Zum Hauptinhalt springen

Schöne Seele

Schöne Seele ist als prägnantes Schlagwort für ein empfindsames und tugendhaftes Gemüt anscheinend von Wieland um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Kurs gesetzt worden und wurde wohl unter dem Einflusse von Rousseaus Roman: Julie, ou la nouvelle Héloise (1759), in dem die belle âme eine so bedeutsame Rolle spielt, zum vielbeliebten Modewort der folgenden Jahrzehnte.

Die stark abgenutzte Wendung ist dann von Goethe dadurch zur geflügelten gemacht worden, dass er das sechste Buch von „Wilhelm Meisters Lehrjahren“ (1795) überschrieb: Bekenntnisse einer schönen Seele.

Zur Geschichte des Ausdrucks vergl. Büchmann S. 190 f., ferner Feldmanns Mitteilungen in der ZfdW. 6, 337 ff. und vor allem auch Pomezny, Grazie und Grazien (1900) S. 20 ff., wo gezeigt wird, dass dieser Lieblingsausdruck des 18. Jahrhunderts aus der vorsätzlichen Gegenüberstellung von körperlicher Schönheit und Tugend gewonnen ist. Erich Schmidts verdienstliche Untersuchung über die Entstehung und Entwicklung dieses Begriffs wird dahin berichtet, dass die Dichtung des 17. Jahrhunderts als Ausgangsbezirk anzusehen sei. Zum Beweis wird nachdrücklich aus Opitz, der sich an Platos Phädrus anlehnt, hingewiesen und zugleich aus Weckherlin (1584—1653) und Zesen (1619—1689) der Ausdruck „schöne Seele“ bereits beigebracht.

Darauf fährt er fort: „Wenn sich dann bei Zinzendorf die Verbindung „schöne Seele“ findet, so entspricht es demnach dem historischen Entwicklungsgang mehr, von einer Beeinflussung des Pietismus durch die weltliche Dichtung zu sprechen als umgekehrt.

Jedenfalls kann der Pietismus den Begriff nur verstärkt und vertieft, nicht aber geschaffen haben. Und ebenso hat darnach die Ausnahme der Shaftesburyschen Theorie, das Bekanntwerden der Romane Richardsons, den Inhalt der Formel weiter gebildet und ihre Beliebtheit in einer Zeit befestigt, die der Gefühlsweichheit huldigte.“