Kirche
Kirche. Die „Idee eines Volkes Gottes“, eines Reiches (s. d.) der Tugend, kann unter Menschen nur in der Form einer „Kirche“ verwirklicht werden. „Ein ethisches gemeines Wesen unter der göttlichen moralischen Gesetzgebung ist eine Kirche, welche, sofern sie kein Gegenstand möglicher Erfahrung ist, die unsichtbare Kirche heißt (eine bloße Idee von der Vereinigung aller Rechtschaffenen unter der göttlichen unmittelbaren, aber moralischen Weltregierung, wie sie jeder von Menschen zu stiftenden zum Urbilde dient). Die sichtbare ist die wirkliche Vereinigung der Menschen zu einem Ganzen, das mit jenem Ideal zusammenstimmt.“ Die Diener der Kirche verwalten nur die Geschäfte des „unsichtbaren Oberhauptes“ derselben. „Die wahre (sichtbare) Kirche ist diejenige, welche das (moralische) Reich Gottes auf Erden, soviel es durch Menschen geschehen kann, darstellt.“ Die Erfordernisse und Kennzeichen der wahren Kirche sind: 1. die Allgemeinheit, folglich numerische Einheit derselben ihrem Ziele nach (also keine Sektenspaltung). 2. Die Beschaffenheit (Qualität) derselben, d. h. die Lauterkeit, die Vereinigung unter rein moralischen Triebfedern („Gereinigt vom Blödsinn des Aberglaubens und dem Wahnsinn der Schwärmerei“). 3. Das Verhältnis unter dem Prinzip der Freiheit (als eine Art „Hausgenossenschaft“, Familie unter einem „unsichtbaren, moralischen Vater“). 4. Die Modalität derselben, die Unveränderlichkeit ihrer Konstitution nach („unter ursprünglichen, einmal gleich als durch ein Gesetzbuch öffentlich zur Vorschrift gemachten Gesetzen, nicht willkürlichen Symbolen“). Die Kirche als „bloße Repräsentantin eines Staates Gottes“ hat eigentlich keine ihren Grundsätzen nach der politischen ähnliche Verfassung, Rel. 3. St. 1. Abs. IV (IV 115 f.). „Die Konstitution einer jeden Kirche geht allemal von irgendeinem historischen (Offenbarungs-) Glauben aus, den man den Kirchenglauben nennen kann, und dieser wird am besten auf eine heilige Schrift gegründet“, ibid. V (IV 117). Der „reine Religionsglaube“ ist zwar der, welcher allein eine allgemeine Kirche gründen kann, aber infolge der Schwäche der menschlichen Natur dient ein „statutarischer Kirchenglaube“ als Vehikel der ethischen Vereinigung, ibid. (IV 122); vgl. Glaube, Religion. Es gibt keine andere Norm des Kirchenglaubens als die Schrift und keinen anderen Ausleger derselben als reine Vernunftreligion und Schriftgelehrsamkeit, ibid VI (IV 131). Der historische Glaube ist als solcher zufällig; er kann zwar zum Kirchenglauben zulangen, „aber nur der reine Religionsglaube, der sich gänzlich auf Vernunft gründet, kann als notwendig, mithin für den einzigen erkannt werden, der die wahre Kirche auszeichnet“. Der Kirchenglaube wird sich allmählich dem reinen Religionsglauben nähern, dann wird die „streitende“ Kirche zur alles vereinigenden „triumphierenden“ Kirche werden. Der Glaube einer bloß „gottesdienstlichen Religion“ ist ein „Frohn- und Lohnglaube“, der der reinen Religion hingegen ein „seligmachender Glaube“, d. h. der Glaube „jedes einzelnen, der die moralische Empfänglichkeit (Würdigkeit) mit sich führt, ewig glückselig zu sein“, ibid. VII (IV 132 ff.); vgl. Str. d. Fak. 1. Abs. Allg. Anmerk. (V 4, 96).
Die Kirche muß dem Staat, nicht umgekehrt angehören, denn alle bürgerliche Verfassung ist von dieser Welt: Religion kann aber von keiner staatlichen Gewalt dem Volke aufgedrungen oder genommen werden; niemand darf auch wegen seiner Religion vom Staatsdienst ausgeschlossen werden, MSR Anh. 8 B (III 202). Vgl. Reich der Tugend.