Ruf nach Erlangen und nach Jena
Da traten im Winter 1769/70 zwei ehrenvolle Berufungen von auswärts auf einmal an ihn heran. Die erste, zu Anfang des Wintersemesters, kam von der markgräflichen ansbachischen Universität Erlangen, deren Kurator Minister von Seckendorf durch die Lektüre von Kants 'Beobachtungen' für den fernen Gelehrten begeistert worden war und ihm nun den ersten speziell für theoretische Philosophie (Logik und Metaphysik) gegründeten Lehrstuhl der kleinen Universität anbot. Fünfhundert Gulden Rheinisch, fünf Klafter Brennholz, hundert Taler Reisekosten standen in Aussicht. Kant wollte "die Gelegenheit zu einem kleinen, aber sicheren Glück nicht übereilt ausschlagen" und sagte deshalb vorläufig zu, im Glauben, die definitive Besetzung der Stelle werde erst später erfolgen. Die Erlanger Regierung jedoch war rasch bei der Hand und fertigte ihm bereits am 23. November 1769 das Ernennungspatent aus. Schon herrschte unter der Erlanger Studentenschaft große Freude über des berühmten Lehrers bevorstehendes Eintreffen und glühten "die heißesten Wünsche für Deroselben baldige glückliche Überkunft", wie ihm am 3. Januar 1770 ein Hofmeister Ziegler schrieb, der ihm zugleich im Namen seiner freiherrlichen Zöglinge ein Quartier von vier Zimmern zur Verfügung stellte. Aber der so sehnlich Erwartete erschien nicht; vielmehr statt seiner ein — übrigens schon, ehe er die offizielle Anstellungsurkunde erhalten hatte, von ihm abgefaßtes — Schreiben, das mit der Bitte um "inständigste Entschuldigung" für die verursachte Mühe die Erklärung verband, dass er sich "die zugedachte Ehre und Versorgung gehorsamst verbitten" müsse.
Ein zweiter Ruf kam im Januar 1770 von Jena, wohin ihn ein Landsmann und früherer Schüler, der dortige Theologieprofessor Danovius, im Namen und Auftrag der Serenissimi Nutritores zu ziehen suchte. Freilich könnten sie, die "Durchlauchtigsten Herzöge" von Sachsen, die in ihrer Gesamtheit bekanntlich bis November 1918 die Patrone der Universität Jena gewesen sind, nicht mehr als 200 Taler Fixum für die neu errichtete Stelle eines zweiten Philosophieprofessors bieten; aber er könne sich durch Privatkollegia leicht noch 150 Taler hinzuverdienen, und durch eine "Menge Verleger", die "gute Schriften anzunehmen sich um die Wette bemühen und sie gerne (!) bezahlen", noch weitere Einnahmen verschaffen. Zudem könne man in Jena sehr billig leben. Welch erhebender Gedanke für uns Nachlebende, wenn Kant diesen Ruf angenommen und später mit Goethe und Schiller, Fichte und Herder an demselben Orte im Herzen Deutschlands geweilt hätte! Doch das Geschick hatte es anders beschlossen.