Moral. (Schöne Künste) Eine Vorstellung aus der Klasse der sittlichen Wahrheiten oder Lehren, insofern sie durch ein Werk der Kunst als durch ein Bild anschauend erkennt wird. So ist die Lehre der äsopischen Fabel die Moral derselben; die Fabel selbst das Bild wodurch sie anschauend erkennt wird. So hat auch die sittliche Allegorie und jedes sittliche Sinnbild seine Moral. Es hat Kunstrichter gegeben, welche die Epopee als ein sittliches Bild ansehen, das seine Moral hat; der Pater Le Bossü hat behauptet, die Ilias sei bloß ein Bild an dem verbündete Fürsten lernen sollen, wie nötig ihnen die Eintracht ist. Mit eben so viel oder noch mehr Recht hätte er sagen können, die Moral dieses Gedichts sei der Satz: Quidquid delirant reges, plectuntur Achivi: und wenn die Epopee auf eine Moral abziehlen sollte so müsste die Tragödie derselben Regel unterworfen sein. Das hieße mit gewaltigem Aufwand verrichten, was durch unendlich einfachere Mittel zu bewerkstelligen wäre. Wir haben schon anderswo1 angemerkt, dass nicht einmal jede äsopische Fabel eine Moral enthalte.
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1 S. Fabel äsop.