Malerei - Sujets


Diese Betrachtung über die Natur und die Kräfte der Malerei, leitet uns natürlich auf Erwägung der Anwendung, die man davon machen kann, wenn kluge Überlegung das Genie des Künstlers leitet. Es wäre sehr zu bedauern, wenn eine so reizende und zugleich mit so lebhafter moralischer Kraft reichlich versehene Kunst nicht in dem ganzen Umfang ihrer Wirkung angewendet würde.

Zuerst dient sie also, wie bereits angezeigt worden, die mannigfaltigen Szenen der leblosen Natur vorzustellen, die, in mehreren Absichten unsere ganze Aufmerksamkeit verdient. Dieses ist vorzüglich das Geschäft des Landschaftsmalers. Von der Mannigfaltigkeit und dem Nutzen seiner Arbeit haben wir in einem besonderen Artikel ausführlich gesprochen [s. Landschaft].

Auch die durch den Fleiß der Menschen verschönerte Natur ist hier nicht zu vergessen. Landschaften mit Aussichten auf schöne Gebäude, auch wohl bloße Prospekte, da die Gebäude die Hauptsache ausmachen. Wir haben schon anderswo erinnert, dass die Werke der Baukunst eben den vorteilhaften Einfluss auf uns haben können, den die Schönheit der leblosen Natur hat [s. Baukunst]. Wer kann die Werke eines Canaletto in Dresden sehen, ohne beinahe alle die sanften Rührungen dabei zu fühlen, die uns die Aussichten auf die Natur empfinden lassen?

Selbst die einzelnen kleineren Kunstwerke der Natur, die Blumen, in ihren so unendlich mannigfaltigen und immer ergötzenden Gestalten und in dem lieblichen Glanz oder in dem Reichtum ihrer Farben, sind ein nicht unschätzbarer Gegenstand des Geschmacks, der allemal dabei gewinnet. Da es nicht möglich ist ohne beträchtlichen Aufwand, der selbst das Vermögen der meisten Reichen übersteiget, diesen angenehmen Teil der irdischen Schöpfung aus allen Gegenden des Erdbodens zu sammeln und in Natur zu besitzen; so muss die Kunst des Malers darin uns zu Hilfe kommen und diese Gattung des Reichtums der Natur uns genießen lassen.

Diese Anmerkungen sind ohne Einschränkung auch auf die Schönheiten der Natur im Tierreich anzuwenden und um so viel mehr, da diese schon von einer etwas höheren Art sind, weil sie Bewegung, Leben und Empfindung haben; weil sich bei dem beträchtlichsten Teile derselben bereits ein innerer sittlicher Charakter in der äußern Form zeigt. Man muss gar sehr der feinern Empfindungen beraubet sein, wenn man auf diesen merkwürdigen Teil der Schöpfung ohne lebhaftes Interesse sehen kann; wenn man nicht mannigfaltige, sowohl ergötzende als sonst sehr vorteilhafte Rührungen dabei empfindet. Darum soll die Kunst des Malers uns auch zur genauen Betrachtung dieser Gegenstände locken.

Es ließe sich behaupten, dass alle Arten der bis hierher erwähnten Vorstellungen in gewissem Sinne noch unentbehrlicher seien als Gemälde von historisch sittlichem Inhalt. Dieses Paradoxon anzunehmen, darf man nur bedenken, dass der Mangel der letztern auf andere Weise, nämlich durch das Schauspiel kann ersetzt werden, da er in Absicht auf jene Gegenstände durch nichts zu ersetzen ist. Wenn es also nützlich ist, wie daran nicht kann gezweifelt werden, dass der Mensch von dem mannigfaltigen Reichtum der Natur so viel kenne als möglich ist, so muss die Malerei zu diesem Behuf notwendig herbei gerufen werden.

Sie kann auf gar verschiedene Arten uns die Schätze der Natur vorlegen. Die den wenigsten Aufwand erfordert, ist die, welche erst seit einigen Jahren mit dem gehörigen Eifer betrieben wird, durch die Verbindung der Arbeiten des Pinsels und des Grabstichels. Man hat bereits eine beträchtliche Anzahl sehr schätzbarer Werke, darin auf diese Art das Merkwürdigste aus dem Pflanzen- und Tierreich vorgestellt wird; und kürzlich hat man angefangen auf eine ähnliche Art Landschaften zu machen [man sehe in dem Art. Landschaft die Anmerkung]. Ich wünschte sehr, dass ein Künstler in Dresden auf eben diese Weise den ansehnlichen Vorrat, der vorhererwähnten Prospekte des Canaletto herausgäbe. Dieses würde für Künstler und Liebhaber ein neues Feld eröffnen.

