Mittel, eiweiß- und gallertartige
Mittel, eiweiß- und gallertartige, Medicamina albuminosa et gelatinosa. Die ersteren sind unter allen tierischen Produkten zunächst dem vegetabilischen Schleim verwandt, werden von jungen Leuten, die an keine reizende Kost und erhitzende Getränke gewöhnt sind, am besten verdauet, und finden auch als einhüllende Mittel bei Vergiftung durch Sublimat, Grünspan u. s. w. weil sie mit diesen schwer lösliche Verbindungen bilden, ihre Anwendung, indem so dem Gift seine ätzende Kraft und giftige Beschaffenheit genommen wird. Sie lassen sich auch mit Säuren, mit Alkohol und Salzen verbinden, ohne dass ihre lösliche schleimige Eigenschaft verloren ginge. Hierher gehören:
1) Die Hühnereier, Ova gallinacea. Ihr diätetisch-medizinischer Gebrauch, teils roh, teils weich gekocht, gegen Leber- und Milzleiden, schwache Verdauung, Gelbsucht, schwarzes Erbrechen, ist bekannt. Das Weisse der Eier ist außerdem ein treffliches Heilmittel (s. S. 167) Das Eigelb (Vitellum ovi) nährt bekanntlich mehr, als das Eiweiß, ist auch einhüllender, demulgierend, daher es bei katarrhalischem Husten, Rauhigkeit im Hals sehr nützlich ist; auch wird es in den Apotheken zur Bereitung von Emulsionen u. s. w. benutzt.
2) Lac, Milch. Ein unschätzbares diätetisches Mittel, ja das beste Nährmittel für Kinder in den ersten Lebensjahren; aber auch eben so schätzbar bei Jünglingen, schwachen Mädchen mit phthisischer Anlage, bei Männern und Frauenzimmern im höhern Alter, wenn sie an chronischem Erbrechen in Folge von chronischen Digestionsleiden laborieren. Bei der Lungenschwindsucht junger Leute mit blühender, zirkumskripter Röte der Wangen (Phthisis pulmonalis florida), bei der Gekrösdrüsenschwindsucht und Nierenschwindsucht (Phthisis mesaraica et renalis), wo große Nervenreizbarkeit und Bluterethismus, ein gereizter, schneller Puls, schneller Wechsel von Röte und Blässe der Wangen zugegen, ist die frisch gemolkene, warme Kuhmilch, noch besser solche Milch von Eselinnen, unschätzbar! Die Tiere müssen aber auf guten Weiden geweidet und nicht stark getrieben werden, wenn anders die Milch gut bleiben soll. Deshalb, und um sie recht frisch zu trinken, werden seit zwei Jahren solche Eselinnen in Paris selbst in den Strassen zu diesem Zweck herumgefahren. Solche Milch muss aber fast das alleinige Nahrungsmittel, neben altem Weißbrot, ausmachen. Diese sogenannte Milchkur gebrauchen mit Nutzen viele an Abzehrungen leidende Individuen am besten auf dem Lande, zumal in den Monaten Mai, Juni und Juli, trinken sie nüchtern Becherweise, essen dabei einfache vegetabilische Speisen, besonders Milchsuppen, entsagen allen Fleischspeisen und hitzigen Gewürzen, allen Spirituosis, — und befinden sich darnach sehr gut. Vermieden müssen bei de Milchkur werden: alle Säuren, Obst, salzige und fette Speisen. Wird die rohe Milch anfangs nicht vertragen, so lässt man sie aufkochen und ein wenig Zimt zusetzen, wodurch sie verdaulicher für den Magen wird. Auch die Individuen, welche durch Säfteverlust aller Art abgezehrt worden; z. B. durch Onanie, starken Blutverlust, zu häufiges Stillen u. s. w. ist diese Milchkur, in Verbindung mit dem Genuss von weichgekochten Eiern, sehr zu empfehlen, desgleichen bei inveterierten, chronischen Exanthemen: Flechten, endlich bei Krebsgeschwüren und organischen Herzleiden (Kreysig). Dr. Taylor, welcher den Beinamen: der Milchdoktor von Croydon, hatte, lobt