A. Aufklärung

Sulzer, Engel, Nicolai


In näherer Beziehung stand er begreiflicherweise zunächst zu derjenigen Zeitrichtung, die mit ihm im ganzen auf demselben Boden stand oder doch zu stehen glaubte, den Vertretern der Aufklärung, die hauptsächlich in dem schon damals von Hamann als "Hauptstadt Deutschlands" und "Pflegerin der großen Göttin Literatura und des preußischen Geschmacks" bezeichneten Berlin ihren Sitz hatte. Mendelssohn, Marcus Herz, Biester, Lambert haben wir schon erwähnt. In freundlichen Beziehungen stand Kant auch, von seiner Preisbewerbung (1763) her, mit dem Mitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften und moralisierenden Ästhetiker Sulzer' den er in seinen Vorlesungen und Schriften gelegentlich anerkennend zitiert, mit dem er einige Briefe gewechselt und dem er auch einzelne seiner Schriften zugeschickt hat. Ein ähnliches Verhältnis bestand zu den rationalistischen Theologen Spalding, Sack und Süßmilch. Wohl durch Mendelssohn und durch Herzens Freund David Friedländer, der gleichfalls in Königsberg sein Zuhörer gewesen war, kam er dann auch in Korrespondenz mit Professor Johann Jakob Engel, dem Herausgeber der vielgelesenen Zeitschrift 'Der Philosoph für die Welt" die in Erzählungen, Gesprächen, Briefen und Abhandlungen durch verständigen Inhalt und klare Form, ohne die damals weit verbreitete Schönseligkeit und Empfindelei, auf die Masse der Gebildeten zu wirken suchte. Wie sympathisch Engels Art, im Gegensatz zu dem eben damals grassierenden Stil der Kraftgenies, unserem Kant war, geht aus dem Eingang seines Briefes vom 4. Juli 1779 an Engel hervor: "Es ist mir so angenehm als schmeichelhaft, mit einem Mann in einige Gemeinschaft literarischer Beschäftigungen zu treten, der unter den wenigen, die bei dem überhandnehmenden Verfall des guten Geschmacks durch echte Muster der Sprachreinigkeit, der Naivetät und der Laune die Ehre Deutschlands noch zu erhalten suchen, sich so vorteilhaft auszeichnet." Er gab ihm deshalb auch, und zwar unter Ablehnung jedes Honorars, seine Abhandlung über die Menschenrassen (S. 214) in erweiterter Gestalt zur Veröffentlichung (Anfang 1778) und stellte in dem nämlichen Brief für später eine Fortsetzung in Aussicht. Der Stoff sei reichhaltig und populär, und "vor langweilige Wiederholungen des von mir und anderen schon Gesagten, vor windigte Hypothesen oder auch eine scholastische Trockenheit" brauche Engel "sich nicht zu fürchten". Infolge der drängenderen philosophischen Arbeit ist es dann doch erst 1785 zu dieser Fortsetzung, in einer anderen Zeitschrift, gekommen.

Zu dem eigentlichen Haupte der Berliner Aufklärung, freilich in ihrer flachsten Gestalt, Friedrich Nicolai dagegen und seiner, im Jahre 1775 sogar durch einen Beschluß des preußischen Staatsrats offiziell für "ein nützliches Werk" erklärten 'Allgemeinen Deutschen Bibliothek', ist Kant in kein näheres Verhältnis getreten, obwohl Hamann ihn schon 1763 Nicolais Freund Mendelssohn als einen Mann empfohlen hatte, "der die Wahrheit eben so sehr als den Ton der guten Gesellschaft liebt" (H. an Lindner, 26. Januar 1763). Seinerseits ehrte Nicolai den Philosophen dadurch, dass er dessen — übrigens nach des Porträtierten Urteil nicht besonders gelungenes — Bild auf M. Herz' Vorschlag vor den 20. Band seiner Zeitschrift setzte; wofür der bescheidene Kant dankte, nicht ohne zu bemerken, dass er selbst, der "alle Zudringlichkeit zum öffentlichen Rufe, welcher nicht eine natürliche Folge von dem Maße des Verdienstes ist, vermeide", es lieber nicht gesehen hätte (an Nicolai, 25. Oktober 1773)*). Am 26. Februar 1778 verspricht er allerdings dem rührigen Manne auf dessen besondere Aufforderung, für seine A. D. B. unter seinen Bekannten Abonnenten werben zu wollen; Mitarbeiter aber ist er an Nicolais 'Bibliothek', die übrigens nur längere und kürzere Besprechungen aus allen Literaturgebieten, keine selbständigen Abhandlungen brachte, ebensowenig geworden wie Lessing.

 

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*) Ein weiteres Beispiel von Kants Bescheidenheit aus dieser Zeit. Herder hatte in einem Aufsatze der Kanterschen Zeitung aus dem Februar geschrieben: "Und Philosophie, die Pflegerin Deutschlands, sie schläft. Ihr Mendelssohn und Sulzer kranken: ihr Liebling, vielleicht mehr als beide, Kant ruhet." Kant aber, der damals bei Kanter wohnte und das Manuskript vor dem Druck sah, strich die Worte "vielleicht mehr als beide".


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