Kunst
Kunst. „Kunst wird von der Natur, wie Tun (facere) vom Handeln oder Wirken überhaupt (agere), und das Produkt oder die Folge der ersteren als Werk (opus) von der letzteren als Wirkung (effectus) unterschieden.“ „Von Rechts wegen sollte man nur die Hervorbringung durch Freiheit, d. i. durch eine Willkür, die ihren Handlungen Vernunft zum Grunde legt, Kunst nennen.“ „Kunst als Geschicklichkeit des Menschen wird auch von der Wissenschaft unterschieden (Können vom Wissen), als praktisches vom theoretischen Vermögen, als Technik von der Theorie.“ Endlich wird Kunst auch vom Handwerk unterschieden; die erstere heißt freie, die andere kann auch Lohnkunst heißen. „Man sieht die erste so an, als ob sie nur als Spiel, d. i. Beschäftigung, die für sich selbst angenehm ist, zweckmäßig ausfallen (gelingen) könne.“ „Daß aber in allen freien Künsten dennoch etwas Zwangsmäßiges oder, wie man es nennt, ein Mechanismus erforderlich sei, ohne welchen der Geist, der in der Kunst frei sein muß und allein das Werk belebt, gar keinen Körper haben und gänzlich verdursten würde, ist nicht unratsam zu erinnern“, KU § 43 (II 155 ff.). „Wenn die Kunst, dem Erkenntnisse eines möglichen Gegenstandes angemessen, bloß ihn wirklich zu machen die dazu erforderlichen Handlungen verrichtet, so ist sie mechanische; hat sie aber das Gefühl der Lust zur unmittelbaren Absicht, so heißt sie ästhetische Kunst. Diese ist entweder angenehme oder schöne Kunst. Das erste ist sie, wenn der Zweck derselben ist, daß die Lust die Vorstellungen als bloße Empfindungen, das zweite, daß sie dieselben als Erkenntnisarten begleite.“ „Angenehme Künste sind die, welche bloß zum Genüsse abgezweckt werden“ (z. B. Tafelmusik). „Schöne Kunst dagegen ist eine Vorstellungsart, die für sich selbst zweckmäßig ist und, obgleich ohne Zweck, dennoch die Kultur der Gemütskräfte zur geselligen Mitteilung befördert“, ibid. § 44 (II 158).
„Schöne Kunst“ ist „eine Kunst, sofern sie zugleich Natur zu sein scheint“. „An einem Produkte der schönen Kunst muß man sich bewußt werden, daß es Kunst sei, und nicht Natur; aber doch muß die Zweckmäßigkeit in der Form desselben von allem Zwange willkürlicher Regeln so frei scheinen, als ob es ein Produkt der bloßen Natur sei.“ „Die Natur war schön, wenn sie zugleich als Kunst aussah; und die Kunst kann nur schön genannt werden, wenn wir uns bewußt sind, sie sei Kunst, und sie uns doch als Natur aussieht.“ Die schöne Kunst gefällt in der „bloßen Beurteilung“ (weder in der Sinnenempfindung noch durch einen Begriff). Die Zweckmäßigkeit im Produkte der schönen Kunst ist „absichtlich“, muß aber „nicht absichtlich scheinen“, d. h. „schöne Kunst muß als Natur anzusehen sein, ob man sich ihrer zwar als Kunst bewußt ist“. Als „Natur“ aber erscheint ein Produkt der Kunst dadurch, „daß zwar alle Pünktlichkeit in der Übereinkunft mit Regeln, nach denen allein das Produkt das werden kann, was es sein soll, angetroffen wird; aber ohne Peinlichkeit, ohne daß die Schulform durchblickt, d. i. ohne eine Spur zu zeigen, daß die Regel dem Künstler vor Augen geschwebt und seinen Gemütskräften Fesseln angelegt habe“, ibid. § 45 (II 159 f.). Schöne Kunst ist nicht erlernbar, gründet sich nicht auf begriffliche Regeln, sondern ist ein Produkt des Genies (s. d.), welches der Kunst die Regel gibt, ibid. § 46 (II 160 f.). Doch enthält sie auch etwas „Schulgerechtes“, Mechanisches, welches nach Regeln gefaßt und befolgt werden kann, ibid. § 47 (II 163 f.). Die Kunst beschreibt Objekte — auch häßliche mißfällige — schön; nur das Ekelhafte muß sie ausschließen; und so hat die Bildhauerkunst deren Produkte mit denen der Natur leicht verwechselt werden, die unmittelbare Vorstellung häßlicher Gegenstände ausgeschlossen. Eine Naturschönheit ist „ein schönes Ding“; die Kunstschönheit ist „eine schöne Vorstellung von einem Dinge“, ibid § 48 (II 165).
