Mittelfarben. (Malerei) Man ist über die Bedeutung dieses Wortes nicht überall einstimmig. Der Hr. von Hagedorn merkt an [Betracht über die Malerei, S. 681], das diejenigen den Sinn desselben zu sehr einschränken, die nur die Schattierungen, die zu den Halbschatten gebraucht werden, darunter verstehen, da man auch in dem ganzen Lichte Mittelfarben haben muss; er dehnt auch die Benennung sogar auf die Farben aus, wodurch die Wirkung der Wiederscheine besonders ausgedrückt wird. Nach diesem Begriffen gehört jede Farbe oder jede Tinte, die aus Vereinigung zweier in einander übergehender Farben entsteht oder derselben zu Hilfe kommt, zu den Mittelfarben. Die Mittelfarben aber bekommen nach ihrem Ursprung und ihrer Anwendung verschiedene Namen. In so fern sie aus ganzen Farben durch Vermindrung ihrer Stärke entstehen, werden sie gebrochene Farben genannt; und indem sie zu Schattierungen zwischen Licht und Schatten gebraucht werden, bekommen sie den Namen der Halbschatten und der Zwischenfarben.
Überhaupt also gehören alle Tinten, wodurch die eigentümliche Farb eines Gegenstandes von dem höchsten Licht allmählich abnimmt, es sei, dass sie sich in ganzen oder halben Schatten verliert oder nur in eine andere weniger helle Farbe herübergeht, zu den Mittelfarben. Man sieht Köpfe von Van Dyk, an denen man keine Schatten wahrnimmt, ob sie sich gleich vollkommen runden. Diese Wirkung ist eben sowohl den Mittelfarben zuzuschreiben als die ähnliche Wirkung, die durch Licht und Schatten erhalten wird. Die meisten Farben also, die von dem Pensel auf das Gemälde getragen werden, sind Mittelfarben und durch sie wird die wahre Haltung und Harmonie hervorgebracht. Die flache chinesische Malerei unterscheidet sich von der unsrigen durch den gänzlichen Mangel der Mittelfarben.
Einigermaßen könnte die Haltung ohne Mittelfarben, durch dunkle Schraffirungen erreicht werden, wovon wir an vielen Kupferstichen etwas ähnliches sehen. Aber die wahre Farbe der Natur, die wunderbare Harmonie, da aus unzähligen Tinten, deren jede ihre besondere Farbe hat, nur ein einziges warmes und duftendes Farbenkleid des Nakenden entsteht, so wie der liebliche Schmelz und das Durchsichtige, wodurch, wie Hagedorn sich glücklich ausdrückt [s. Betrachtungen über die Malerei, S. 302], die Schatten gleichsam nur über die Gegenstände schweben, dieses ist die Wirkung der Mittelfarben.
Also hängt die wahre Vollkommenheit des Kolorits ganz von den Mittelfarben ab. Sie sind es, die uns in den schönsten Gemälden der Niederländer bezaubern und uns vergessen machen, dass wir ein Gemälde sehen. Ohne sie kann ein Gemälde in Erfindung, Zeichnung und Anordnung groß sein; kein aus der Natur nachgeahmter Gegenstand aber sein wahres Ansehen bekommen. Nur ein ausserordentlicher Fleis, den viele an den holländischen Malern zu verachten scheinen, von einem höchst empfindsamen Auge unterstützt, führt zu der Fertigkeit die wahren Mittelfarben der Natur zu entdecken und die Gegenstände in der vollkommenen Färbung der Natur vorzustellen.
Nichts würde vergeblicher sein als den jungen Maler durch Regeln in der Kunst der Mittelfarben unterrichten zu wollen. Hat er das feine Gefühl, was dazu erfordert wird, so kann man ihm weiter nichts sagen als dass ihm eine genaue Beobachtung der Natur und der wunderbaren Werke der Niederländer empfohlen wird.