die Milchdiät auch gegen Unfruchtbarkeit in reichen Familien, sowohl für den Mann, als für die Frau (s. Osiander l. c. p. 393). Reisen und Milchdiät sind ein wichtiges diätetisches Mittel gegen habituelle Epilepsie. Ein junger Mann kurierte sich vollkommen dadurch von seiner Fallsucht, dass er einen großen Teil von Europa zu Fuß durchwanderte und eine Zeitlang nur von Milch und Brot lebte. Dass die Milch außerdem, in Menge getrunken, das erste Hilfsmittel bei allen Vergiftungen durch scharfe metallische und vegetabilische Gifte, bis zur Ankunft des Arztes sei, — weiß schon jeder gebildete Nichtarzt. Warme Milch mit Zucker ist für Säuglinge als eröffnendes Klistier allen anderen Ingredienzien vorzuziehen; dasselbe dient auch bei Wurmbeschwerden, Nervenleiden und Konvulsionen, bei Tenesmus und Ruhr größerer Individuen. Auch hat man in bösartigen Blattern, bei Flechten, Krämpfen, laue Milchbäder mit Nutzen gebraucht. Verschieden ist die Qualität der Milch nach der Zeit der Laktation. Je länger diese dauert, desto fettiger und schwer verdaulicher ist sie, je kürzer, desto süßer und verdaulicher, die Zeit, wo sie noch Colostrum ist und laxiert, abgerechnet. Auch die Verschiedenheit des Tieres, von welchem sie kommt, ist von großem Einflüsse. Die Ammen-, Stuten- und Eselsmilch sind am dünnsten, süßesten und leichtesten verdaulich, enthalten nur wenig Fett- und Käseteile, aber viel Zucker. Die Schaf- und Ziegenmilch ist die konsistenteste und schwer verdaulich, nährt aber, wird sie verdauet, auch am besten. Die Kuhmilch steht zwischen diesen in der Mitte und wird am öftersten gebraucht. Mit Wasser verdünnt ersetzt sie, nach Vogt, einigermaßen die Eselsmilch. Ich habe sie Schwindsüchtigen von frischmilchenden Kühen trinken lassen, und sie bekam dann sehr gut. — Auch die Fütterung des Tieres hat Einfluss auf die Beschaffenheit der Milch. Bei Einführung der Stallfütterung und in Städten, wo die Kühe mit Branntweinschlamm genährt werden, taugt sie nicht zur Milchkur. Die Kühe müssen täglich Bewegung und frische Luft haben, und besonders eine recht gute, kräuterreiche, nicht sumpfige Weide; außerdem müssen die Tiere einem vernünftigen Hirten anvertraut werden, der sie nicht übertreibt und erhitzt, noch weniger sie erzürnt (s. Milchdiät).
Die süßen Molken (Serum lactis dulce) nähren weniger, als die Milch, sind aber ein großes, herrliches Mittel, das gelinde kühlt, auflöst, sanft den Schweiß, den Harn und den Stuhlgang befördert und selbst in Fiebern, wo die Milch nicht immer passt: bei Bluthusten mit entzündlicher Reizung der Lungen und aktiven Kongestionen, bei Blennorrhöen der Lunge und gleichzeitig des Darmkanals, bei Febris hectica, Abdominalstockungen, bei Atrophia cordis herrliche Dienste leistet. Man bereitet auch Molken mit Rhein- oder Moselwein, Tamarinden, Weinstein, Alaun (Serum lactis vinosum, tamarindatum, tartarisatum, aluminatum), die aber in ihren Wirkungen von den süßen Molken sehr abweichen, je nach Verschiedenheit der Mittel, womit sie bereitet worden sind. Die Weinmolken dienen besonders bei Zehrkrankheiten mit Schwäche und hoher Nervenreizbarkeit, wo der reine Wein zu sehr echauffiert, die Tamarinden- und Weinsteinmolken in galligen und Faulfiebern, die Alaunmolken (zu zwei Pfund frischer kochender Milch zwei Drachmen gepulverten Alaun) in allen Fällen, wo der Alaun passt (s. Alaun), aber gleichzeitig noch etwas Febrilisches zugegen ist.
