Malerei - Mittel der Malerei


Nach diesen Betrachtungen über die verschiedenen Gegenstände und Anwendungen der Kunst des Malers, kommt nun die Frage vor, durch was für Mittel er zu seinem Zweck komme oder was er zu tun habe um ein lobenswertes Gemälde zu verfertigen. Man sieht ohne Mühe, dass alles auf folgende Punkte ankomme: 1. auf eine gute Wahl oder Erfindung seines Stoffs; 2. Auf eine geschickte Anordnung desselben; 3. Auf richtige Zeichnung und 4. auf ein gutes Kolorit, mit Inbegriff aller guten Eigenschaften, die von der Farbengebung herkommen. Dieses sind gerade die vier Punkte, die der Herr von Hagedorn in der Ordnung, wie sie hier stehen, in seinem vortrefflichen Werk über die Malerei, sehr umständlich und gründlich abgehandelt hat. Wir haben jedem Punkt und manchen Unterabteilungen derselben eigene Artikel gewidmet. Also bleibt hier nur noch zu bemerken übrig, wie die Vollkommenheit des Gemäldes überhaupt von diesen vier Punkten abhänge. Das in seiner Art vollkommene Gemälde muss einen dem Geist oder Herzen interessanten Gegenstand so vorstellen, dass er nach Maßgabe seiner Art, die bestmögliche Wirkung tue. Dieses geschieht, wenn das Auge zu der genauen Betrachtung des Gemäldes angeloket wird; wenn es das Ganze gehörig übersehen und seine Art genau erkennen kann; wenn dieses Ganze einen lebhaften und vorteilhaften Eindruck auf den Geist oder das Herz macht, welcher durch die Betrachtung der Teile immer unterhalten und auch verstärkt wird.

Ohne gute Wahl oder geschickte Erfindung kann das Ganze nicht interessant sein. Ich besinne mich irgendwo ein Stück gesehen zu haben, darin nichts als der geschundene und aufgeschnittene Rumpf eines geschlachteten Ochsen, aber mit so wunderbarer Kunst vorgestellt war, dass man nicht ohne Wahrscheinlichkeit den Rubens für den Urheber desselben hielte. Warum soll man doch ein solches Stück mit dem Namen eines Gemäldes beehren? Wenigstens wird doch Niemand sagen dürfen, dass es ein Werk des Geschmacks sei. Es kann auch zu nichts anderm dienen als dass der Maler es als ein Studium für das Kolorit in seiner Werkstatt habe, so wie man bei allen, die die zeichnenden Künste üben, Bruchstücke von Statuen, Hände, Füße, halbe Köpfe u. d. gl. in Gips hangen sieht.

Von den verschiedenen Gattungen des interessanten malerischen Stoffes ist bereits hinlänglich gesprochen worden. Auch ist anderswo angemerkt [s. Wahl der Materie, Erfindung], was der Maler, so wie jeder anderer Künstler wegen der Wahl und Erfindung überhaupt zu beobachten habe. Er muss aber besonders als ein Maler wählen und dabei voraussehen, ob der Gegenstand fähig ist, wie es die besonderen Bedürfnisse seiner Kunst erfordern, behandelt zu werden; ob er z.B. sich so anordnen lasse, dass er auf einmal als ein Ganzes, dem nichts fehlt und das sich dem Auge gefällig darstellt, könne übersehen werden; ob alles, was dazu gehört, so wird können geordnet, gezeichnet, erleuchtet und gefärbt werden, dass das Auge immer gereizt und der Geist immer befriediget werde. Es können sowohl in der leblosen Natur als in den Handlungen der Menschen Dinge vorkommen, die der Redner oder der Dichter sehr vorteilhaft brauchen könnte, die sich aber für den Maler gar nicht schicken; weil er alles aus einem einzigen Gesichtspunkt übersehen muss und in Handlungen, nur einen einzigen Augenblick vorstellen kann. Also gehören zur Wahl nicht nur Geschmack und Verstand, sondern Einsichten in das Besondere der Kunst. Wie bisweilen die vortreflichste Ode für die Musik ein schlechter Stoff sein kann, weil sie schlechterdings nicht nach den Regeln dieser Kunst kann behandelt werden; so geht es auch hier.

Durch die geschickte Anordnung wird das Gemälde nicht nur zu einem vollständigen Ganzen, zu einem einzigen, von allen anderen Dingen abgesonderten Gegenstand, den man an sich und ohne etwas anderes dabei zu haben, völlig fassen und betrachten kann [s. Ganz]; sondern er bekommt auch eine gefällige und anreizende Form; eine Klarheit, die ihn faßlich macht und eine Gestalt, die das, was sein Wesen bestimmt, von dem Zufälligen ohne Müh unterscheiden lässt.

Durch die Zeichnung bekommt jeder Gegenstand die wahre Form, die in dem Gemüte das bewirkt, was sie wirken soll. Durch sie kommt also der Geist und die vornehmste Kraft in das Gemälde. Denn hauptsächlich wirken die in der Natur vorhandenen oder durch die Phantasie geschaffenen körperlichen Gegenstände, durch ihre Form. Auch kommt hauptsächlich von der Zeichnung die wunderbare Wirkung, dass wir auf einem flachen Grund, einige Dinge wie ganz nahe bei uns, andre als sehr entfernt erblicken. Dass die größte Kraft des Gemäldes von der Zeichnung abhange, wird an seinem Orte umständlich gezeigt werden [s. Zeichnung]. Die Phantasie kann leichter die Farben ergänzen, die dem Kupferstiche fehlen als sie im Stand ist, die Zeichnung, wo sie im Gemälde fehlt, zu ergänzen. Selbst die Landschaft kann bloß durch Zeichnung von der höchsten Richtigkeit, so wahr und so natürlich geschildert werden, dass wir eine wirkliche Aussicht in der Natur zu sehen glauben und uns Farben hinzudenken.

Endlich gibt das Kolorit in seinem ganzen Umfange genommen dem Gemälde die letzte Vollkommenheit und vollendet die durch die Zeichnung angefangene Täuschung des Auges, das nunmehr das Gemälde nicht mehr für ein Schattenbild, wie es in der Tat ist, sondern für etwas in der Natur vorhandenes hält; dass man ein wirkliches Land und lebende Menschen vor sich zu sehen glaubt. Durch die liebliche Harmonie der Farben aber wird das Auge auf das Angenehmste gerührt, dass es sich mit Lust mit Betrachtung des Gegenstandes beschäftigt.


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