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Philosophie

Philosophie. Philosophie läßt sich nicht lernen, denn eine abgeschlossene, allgemeingültige Philosophie existiert nicht. Man kann nur philosophieren lernen, Nachricht v. d. Einrichtung seiner Vorles. 1765—1766 (V 1, 152 f.).

Die philosophische Vernunfterkenntnis ist die „aus Begriffen“. Philosophie kann nicht als subjektive Vernunfterkenntnis erlernt werden. Man kann höchstens „philosophieren“ lernen und außerdem die Geschichte der Philosophie erlernen. „Das System aller philosophischen Erkenntnis ist nun Philosophie. Man muß sie objektiv nehmen, wenn man darunter das Urbild der Beurteilung aller Versuche zu philosophieren versteht, welches jede subjektive Philosophie zu beurteilen dienen soll, deren Gebäude oft so mannigfaltig und so veränderlich ist. Auf diese Weise ist Philosophie eine bloße Idee von einer möglichen Wissenschaft, die nirgend in concreto gegeben ist, welcher man sich aber auf mancherlei Wegen zu nähern sucht, so lange, bis der einzige, sehr durch Sinnlichkeit verwachsene Fußsteig entdeckt wird, und das bisher verfehlte Nachbild, so weit als es Menschen vergönnt ist, dem Urbilde gleich zu machen gelingt. Bis dahin kann man keine Philosophie lernen; denn wo ist sie, wer hat sie im Besitze und woran läßt sie sich erkennen? Man kann nur philosophieren lernen, d. i. das Talent der Vernunft in der Befolgung ihrer allgemeinen Prinzipien an gewissen vorhandenen Versuchen üben, doch immer mit Vorbehalt des Rechts der Vernunft, jene selbst in ihren Quellen zu untersuchen und zu bestätigen oder zu verwerfen.“ „Bis dahin ist aber der Begriff von Philosophie nur ein Schulbegriff, nämlich von einem System der Erkenntnis, die nur als Wissenschaft gesucht wird, ohne etwas mehr als die systematische Einheit dieses Wissens, mithin die logische Vollkommenheit der Erkenntnis zum Zwecke zu haben“, KrV tr. Meth. 3. H. (I 689 f.—Rc 844 f.). Es gibt aber auch einen „Weltbegriff“ der Philosophie (d. h. in bezug auf das jeden notwendig Interessierende). Sie ist hiernach „die Wissenschaft von der Beziehung aller Erkenntnis auf die wesentlichen Zwecke der menschlichen Vernunft (teleologia rationis humanae), und der Philosoph ist nicht ein Vernunftkünstler, sondern der Gesetzgeber der menschlichen Vernunft“. Der „Lehrer im Ideal“ ist der eigentliche Philosoph der Idee nach, nur die „Idee seiner Gesetzgebung“ wird in jeder Menschenvernunft angetroffen, ibid. (I 690 f.—Rc 845 f.). Die Philosophie („Gesetzgebung der menschlichen Vernunft“) hat „zwei Gegenstände, Natur und Freiheit“ und enthält also das Natur- und das Sittengesetz in einem System. „Die Philosophie der Natur geht auf alles, was da ist, die der Sitten nur auf das, was da sein soll.“ „Alle Philosophie aber ist entweder Erkenntnis aus reiner Vernunft oder Vernunfterkenntnis aus empirischen Prinzipien. Die erstere heißt reine, die zweite empirische Philosophie.“ Die erstere zerfällt in die „Kritik“ (s. d.) als eine „Propädeutik“ zur „Metaphysik“ als System der reinen Vernunft; diese ist „Metaphysik der Natur“ oder „Metaphysik der Sitten“, ibid. (I 692 f.—Rc 847 f.). Die Metaphysik besteht aus 1. der „Transzendentalphilosophie“ (Ontologie) und 2. der „Physiologie der reinen Vernunft“ oder aus: 1. Ontologie; 2. Rationale Physiologie; 3. Rationale Kosmologie; 4. Rationale Theologie. Die empirische Psychologie (s. d.) gehört zur „angewandten Philosophie, zu welcher die reine Philosophie die Prinzipien a priori enthält“, nicht zur Metaphysik, ibid. (I 695 ff. —Rc 850 ff.). Die Kritik kommt zu dem Ergebnis, „daß die Natur in dem, was Menschen ohne Unterschied angelegen ist, keiner parteiischen Austeilung ihrer Gaben zu beschuldigen sei, und die höchste Philosophie in Ansehung der wesentlichen Zwecke der menschlichen Natur es nicht weiter bringen könne als die Leitung, welche sie auch dem gemeinsten Verstande hat angedeihen lassen“, ibid. 2. H. 3. Abs. (I 685—Rc 839).