Der Milchzucker (Saccharum lactis) ist weiter nichts, als eingedickte süße Molke, weshalb man sich seiner — meint Sundelin (l. c. Bd. I. p. 130), in der gehörigen Menge siedenden Wassers aufgelöst, statt der Molken bedienen kann. Dagegen ist Vogt (l. c. Bd. 2. S. 667) anderer Meinung, indem er sagt, dass die eigentlichen süßen Molken, welche man auch oft noch durch Zusatz von Milchzucker versüßen kann, wirksamer seien. In Gaben von 10 — 20 Gran führt der Milchzucker bei Neugeborenen ab, ist besser als Rhabarbersirup und ersetzt bei alt-milchenden Ammen (die leider! aus Dummheit oder Ökonomie dem jungen Säuglinge so oft die Brust reichen müssen, nachdem sie schon ein Jahr und länger das ältere Kind des Hauses gestillt haben) das dem Säuglinge so notwendige, gelinde purgierende Colostrum. Als Vehikel zu Pulvern wird der Milchzucker von vielen Ärzten verschrieben, ohne dass sie sich dabei etwas denken. Saccharum album ist aber billiger. —
Zu den gallertartigen Mitteln rechnet man im Allgemeinen:
1) Die Gallerte (Gelatina, Colla, Gluten animale). Sie ist ein wichtiges, leicht verdauliches Nahrungsmittel, wenn sie rein ist und hinreichend Osmazom, d. i. Extraktiv-, Riech- oder Gewürzstoff, — aus dem Fleische ausgewachsener, kräftiger Tiere gewonnen — enthält. Die Gallerte durch Auskochen der Sehnen und Knochen: der Tischlerleim, der sogar einst gegen das Wechselfieber von Seguin empfohlen wurde, ist sehr schwer verdaulich und hat nicht die belebenden, erquickenden und erregenden Eigenschaften der Fleischgallerte. Letztere lobt man bei allen muskelschwachen, durch Säfteverlust aller Art, durch Darrsucht oder in Folge schwerer Fieber heruntergekommenen Kranken, bei der Harnruhr (Diabetes), wo überhaupt animalische Kost allein genossen werden soll, so wie bei allen schlimmen Fällen von Skrofeln und Flechten mit bedeutenden Graden von Abzehrung. Bei Unreinigkeiten in den Verdauungsorganen, bei hitzigen Fiebern und Hautausschlägen, wo ohnehin auch kein Appetit da ist, bei putriden Fiebern, Skorbut passen die Gallerten nicht. Bei letzterem ist dagegen frisches Fleisch sehr heilsam.
2) In der Hausenblase (Ichtyocolla, Colla piscium) ist die Gallerte ziemlich rein enthalten. Einige ziehen sie daher der Hirschhorngallerte (Gelatina cornu cervi) vor, und zwar in folgender Form: Man nehme ein Lot Hausenblase, koche diese mit einer Flasche Wasser bis zur Dicke einer Gallerte ein, und setze dann ein Glas Rheinwein und Zucker hinzu.
3) Die Wald- und Gartenschnecke (Helix pomatia) hat man eben so nährend bei Auszehrenden gefunden, als die Gallerte. Man geniesst sie klein zerhackt, zu einer Mahlzeit sechs bis acht Stück (von der gemeinen Schnecke, Cochlea, mit schaligem Haus) in Milch oder Bouillon aufgelöst. Von der roten Gartenschnecke ohne Haus (Limax) genießt man nur den Schleim, der sich absondert, wenn man sie mit Zucker bestreut (s. Rote Waldschnecke).
4) Die Bouillontäfelchen (Gelatina bubula tabulata). Sie sind bequem auf Reisen, im Kriege, zu Wasser und zu Lande, und geben, mit Wasser angebrüht, eine gute Fleischsuppe ab, doch müssen sie echt sein, d. h. nicht aus Tischlerleim bestehen, dem etwas Gewürz zugesetzt worden, sondern sie müssen reich an Osmazom sein. Sie sollen aber nur in Zeiten der Not in Gebrauch gezogen werden. Da, wo frisches Fleisch zu haben ist, soll der Krieger mit letzterem gestärkt werden. Sehr wahr sagt hier Neumann (l. c. p. 72): „Knochengallerte zur Verpflegung von Soldaten benutzen zu wollen, ist eine sehr unglückliche Idee, die durch die Unlust der Mannschaft und den Missbrauch, den sie von den verteilten Knochentabletten macht, allen Wert verliert, selbst wenn diese von guter Qualität sind, in welcher sie sich sehr selten lange erhalten.“ Vogt (a. a. O. Bd. 2. S. 688) zählt endlich
5) noch das Spinngewebe (Tela Araneamm) zu den Gelatinosis. Es ist aber nach meiner Meinung mehr ein gelindes Reizmittel, enthält ein scharfes Prinzip, ähnlich dem der Coccionella septem punctata, und so erklärt sich die gute Wirkung desselben gegen Wechselfieber. Im Jahre 1809 wurde nur EINE Dosis, 10—20 Gran, gut gereinigt und zerschnitten zwischen Butterbrot vielen armen Kranken der Art auf Fausts Rat, von meinem sei. Vater gereicht, und bei den meisten blieb das Fieber weg, aber es kamen leicht Recidive. Außerdem hat man das Spinngewebe, zwei- bis dreimal täglich zu 5, 10, 15 — 20 Gran, mit Lakritzensaft zu Pillen gemacht, gegen heftige Krämpfe, Migräne, Gesichtsschmerz gerühmt. Es beruhigt das Nervensystem, örtliche Schmerzen, fast wie Opium, befördert auch den Schweiß und treibt den Harn.