Musik - Privatgebrauch der Musik
Von dem Privatgebrauch der Musik, kommt zuerst die in Betrachtung, die für gesellschaftliche Tänze gemacht wird. Das was über diese Tänze selbst anderswo gesagt wird [s. Tanz], dient auch den Wert und den Charakter der dazu gehörigen Tonstücke zu bestimmen. Es besteht eine so natürliche Verbindung zwischen Gesang und Tanz, dass man beide unzertrennlich vereinigt bei allen noch rohen Völkern antrifft, wo die Kunst noch in der Kindheit liegt. Daher lässt sich vermuten, dass dieses die älteste Anwendung der Musik sei. Sie dient freilich nicht, wie öffentliche Musik, die großen auf das Allgemeine oder auf erhabene Gegenstände abzielenden Kräfte der Seele in Bewegung zu setzen. Aber da die mit übereinstimmender körperlichen Bewegung begleitete Musik lebhaften Eindruck macht, der Tanz aber sehr schicklich ist, mancherlei leidenschaftliche und sittliche Empfindungen zu erwecken, so wird diese Gattung der Musik nicht unwichtig und könnte besonders auch zur Bildung der Gemüter angewendet werden. Es ist auch weder etwas geringes noch etwas so leichtes als sich mancher einbildet, eine vollkommene Tanzmelodie zu machen. Vollkommen aber wird sie nicht bloß dadurch, dass Bewegung, Takt und Rhythmus dem Charakter des Tanzes angemessen sind, sondern auch durch schildernde musikalische Gedanken oder Sätze, die die Art und den Grad der Empfindung, die jedem Tanz eigen sind, wohl ausdrücken. Darum gehört so viel Genie und Geschmack hierzu als zu irgend einer anderen Gattung.
Hierauf ist die Anwendung der Kunst auf gesellschaftliche und auf einsam abzusingende Lieder zu betrachten. Da solche Lieder, wie ausführlich gezeigt worden ist [s. Lied], von sehr großer Wichtigkeit sind, so ist es auch die dazu dienliche Musik. Die Gesänge, wodurch Orpheus wilden oder doch sehr rohen Menschen Lust zu einem wohl gesitteten Leben gemacht hat, waren nur Lieder und allem Ansehen nach solche, wo mehr natürliche Annehmlichkeit als Kunst herrschte. Ich meinerseits wollte lieber ein schönes Lied als zehn der künstlichsten Sonaten oder zwanzig rauschende Konzerte gemacht haben. Diese Gattung wird zu sehr vernachlässigt und es fehlt wenig, dass Tonsetzer, die durch Ouvertüren, Konzerte, Symphonien, Sonaten und dergleichen, sich einen Namen gemacht haben, nicht um Vergebung bitten, wenn sie sich bis zum Lied, ihrer Meinung nach, erniedriget haben. So sehr verkehrte Begriffe hat mancher von der Anwendung seiner Kunst.
In die letzte Stelle setzen wir die Anwendung der Musik auf Konzerte, die bloß zum Zeitvertreib und etwa zur Übung im Spielen angestellt werden. Dazu gehören die Konzerte, Symphonien, die Sonaten, die Solo, die allgemein ein lebhaftes und nicht unangenehmes Geräusch oder ein artiges und unterhaltendes, aber das Herz nicht beschäftigendes Geschwätz vorstellen. Dieses ist aber gerade das Fach, worin ziemlich durchgehends am meisten gearbeitet wird. Es sei ferne, dass wir die Konzerte, worin Spieler sich in dem richtigen und guten Vortrag üben, verwerfen. Aber die Konzerte, wo so viel Liebhaber sich zusammen drängen, um sich da unter dem Geräusche der Instrumente der langen Weile oder dem freien Herumirren ihrer Phantasie zu überlassen; wo man die Fertigkeit der Spieler oft sehr zur Unzeit bewundert – wo man Spieler und bisweilen auch Sänger durch übel angebrachte Bravos von dem wahren Geschmack abführt und in Tändeleien verleitet? – doch es ist besser hiervon zu schweigen. Denn der Geschmack an solchen Dingen ist vielleicht unwiderruflich, entschieden. Dieses wird freilich manchem Virtuosen beleidigend vorkommen. Da er wirklich ein großes Vergnügen an solchen Sachen findet, wird er kaum begreifen, dass nicht jedermann dasselbe empfindet. Wir wollen ihm seine Empfindung nicht streitig machen; aber die wahre Quelle desselben wollen wir ihm mit den Worten eines Mannes von großer Urteilskraft entdecken. »Das Vergnügen, sagt er, welches der Virtuose empfindet, indem er Konzerte nach dem bunten heutigen Geschmack, hört, ist nicht jenes natürliche Vergnügen das durch die Melodie oder Harmonie der Töne erweckt wird, sondern ein Vergnügen von der Art dessen, das wir empfinden, indem wir die unbegreiflichen Künste der Luftspringer und Seiltänzer sehen, die sehr schwere Sachen machen.« [s. Letter to Lord K. in Fränklins Experiments and observ. on Electricity. S. 467]
Doch wollen wir die Sache nicht so weit treiben, wie Plato, der alle Musik, die nicht mit Gesang und Poesie begleitet ist, verwirft [De Leg. L. II.]. Auch ohne Worte kann sie Wirkung tun, ob sie gleich erst dann sich in der größten Wirkung zeigt, wenn sie ihre Kraft auf Werke der Dichtkunst anwendet.
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11 Assentior Platoni, nihil tam sacile in animos teneros atque molles influere quam varios canendi sonos, quorum dici vix potest, quanta sit vis in utramque partem. Namque et incitat languentes et languesacit excitatos, et tum remittit animos, tum contrahit. Cicero de Legib. L. II.
12 S. Lied. S. 715 .
13 S. .
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