4. Die übrigen naturphilosophischen Schriften


Nur im Vorübergehen sei dreier weiterer naturphilosophischer Abhandlungen — sämtlich Universitätsschriften — gedacht, die sich auf speziell physikalische Probleme beziehen.

Von ihnen haben wir die Promotionsschrift Deigne (1755) schon mehrfach erwähnt. Sie versucht die Wärmeerscheinungen als Wellenbewegung einer elastischen Äther-Materie zu erklären, demnach aus der Lagerung und den Kraftverhältnissen kleinster Teilchen abzuleiten. Die am 10. April 1756 zum Behufe der Bewerbung um eine Professur (s. oben) erforderliche dritte öffentlich verteidigte lateinische Dissertation: Monadologia physica, führt diese Atom-Theorie weiter. Die Monade (einfache Substanz, ursprünglicher Teil eines Körpers) erfüllt den Raum und bestimmt so der Nachbarmonade das "Maß der Nähe". Der Begriff der Undurchdringlichkeit wird zu dem der Kraft vertieft, da nur eine solche einer anderen Kraft zu widerstehen vermag. So überwindet der Philosoph den widerspruchsvollen Begriff des leeren Raumes. Die Schrift, in der er "Metaphysik", d. h. Leibnizsche Monadenlehre, durch "Geometrie", d. h. Newtonsche Physik, zu verbessern sucht, erregte Hamanns besonderen Beifall. Einer der "Opponenten" war der erst 16jährige Borowski.

Eine neue Weiterbüdung der physikalischen Grundbegriffe erfolgte in dem Osterprogramm 1758: "Neuer Lehrbegriff der Bewegung und Ruhe und der damit verknüpften Folgerungen in den ersten Gründen der Naturwissenschaft". Alle Bewegung, d. h. Ortsveränderung, kann nur relativ sein, in Beziehung auf andere Gegenstände bzw. Bewegungen; ebenso die Ruhe. Daraus werden die Stoßgesetze abgeleitet. Kein Körper, gegen den ein anderer sich bewegt, kann als in absoluter Ruhe befindlich angesehen werden. Es gibt keine besondere Trägheitskraft. Die kurze Abhandlung — es waren nur acht Quartseiten — erregte bei ihrem Erscheinen viel Aufsehen und enthält schon wichtige Grundgedanken der erst 28 Jahre später erschienenen "Metaphysischen Anfangsgründe der Naturwissenschaft". Im Bewußtsein des Neuen, das er mit ihr geleistet, zeigt er denn auch, namentlich in der Vorrede, ein starkes Kraftgefühl gegenüber aller "Autorität" und dem "einstimmigen Urteil der Weltweisen". Er würde sich kaum "wider das entscheidende Gutachten des ehrwürdigen großen Haufens" diejenige Freiheit genommen haben, "die durch nichts weiter als durch — die gesunde Vernunft gerechtfertigt ist". Aber er erblicke eine Menge "unternehmender Köpfe" um sich, die gleichfalls "mit dem Gesetze des Ansehens nichts wollen zu schaffen haben"; und so wage er es darauf hin, seine "Einfälle" zu äußern: "ob ich gleich weiß, dass diejenigen Herren, welche gewohnt sind, alle Gedanken als Spreu wegzuwerfen, die nicht auf die Zwangmühle des Wolffischen oder eines anderen berühmten Lehrgebäudes aufgeschüttet werden, bei dem ersten Anblick die Mühe der Prüfung für unnötig und die ganze Betrachtung für unrichtig erklären werden."

Wir verdanken die als Programmschriften erschienenen Abhandlungen Magister Kants der an sich nicht zu lobenden Zeitsitte, dass in das offizielle Vorlesungsverzeichnis der Universität die Collegien dei Privatdozenten nicht aufgenommen wurden. So waren diese genötigt, ihre Vorlesungen in besonderen Druckschriften anzuzeigen. Anders steht es mit dem letzten naturphilosophischen Werk aus der vorkritischen Zeit.


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