Wem noch mehr Aufwand erlaubt ist, der kann durch den Maler seine Zimmer mit den mannigfaltigen Schönheiten der Natur auszehren lassen. Wie viel besser würde nicht dieses sein als der jetzt so durchgehends in den Palästen der Großen herrschende Geschmack durch goldene, bloß durch eine wilde phantastische Zeichnung sonderbare Zierraten das Auge zu reizen? Und was sieht es denn endlich, nachdem man es mit so viel Aufwand gleichsam betäubet hat? Nichts als reiche Kleinigkeiten, die den wesentlichen Charakter des jetzt herrschenden Geschmacks ausmachen. Wenn ich mir vorstelle, durch was für eine Mannigfaltigkeit der bewunderungswürdigsten Szenen aus der Natur die unzähligen Wände weitläufiger Paläste könnten ausgeschmückt werden und denn ihre gewöhnliche gegenwärtige Verziehrungen betrachte, so erweckt dieses in meiner Phantasie das Bild irgend einer barbarischen Königin Indiens, die sich ungemein geziert glaubt, wenn Nase, Ohren und Stirn mit strotzenden, aber sehr übel angebrachten Juwelen behangen sind.

Bei dem gegenwärtigen Mangel öffentlicher Nationalgebäude, wo die, die leblose Natur schildernde Malerei, ihre Kräfte zeigen könnte, ist in großen und reichen Städten doch noch eine Gelegenheit vorhanden, wo sie gebraucht werden kann: die Schaubühne, vornehmlich die für die Oper bestimmt ist. Hier hat dieses Fach der malerischen Kunst noch Gelegenheit vieles zu tun. Wer es nicht einsieht, dass durch das Kunst- und Geschmackreiche der Opern-Dekorationen der Geschmack des Volks erhöhet und verfeinert werden kann; der erkennt noch nicht allen Einfluss der schönen Künste auf das menschliche Gemüt, wird auch nicht erklären können, warum in den größeren Städten Italiens in der Klasse der gemeinsten Bürger oft mehr wahrer Geschmack angetroffen wird; als in manchem anderen Land unter den vornehmsten [s. Oper].

Das, was hier von der Anwendung der Malerei gesagt wird, hat gar nicht die Meinung als ob wir dächten, kein Volk könne ohne dergleichen kostbare Veranstaltungen glücklich sein. Wir dringen bloß darauf, dass diese, so wie andere Künste, da sie einmal eine unausbleibliche Folge des Überflusses sind und wirklich mit vielem Aufwand missbraucht werden, besser recht gebraucht und von wahrem und großem Geschmack geleitet werden sollten. Hat man einmal Maler und verschwendet man Summen für sie, so ist es allerdings wichtig, dass man auch auf die beste und edelste Anwendung ihrer Kunst denke.

Aber noch höher erhebt sich die Malerei durch die Vorstellungen aus der sittlichen Welt. Hier kann der Maler mit dem epischen und dramatischen Dichter, mit dem Redner und dem Philosophen um den Rang streiten. Wir können die malerischen Vorstellungen aus der sittlichen Welt in zwei Hauptgattungen einteilen. Die erste stellt uns die sittliche Natur in Ruhe vor; die andere mahlt sie in Handlung: jede ist wieder entweder historisch oder allegorisch. Es könnten wohl noch andere Einteilungen gemacht werden; aber wir dürfen uns nicht in Subtilitäten vertiefen. Also: gerade zum Zweck.

Die gemeineste Art ist hier das Portrait und die meisten Gemälde dieser Art gehören zur ersten Klasse, die die Natur in Ruhe vorstellt. Aus dem, was wir über den Charakter des Portraits in seinem Artikel [s. Portrait] sagen werden, lässt sich der Grad seiner Wichtigkeit bestimmen. Alle Arten der wirklich vorhandenen menschlichen Charaktere können uns dadurch vorgestellt werden und daraus allein erhellt schon seine Wichtigkeit. Der Physiognom findet hier reichen Stoff um seine Kenntnisse zu erweitern.

Zunächst an dieser Art liegt das Ideal einzelner Menschen, für welches wir anderswo den Namen des Bildes vorgeschlagen haben [s. Art. Historie]. Aber es erfordert schon einen größeren Mann als das bloße Portrait; und kann von großer Wirkung sein. Es dient zu Vorstellung der Heiligen, der Helden und überhaupt großer Charakter. Indem es uns Menschen von höherer Denkungsart und höheren Empfindungen vorstellt als wir sie in der Natur zu sehen gewohnt sind; dient es zu Erhebung des Gemütes [s. Statue]. Hierher gehören endlich auch einzelne allegorische Bilder, die Tugenden, Laster, Eigenschaften, sittlich handelnder Wesen vorstellen.