Schönheit ist der „Ausdruck“ ästhetischer Ideen. Die schönen Künste lassen sich nach der Art dieses Ausdrucks einteilen, der in Worten, Gebärden oder Tönen stattfindet. „Es gibt also nur dreierlei Arten schöner Künste: die redende, die bildende und die Kunst des Spiels der Empfindungen (als äußerer Sinneneindrücke).“ „Man könnte diese Einteilung auch dichotomisch einrichten, so daß die schöne Kunst in die des Ausdrucks der Gedanken oder der Anschauungen, und diese wiederum bloß nach ihrer Form oder ihrer Materie (der Empfindung) eingeteilt würde. Allein sie würde alsdann zu abstrakt und den gemeinen Begriffen nicht so angemessen aussehen.“ Die redenden Künste sind Beredsamkeit und Dichtkunst. „Beredsamkeit ist die Kunst, ein Geschäft des Verstandes als ein freies Spiel der Einbildungskraft zu betreiben; Dichtkunst, ein freies Spiel der Einbildungskraft als ein Geschäft des Verstandes auszuführen.“ „Der Redner also kündigt ein Geschäft an und führt es so aus, als ob es bloß ein Spiel mit Ideen sei, um die Zuhörer zu unterhalten. Der Dichter kündigt bloß ein unterhaltendes Spiel mit Ideen an, und es kommt doch soviel für den Verstand heraus, als ob er bloß dessen Geschäft zu treiben die Absicht gehabt hätte.“ „Die bildenden Künste oder die des Ausdrucks für Ideen in der Sinnenanschauung (nicht durch Vorstellungen der bloßen Einbildungskraft, die durch Worte aufgeregt werden) sind entweder die der Sinnenwahrheit oder des Sinnenscheins. Die erste heißt die Plastik, die zweite die Malerei. Beide machen Gestalten im Raume zum Ausdrucke für Ideen; jene macht Gestalten für zwei Sinne kennbar, dem Gesichte und Gefühl.“ „Die ästhetische Idee (Archetypon, Urbild) liegt zu beiden in der Einbildungskraft zum Grunde; die Gestalt aber, welche den Ausdruck derselben ausmacht (Ektypon, Nachbild), wird entweder in ihrer körperlichen Ausdehnung (wie der Gegenstand selbst existiert), oder nach der Art, wie diese sich im Auge malt (nach ihrer Apparenz in einer Fläche), gegeben.“ Zur Plastik gehören die Bildhauer- und Baukunst. Die Malerkunst, „welche den Sinnenschein künstlich mit Ideen verbunden darstellt“, gliedert sich in die der schönen Schilderung der Natur und die der schönen Zusammenstellung ihrer Produkte (Malerei — Lustgärtnerei). Die Kunst des „schönen Spiels der Empfindungen“ betrifft „die Proportion der verschiedenen Grade der Stimmung (Spannung) des Sinnes, dem die Empfindung angehört, d. i. den Ton desselben“. Sie zerfällt in das künstliche Spiel der Gehörs- und der Gesichtsempfindungen (Musik und Farbenkunst). Vielleicht sind die beiden Arten der Empfindung „die Wirkung einer Beurteilung der Form im Spiele vieler Empfindungen“ (Proportion der Schwingungen, die den Tönen und Farben zugrunde liegen), ibid. § 51 (II 175 ff.). Wenn die schönen Künste nicht „mit moralischen Ideen in Verbindung gebracht werden, die allein ein selbständiges Wohlgefallen bei sich führen“, so sind sie „nur auf Genuß angelegt, welcher nichts in der Idee zurückläßt, den Geist stumpf, den Gegenstand nach und nach anekelnd und das Gemüt ... mit sich selbst unzufrieden und launisch macht“, ibid. § 52 (II 182). Die Kunst macht den Menschen nicht sittlich besser, aber doch gesittet; sie gewinnt der Tyrannei des Sinnenhanges sehr viel ab und bereitet so den Menschen zu einer Herrschaft der Vernunft vor, ibid. § 83 (II 303). Vgl. Genie, Ästhetik, Idee, Technik, Bildende Künste, Baukunst, Bildhauerkunst, Dichtkunst, Malerei, Musik, Rhetorik, Technik, Zweck, Spiel.