwächend und zeitraubend sind, der Herrschaft des Geistes immer mehr aufopfert, bei dem wird auch das Bedürfnis des Schlafs geringer sein, als bei anderen, geistig untätigen, trägen, tierisch-sinnlichen Menschen. Merkwürdig ist die herrliche Wirkung eines, wenn auch kurzen Schlafs nach Geistesanstrengung. Vor einigen Jahren empfahl der geniale Dr. Pittschaft dieses Mittel in seinen Miscellen, welche er in Hufeland’s Journal der praktischen Heilkunde mitzuteilen pflegt. Einige Minuten Schlaf reichen hin, um den vom Denken Ermatteten neu zu beleben und neue Lust und Kraft zur Fortsetzung seiner Kopfarbeiten zu gewähren.
Zur Verhütung der Schlaflosigkeit, woran so viele Menschen leiden, beobachte man folgende Regeln:
1) Man gewöhne sich, nicht eher zu Bett zu gehen, bevor man nicht recht müde ist. Man vermeide des Abends Alles, was die Phantasie belebt macht: Konzerte, Schauspiele, das Lesen interessanter Bücher, scharfes Denken. Man unterhalte sich in angenehmer Gesellschaft über die gewöhnlichen Angelegenheiten des täglichen Lebens.
2) Man mache sich täglich Bewegung im Freien, nehme mehr Körper-, als Geistesarbeiten vor; man schlafe nicht in einem erwärmten Zimmer oder solchem Bett.
3) Man schlafe nicht bei Tage, man sorge für warme Füße, vermeide die späten Abendmahlzeiten; man wasche sich kurz vor dem Schlafengehen Gesicht, Hals, Brust, Arme und Hände mit kaltem Wasser, und reibe sich die Schenkel, besonders aber die Knie und Füße, mit erwärmtem Flanell.
4) Man stimme sein Gemüt zur Ruhe, man freue und betrübe sich nicht zu viel, vermeide also jede Aufregung und Bewegung des Gemüts.
5) Hilft dies noch nicht, so versuche man folgende Mittel: Man lasse sich eine langsame Musik mittelst eines sanften Instruments aus der Ferne vorspielen; man lasse sich, während man im Bett liegt, aus einem langweiligen Buch, aus einer alten Chronik u. s. w. etwas vorlesen, — man schlafe in der Nähe eines rauschenden Wassers, einer Wassermühle u. s. w., weil alles Einförmige, Eintönige schläfrig macht. Oder man reibe die Stirn mit der flachen Hand, lege die Fingerspitzen derselben auf die Stirn, und die Fingerspitzen der anderen Hand auf die Herzgrube.
6) Schwache, entnervte Personen können ein Glas Wein und ein Butterbrot mit Fleisch oder Käse, gichtische Personen eine Tasse Tee, katarrhalische ein Glas Punsch, vollblütige ein Glas kaltes Wasser kurz vor dem Schlafengehen gemessen.
7) Leiden hysterische Frauen, überhaupt Personen, die mit Krämpfen und hartem Stuhlgange geplagt werden, desgleichen kleine Kinder an Schlaflosigkeit, so ist ein Klistier aus Kamillentee und Leinöl, eine Stunde vor dem Schlafengehen genommen, ein gutes Mittel, den Schlaf zu befördern.
8) Alle diejenigen, die, ohne besonders krank zu sein, an Schlafmangel leiden, müssen ihr Bett so stellen, dass sie mit den Füßen nach Norden, und mit dem Kopf nach Süden zu liegen kommen. Bei Kindern und Frauenzimmern wird der Schlaf noch durch sanftes Kämmen und Bürsten des Kopfhaars, welches ein anderer Mensch verrichten muss, befördert.
9) Wer des Nachts nicht schlafen kann, entwöhne sich vom Mittagsschlafe, und zwar dadurch, dass er zur Zeit desselben, langsam in freier Luft und in Gesellschaft spazieren geht. — Der Mittagsschlaf gehört überhaupt zu denjenigen Dingen, welche der gesunde und starke Mensch entbehren kann; und er ist, wie man wohl geglaubt hat, zur Verdauung nicht durchaus notwendig. Für zarte, sensible Personen, für Kinder, schwache Frauenzimmer ist er gegenteils sehr gut, wenn er nicht länger, als eine halbe bis eine Stunde währt. Man vermeide aber dabei alle enge Kleidungsstücke und die sitzende Stellung, sonst schadet er durch Blutandrang, und kann bei Vollblütigen, besonders nach einer starken Mittagsmahlzeit, Schlagfluss erregen.