Der Abschluß nach zehnjähriger Arbeit


Gegen 1780 muß das Gefühl immer stärker in ihm geworden sein, dass er das solange schon im Kopfe herumgetragene Werk nunmehr endlich an das Licht der Öffentlichkeit bringen müsse, falls er nicht Gefahr laufen wolle, es überhaupt nicht mehr zu vollenden. Er fürchtete: "ein so weitläufiges Geschäft würde mir bei längerer Zögerung endlich selbst zur Last werden, und meine zunehmenden Jahre ... möchten es mir, der ich jetzt noch das ganze System im Kopfe habe, zuletzt vielleicht unmöglich machen" (an Garve 7. August 1783). Man kann unter solchen Umständen wohl verstehen, dass ihn Freund Hamann bei einem Besuche einige Tage vor seinem 55. Geburtstag "voller Lebens- und Todesgedanken" trifft (H. an Herder, 17. April 1779). Er beschloß deshalb im Sommer 1780, um jeden Preis rasch zu Ende zu kommen und lieber auf Popularität des Stils zu verzichten (an Mendelssohn, 16. Aug. 87). Er strich daher auch die zahlreichen Beispiele und Erläuterungen des bisherigen Entwurfs. "Ich sah die Größe meiner Aufgabe und die Menge der Gegenstände, womit ich es zu tun haben würde, gar bald ein; und da ich gewahr ward, dass diese ganz allein im trockenen, bloß scholastischen Vortrage das Werk schon genug ausdehnen würden, so fand ich es unratsam, es durch Beispiele und Erläuterungen, die nur in populärer Absicht notwendig sind, noch mehr anzuschwellen ..." (Vorrede zur 1. Auflage, S. XII). Er schrieb nun, etwa Mitte 1780 beginnend, um mit seinen eigenen Worten zu reden, "das Produkt des Nachdenkens von einem Zeitraum von wenigstens zwölf Jahren innerhalb etwa 4—5 Monaten, gleichsam im Fluge" nieder.

Die unter Hamanns Vermittlung mit Hartknoch in Riga angeknüpften Verlagsverhandlungen führten Mitte Oktober zum Abschluß. Der Druck, unter Leitung von Spener in Berlin bei Grunert in Halle, begann zwar etwas verspätet, wahrscheinlich erst Januar 1781, ging aber dann sehr schnell vorwärts. Am 6. April erhielt Hamann die ersten 28 Aushängebogen; Bogen 31—47 trafen am 28. April in Königsberg ein. Da das gesamte Werk 55 Bogen umfaßte, wird es Mitte Mai fertig geworden sein und konnte so noch auf die Leipziger Ostermesse kommen, die am Sonntag Cantate (in diesem Jahre am 14. Mai) begann und vier Wochen dauerte. Am 22. Juli erhielt Hamann von Kant das erste gebundene Exemplar. Die Widmung an Minister von Zedlitz trägt das Datum des 29. März. Während der Ausarbeitung hatte er das Werk anscheinend — im Nachlaß findet sich das Bruchstück eines Entwurfes — Lambert zu widmen beabsichtigt, als Dank für die lebhafte Teilnahme, die dieser Denker Jahre lang seinen Untersuchungen bekundet; Lambert war jedoch darüber hinweggestorben (Oktober 1779).

Mit der Vollendung der Kritik der reinen Vernunft tritt Kant in die Zeit seiner Vollreife und zugleich in die Höhezeit seines Wirkens ein.


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