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Seeschlange

Seeschlange, zunächst die Bezeichnung eines phantasievollen Meerungetüms, von dessen Größe und Aussehen die Journalisten oft in abenteuerlichen Schilderungen zu berichten wußten, dann etwa seit 1840 das stehende Stichwort für eine fabelhafte und unglaubwürdige Zeitungsnotiz. Die Grenzb. 1843, S. 283 machen sich schon darüber lustig. Ein Redakteur in Verlegenheit, was er bei den Zensurverhältnissen im Feuilleton und in der Beilage seines Blattes bringen solle, wird vom resoluten Verleger der Zeitung dahin belehrt: „Einige Notizen über China, über das Auftauchen der großen Seeschlange, über ein Kind mit zwei Köpfen, das wieder geboren wurde. Die französischen Blätter haben immer so was vorrätig für den Fall der Not.“ Im Jahre 1845, 1. Sem. 1, 148 wird „die Dame mit dem Totenkopf — die „Seeschlange“ der deutschen Journalistik“ — erwähnt. Auch Gust. Freytag läßt in seinen „Journalisten“ (1853), 1. Akt, 2. Szene dem armen Bellmaus ganz gehörig die Leviten lesen, weil er wieder eine Notiz über die alte Seeschlange bringen wollte: „Als wir dir die Ehre erwiesen, dich mit der Verfertigung der Nippessachen für dieses Blatt zu betrauen, da war die Meinung nicht, dass du die ewige große Seeschlange durch die Spalten unserer Zeitung wälzen solltest! — — Wie konntest du die abgedroschene Lüge wieder hineinsetzen?“ Vergl. noch Prutz, Kl. Schr. 2, 5 f.: „Die preußische Verfassungsfrage, diese allgemeine privilegierte Zeitungsente, diese veritable „große Seeschlange“ unserer Korrespondenten, dieser ewige Jude unsrer hoffnungsreichen Presse — aber es sieht sich ja kein Mensch mehr um, wenn sie geplätschert kommt! aber wir wissen ja alle, dass es keine große Seeschlange, keinen ewigen Juden gibt!“