„Die alte griechische Philosophie teilte sich in drei Wissenschaften ab: die Physik, die Ethik und die Logik. Diese Einteilung ist der Natur der Sache vollkommen angemessen ...“ „Alle Vernunfterkenntnis ist entweder material und betrachtet irgendein Objekt; oder formal und beschäftigt sich bloß mit der Form des Verstandes und der Vernunft selbst und den allgemeinen Regeln des Denkens überhaupt, ohne Unterschiede der Objekte. Die formale Philosophie heißt Logik, die materiale aber, welche es mit bestimmten Gegenständen und den Gesetzen zu tun hat, denen sie unterworfen sind, ist wiederum zwiefach. Denn diese Gesetze sind entweder Gesetze der Natur oder der Freiheit. Die Wissenschaft von der ersten heißt Physik, die der anderen ist Ethik; jene wird auch Naturlehre, diese Sittenlehre genannt.“ „Man kann alle Philosophie, sofern sie sich auf Gründe der Erfahrung fußt, empirische, die aber, so lediglich aus Prinzipien a priori ihre Lehren vorträgt, reine Philosophie nennen. Die letztere, wenn sie bloß formal ist, heißt Logik; ist sie aber auf bestimmte Gegenstände des Verstandes eingeschränkt, so heißt sie Metaphysik.“ Es gibt eine „Metaphysik der Natur“ und eine „Metaphysik der Sitten“. Die Logik (s. d.) kann keinen empirischen Teil haben, denn sie ist „ein Kanon für den Verstand oder die Vernunft, der bei allem Denken gilt und demonstriert werden muß“. „Dagegen können sowohl die natürliche als sittliche Weltweisheit jede ihren empirischen Teil haben, weil jene der Natur als einem Gegenstande der Erfahrung, diese aber dem Willen des Menschen, sofern er durch die Natur affiziert wird, ihre Gesetze bestimmen muß, die ersteren zwar als Gesetze, nach denen alles geschieht, die zweiten als solche, nach denen alles geschehen soll, aber doch auch mit Erwägung der Bedingungen, unter denen es öfters nicht geschieht“, GMS Vorr. (III3 f.). Vgl. Ethik, System.

Die „Weisheitslehre“ als Wissenschaft ist Philosophie im Sinne der Alten, bei denen sie eine Anweisung zu dem Begriffe war, worin das höchste Gut zu setzen, und zum Verhalten, durch welches es zu erwerben sei. Sie ist insofern „eine Lehre vom höchsten Gut, sofern die Vernunft bestrebt ist, es darin zur Wissenschaft zu bringen“. Eine solche Philosophie wäre ein Ideal, welches objektiv in der Vernunft allein vollständig vorgestellt wird, subjektiv aber, für die Person, nur das Ziel unaufhörlicher Bestrebung ist, KpV 1. T. 2. B. 1. H. (II 139 f.). „Verschiedene Arten zu philosophieren und zu den ersten Vernunftprinzipien zurückzugehen, um darauf mit mehr oder weniger Glück ein System zu gründen, hat es nicht allein gegeben, sondern es mußte viele Versuche dieser Art, deren jeder auch um die gegenwärtige seinVerdienst hat, geben; aberdaesdoch, objektiv betrachtet, nur eine menschliche Vernunft geben kann: so kann es auch nicht viel Philosophieen geben, d. i. es ist nur ein wahres System derselben aus Prinzipien möglich, so mannigfaltig und oft widerstreitend man auch über einen und denselben Satz philosophiert haben mag“, MSR Vorr. (III 5).

Die Philosophie zerfällt, nach der Art ihrer Prinzipien und Begriffe (s. d.) („Naturbegriffe“ oder „Freiheitsbegriff“) in die theoretische als „Naturphilosophie“ und die praktische als „Moralphilosophie“. Die „technisch-praktischen“ Prinzipien (der Kunst und Geschicklichkeit, der Klugheit) gehören noch zur theoretischen, die „moralisch-praktischen“ aber zur praktischen Philosophie, KU Einl. I (II 6 f.). „So weit Begriffe a priori ihre Anwendung haben, so weit reicht der Gebrauch unseres Erkenntnisvermögens nach Prinzipien und mit ihm die Philosophie.“ Der Boden, auf welchem ihr Gebiet errichtet wird, ist immer nur „der Inbegriff der Gegenstände aller möglichen Erfahrung“, ibid. Einl. II (II 9 f.). Das „Feld des Übersinnlichen“, worin wir für uns keinen Boden finden, müssen wir mit „Ideen“ (s. d.) besetzen, denen wir aber nur „praktische Realität“ verschaffen können, ibid. (II 11). Philosophie ist, dem größten Bedürfnis der Menschen nach, „Weisheitsforschung“, Fried, i. d. Ph. 1. Abs. B (V 4, 34). Sie ist „Weisheitslehre“, aber auch „Lehre des Wissens“, ibid. 2. Abs. (V 4, 39). Philosophie als „Lehre einer Wissenschaft“ hat als Werkzeug zu beliebigen Zwecken nur einen bedingten Wert; als „Weisheitslehre“ aber hat sie einen „unbedingten Wert“, denn sie ist „die Lehre vom Endzweck der menschlichen Vernunft, welcher nur ein einziger sein kann, dem alle anderen Zwecke nachstehen oder untergeordnet werden müssen“. Der „vollendete praktische Philosoph“ (ein Ideal) ist der, welcher diese Forderung an sich selbst erfüllt, Vorrede zu R. B. Jachmann, Prüfung der Kantischen Religionsphilosophie (VIII 185).

