Ton (Musik)
Ton. (Musik) Dieses Wort wird selbst in der Musik, wo es seine eigentliche Bedeutung vorzüglich behält, dennoch von ganz verschiedenen Dingen genommen.
1. Bedeutet es den Klang der Instrumente überhaupt als den besonderen Klang einer Flöte, einer Violine u.s.w. Denn man sagt von einem solchen Instrument, es habe einen schönen, hellen, vollen oder einen schlechten, dumpfichten, unangenehmen Ton. Es wäre der Mühe wohl wert, dass man versuchte die verschiedene Arten des Tones, nach dem eigentümlichen Charakter jeder Art, zu bestimmen. Der Ton der menschlichen Stimme wird durchgehends mit Recht für den vollkommensten gehalten, weil er jeden Charakter annehmen kann. Blas-Instrumente haben offenbar einen ganz anderen Charakter des Tones als Saiteninstrumente und von diesen ist der Ton derer, die gestrichen werden, wieder von dem, der durch das Anschlagen oder Zupfen der Saiten hervorgebracht wird, ganz verschieden. Es gibt Instrumente die einen klagenden Ton haben, andere haben einen fröhlichen. Wo es darum zu tun ist, den Menschen durch Töne in wirkliche Leidenschaft zu setzen, kommt sehr viel auf die gute Wahl des Instruments an, das den schicklichen Ton dazu hat.
2. Durch Ton versteht man auch überhaupt einen Klang von bestimmter oder abgemessener Höhe. So sagt man: der Ton C oder c; ein Basston, ein Tenorton u.s.w. In eben diesem Sinne sagt man von einem Instrument überhaupt, es sei im Choroder Kammerton gestimmt.
3. Besonders bedeutet das Wort ein Intervall von einer einzigen diatonischen Stufe und da unterscheidet man ganze und halbe Töne. Ganze Töne werden die größeren Stufen C-D, D-E; halbe Töne die kleineren E-F, F-Fis, u.s.w. genannt. Die ganzen Töne sind wieder zweierlei: der große ganze Ton C-D, hat das Verhältnis von 8/9, der kleine ganze Ton, wie D-E, hat das Verhältnis von 9/16 Auch die kleineren diatonischen Stufen, die man halbe Töne nennt, sind von ungleicher Größe; bald in dem Verhältnis von 15/16 bald von 243/2561).
4. Ton bedeutet auch die ganze Tonleiter oder diatonische Folge der acht zur Oktave eines jeden Tones gehörigen Saiten. Wenn man sagt, ein Stück sei aus einem gewissen Ton gesetzt oder man spiele aus einem gewissen Tone, so heißt es so viel, man nehme zur Fortschreitung des Gesangs nur die Töne, die in der Oktave desselben Tones nach seiner harten oder weichen Tonart liegen. Und weil in größeren Stücken der Gesang durch mehrere Tonleitern vermittelst der Modulation durchgeführt wird, so wird der Ton, in dessen Tonleiter das Stück anfängt und endigt und die auch durch die ganze Modulation hindurch vorzüglich herrscht, der Hauptton des Stücks genannt2).
Ehe die halben Töne in das System eingeführt worden, hatte das ganze System nur sechs Töne, deren jeder seine eigene diatonische Tonleiter hatte, nämlich C, D, E, F, G und A.3 Aber aus jedem dieser Töne war man gewohnt, auf zweierlei Weise den Gesang zu bilden, indem man die Melodie auf die obere oder untere Hälfte der Tonleiter einschränkte.4) Daher entstanden also zwölf verschiedene Töne, von denen man für jeden Gesang den schicklichsten auszusuchen hatte. Dieses nennt man allgemein die zwölf alten Tonarten; und wir sprechen in einem besonderen Artikel davon.
Nach der heutigen Beschaffenheit der Musik hat jede der zwölf Saiten des Systems seine diatonische Tonleiter, sowohl nach der harten als nach der weichen Tonart. Folglich kann man gegenwärtig von vier und zwanzig Tönen, deren jeder seine eigene Tonleiter hat, denjenigen wählen, den man für den zu setzenden Gesange für den schicklichsten hält. Es ist nötig, dass wir über diesen Punkt nähere Erläuterung geben; weil wir verschiedentlich bemerkt haben, dass in den Meinungen der Tonsetzer selbst noch zu viel Ungewissheit über diese Materie herrscht.
Nach der sogenannten gleichschwebenden Temperatur5) hätte man in der Tat nur zwei verschiedene Töne, einen nach der großen oder harten und einen nach der kleinen oder weichen Tonart. Wir haben aber in dem angeführten Artikel gezeigt, dass diese Temperatur, wenn sie auch auf Orgeln oder Klavieren wirklich angebracht wäre, in der Musik überhaupt nicht statt haben könne; weil weder die Sänger, noch die Violinisten sich nach derselben richten können, sondern in ihren reinen Fortschreitungen allemal andre Akkorde hervorbringen als die, die nach der gleichschwebenden Temperatur erfolgen sollten. Es war also schlechterdings notwendig, eine Temperatur zu finden, in welcher jeder Ton die Intervalle bekam, die durch reine Fortschreitungen verschiedener Stimmen entstehen und wir haben gezeigt, dass die Kirnbergerische Temperatur so beschaffen sei.