Hierauf folgt das Gemälde, welches wir die Moral nennen [s. Moral]: es ist mehr unterrichtend als rührend und kann sowohl die Natur in Ruhe als in Handlung vorstellen, wie an seinem Orte gezeigt worden. Nach dieser Gattung kommt die eigentliche Historie, davon besonders umständlich gehandelt worden [s. Art. Historie]. Hier wird die sittliche Natur in voller Tätigkeit vorgestellt; die Absicht der Historie geht aber mehr auf Empfindung als auf Unterricht. Endlich folgt die große Allegorie, die schwerste aller Gattungen, von welcher auch schon besonders gesprochen worden [s. Allegorie].

Dasjenige, was wir über die Anwendung des Teiles der Malerei gesagt haben, die sich mit der leblosen Natur beschäftigt, erleichtert das, was hier über den Gebrauch der sittlichen Malerei zu sagen ist. Man sieht überhaupt, dass sie auf unzählige Weise vorteilhaft auf den Verstand und auf die Empfindungen wirken könne. Da der Maler alle guten oder schlimmen Eigenschaften des sittlichen Menschen auch dem körperlichen Auge sichtbar machen und dadurch Charaktere, Bestrebungen der inneren Kräfte, Empfindungen von allen Arten, nachdrücklich vorstellen kann; so darf er, um sehr nützlich zu sein, nur gut geleitet werden.

Die Griechen glaubten, nicht ohne guten Grund, dass die Vorstellungen ihrer Götter und Helden, zur Unterstützung der Religion und des patriotischen Eifers sehr dienlich seien; und die römische Kirche, der gewiss Niemand eine höchst feine Politik zur Unterstützung ihrer Lehre und ihrer Hierarchie absprechen wird, braucht die Gemälde ihrer Legenden mit großem Vorteil. Auch bei dem gemeinesten Volke findet man sie, wiewohl in höchst elender Gestalt, was die Kunst betrift und meistens von kindisch abergläubischem Geiste, nach dem Inhalt: und doch sind sie auch in dieser Verdorbenheit nicht ohne Wirkung. Daraus lässt sich leicht abnehmen, was man damit ausrichten könnte, wenn anstatt dummer Anachoreten oder pöbelhaft abergläubischer Heiligen, solche Personen vorgestellt würden, die eine Zierde der Menschlichkeit gewesen; wenn anstatt kindischer Historien, die ihren Wert bloß von Aberglauben und Vorurteil haben, die Taten vorgestellt würden, wodurch die menschliche Natur sich in ihrer wahren Größe zeigt; oder auch nur solche, wo man den Menschen in seiner eigentlichen wahren Gestalt, von aller Verstellung und von dem Unrat der Moden und vieler elenden durch bürgerliche Einrichtungen entstandenen Verunziehrungen befreit erblicken würde? Selbst das bloß reine, wahre historische, das uns Sitten, Gebräuche, Lebensart und Charakter verschiedener Völker und Stände unter den Menschen abbildet, kann schon seinen vielfältigen Nutzen haben.

Darum sollte man nicht nur die Maler ermuntern, dergleichen nützliche Gemälde aus der sittlichen Welt mit der besten Wahl und dem besten Geschmack zu verfertigen, sondern auch auf Mittel denken, den Gebrauch derselben so viel als möglich ist zu erleichtern. Da aber das, was wir dieses Punkts halber bei Gelegenheit der Vorstellungen aus der leblosen Natur gesagt haben, sich leicht auch hierauf anwenden lässt; so wäre es überflüssig hier umständlicher zu sein. Ich will nur eins erinnern. Sollte nicht jeder, wenigstens freie Staat, in dem die schönen Künste einmal eingeführt worden, öffentliche Tempel oder Portieos haben, die dem Andenken der größten Männer des Staats gewidmet wären, wie in Athen der Porticus, der Pöcile genannt wurd? Sollten nicht da die Bilder und die Taten dieser Männer zur Nacheiferung auf das Vollkommenste gemalt sein? Sollten nicht öffentliche Feierlichkeiten eingeführt sein, die jenen Eindrücken noch mehr Nachdruck gäben? Mit Vergnügen erinnere ich mich hier in der Schweiz etwas gese hen zu haben, das hier einschlägt. In Luzern ist eine lange Brücke, welche von dem größeren Teile der Stadt in den kleineren führt, und, weil sie mit einem Dache bedeckt ist, eine offene Gallerie vorstellet. In einer mäßigen Höhe ist immer zwischen zwei gegenüberstehenden, das Dach unterstützenden Pfeilern, ein Gemälde, dessen Inhalt sich auf die Geschichte der Stadt bezieht. Daher kaum eine ansehnliche Familie in der Stadt ist, die nicht ihr angehörige Männer in ehrenvollen Rolen, auf diesen Gemälden erblickte.


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