„Philosophie ist... das System der philosophischen Erkenntnisse oder der Vernunfterkenntnisse aus Begriffen. Das ist der Schulbegriff von dieser Wissenschaft. Nach dem Weltbegriffe ist sie die Wissenschaft von den letzten Zwecken der menschlichen Vernunft. Dieser hohe Begriff gibt der Philosophie Würde, d. i. einen absoluten Wert. Und wirklich ist sie es auch, die allein nur inneren Wert hat und allen anderen Erkenntnissen erst einen Wert gibt.“ Die Philosophie ist in Beziehung auf den Weltbegriff eine „Lehre der Weisheit“, die „Gesetzgeberin der Vernunft“, die „Idee einer vollkommenen Weisheit, die uns die letzten Zwecke der menschlichen Vernunft zeigt“. Die Philosophie ist „die einzige Wissenschaft, die im eigentlichen Verstande einen systematischen Zusammenhang hat und allen anderen Wissenschaften systematische Einheit gibt“. Nach dem Weltbegriffe ist die Philosophie „eine Wissenschaft von der höchsten Maxime des Gebrauches unserer Vernunft“. Sie ist „die Wissenschaft der Beziehung aller Erkenntnis und alles Vernunftgebrauches auf den Endzweck der menschlichen Vernunft, dem, als dem obersten, alle anderen Zwecke subordiniert sind und sich in ihm zur Einheit vereinigen müssen“. Die Philosophie befaßt sich mit vier Grundfragen: „1. Was kann ich wissen? 2. Was soll ich tun? 3. Was darf ich hoffen? 4. Was ist der Mensch?“ (Metaphysik, Moral, Religion, Anthropologie). „Der Philosoph muß also bestimmen können 1. die Quellen des menschlichen Wissens, 2. den Umfang des möglichen und nützlichen Gebrauches alles Wissens, und endlich 3. die Grenzen der Vernunft“, Log. Einl. III (IV 26 f.). Philosophieren läßt sich „nur durch Übung und selbsteigenen Gebrauch“ lernen, Philosophie läßt sich schon deshalb nicht lernen, „weil sie noch nicht gegeben ist“. Die Systeme der Philosophie sind eine „Geschichte des Gebrauches der Vernunft“. Die Philosophie „schließt gleichsam den wissenschaftlichen Zirkel und durch sie erhalten sodann erst die Wissenschaften Ordnung und Zusammenhang“, ibid. (IV 28 f.). Philosophische Erkenntnis ist „spekulative Erkenntnis der Vernunft“, d. h. „Erkenntnis des Allgemeinen in abstracto“, ibid. IV (IV 29).

„Philosophie ist die Gesetzgebung (Nomothetik) der menschlichen Vernunft“, N 4925. Sie besteht aus Metaphysik und Moral, N 4902. „Alle Wissenschaften und Künste lehren die Geschicklichkeit, die Philosophie allein die Grundsätze und Regeln vom Gebrauch aller Geschicklichkeit nach den letzten Beziehungen des Verstandes und des Willens, indem sie den Gegenstand selbst festsetzt und sein Verhältnis zum Menschen“, N 4294. Philosophie ist „nichts anderes als eine praktische Menschenkenntnis“, N 4927. Sie „traktiert das, was in allen menschlichen Erkenntnissen das Selbständige ist und allem zum Grunde liegt“. „Die Philosophie ist die Wissenschaft der Angemessenheit aller Erkenntnisse mit der Bestimmung des Menschen“, N 4970. „Alle Philosophie hat zum Objekt die Vernunft, die Maximen, die Grenzen und den Zweck. Das übrige ist Vernunftkunst“, N 4987. Philosophie als Weisheitslehre hat einen „unbedingten Wert“, denn sie ist „die Doktrin von dem Endzweck der menschlichen Vernunft und ihre Imperative enthalten ein absolutes Sollen in sich, daher sie auch geradezu den Zweck treffen“, Altpreuß. Mth. XIX 438. Vgl. Mathematik (u. Philosophie), Metaphysik, System, Kritik der reinen Vernunft, Transzendentalphilosophie, Philosoph, Friede (philosophischer), Theologie, Religion, Philosophische Fakultät, Praktische Philosophie, Probleme (philosophische).