Wenn wir also diese zum Grunde legen, so finden wir in der Tat, dass jede Saite des Systems darin ihre harte und weiche diatonische Tonleiter hat, die sich bald mehr, bald weniger von anderen unterscheidet. Einige dieser Tonleitern haben ihre große Terz in dem Verhältnis von 4/5, andere von 64/81 noch andere von 405/512 in der kleinen Tonart haben einige ihre Terz von große5/6, andere von 27/32 und noch andere von große1024/1215 und dieser Unterschied findet sich auch in den Sexten, Septimen und Sekunden.
Da nun jede Saite ihre eigene diatonische Tonleiter bekommt, die sich bald mehr, bald weniger von allen anderen unterscheidet, so muss notwendig, auch jeder Ton seinen eigenen Charakter bekommen, der gegen die anderen mehr oder weniger absticht. Verschiedene dieser Töne sind sich zwar bis auf einige Kleinigkeiten ähnlich; andere aber unterscheiden sich merklicher von allen anderen. Wir werden an einem anderen Orte Gelegenheit haben, in einer Tabelle alle vier und zwanzig Tonleitern nach den wahren Verhältnissen ihrer Intervallen anzugeben und ihre Differenzen deutlich vorzustellen.6)
Man muss aber bei dieser Vergleichung der Töne nicht bloß die Tonleiter der Haupttöne, sondern auch ihrer Dominanten und überhaupt aller ihrer Ausweichungen gegen einander halten, um zu sehen, wie verschieden auch der Charakter der Töne sei, in welche man zunächst ausweicht. Daraus kann man denn die Art eines jeden der vier und zwanzig Töne richtig kennen lernen. Diese Kenntnis aber dient dann dem Tonsetzer, dass er in jedem besonderen Fall, den Ton aussucht, der sich zu seinem Ausdruck am besten schickt.
Damit man die Verschiedenheit der vier und zwanzig Töne nach den Verhältnissen der vorerwähnten Temperatur, wenn in jedem derselben seine natürlichen Ausweichungen7) und die Dominantenakkorde mit begriffen werden, mit einem Blick übersehen könne, geben wir davon nach ihrer abnehmenden Reinheit folgende Vorstellung: C ist der reinste Durton, weil außer dreien Dominantenakkorden alle Ausweichungen desselben rein sind; in G dur kommt schon ein härterer Dominantenakkord mehr vor; D dur wird durch die Ausweichung in A dur und Fis moll noch härter; F kommt schon dem A dur nahe, der wieder weniger hart als E dur ist, u.s.w. bis Gis dur, der der allerhärteste Durton ist.
Mit den Molltönen hat es dieselbe Bewandnis. A ist der reinste und B der weichste Mollton.
Es ist gewiss, dass die reinsten Töne zum pathetischen Ausdruck wenig geschickt, hingegen, mit Rücksicht auf den besonderen Ausdruck der Moll- oder Durtonart8), zur Belustigung, zum lermenden und kriegerischen; zum gefälligen, zärtlichen, scherzhaften; oft zum bloß ernsthaften Ausdruck am besten zu gebrauchen sind. Die weniger reinen Töne sind nach dem Grad ihrer wenigern Reinheit allezeit wirksamer zu vermischten Empfindungen, deren Ausdruck in den härtesten Dur- und den weichsten Molltönen von der gewaltsamsten Wirkung ist.
Hieraus erhellt hinlänglich, dass der Tonsetzer nicht bloß in der Wahl der Tonart, ob er die harte oder weiche zu nehmen habe, sondern auch des Tones selbst, sehr sorgfältig sein müsse. Die Stücke derer, die eine solche sorgfältige Wahl getroffen haben, lassen sich deswegen nie ohne Schaden in andere Töne versetzen, deren Reinheit merklich von der verschieden ist, nach der sie ursprünglich gesetzt worden.
Dieses kann jeder erfahren, der die anderswo9) vorgeschlagene Probe mit dem Chor Mora, aus der Oper Iphigenia oder mit dem Xenophon des Herrn Bach aus dem musikalischen Allerlei10) machen will.
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1) S. Art. System.
2) S. Hauptton.
3) S. S. 1127 .
4) S. Authentisch. Plagalisch.
5) S. Temperatur.
6) S. Tonleiter.
7) S. Ausweichung. S. 120 .
8) S. Tonart
9) S. Temperatur.
10) S. 10 .