§ 79. Dilemma


Ein Dilemma ist ein hypothetisch-disjunktiver Vernunftschluß; oder ein hypothetischer Schluß, dessen Consequens ein disjunktives Urteil ist. — Der hypothetische Satz, dessen Consequens disjunktiv ist, ist der Obersatz; der Untersatz bejahet, daß das Consequens (per omnia membra) falsch ist und der Schlußsatz bejahet, daß das Antecedens falsch sei. — (A remotione consequentis ad negationem antecedentis valet consequentia.)

Anmerk. Die Alten machten sehr viel aus dem Dilemma, und nannten diesen Schluß Cornutus. Sie wußten einen Gegner dadurch in die Enge zu treiben, daß sie alles hersagten, wo er sich hinwenden konnte und ihm dann auch alles widerlegten. Sie zeigten ihm viele Schwierigkeiten bei jeder Meinung, die er annahm. — Aber es ist ein sophistischer Kunstgriff, Sätze nicht geradezu zu widerlegen, sondern nur Schwierigkeiten zu zeigen; welches denn auch bei vielen, ja bei den mehresten Dingen angeht.

Wenn wir nun alles das sogleich für falsch erklären wollen, wobei sich Schwierigkeiten finden: so ist es ein leichtes Spiel, alles zu verwerfen. — Zwar ist es gut, die Unmöglichkeit des Gegenteils zu zeigen; allein hierin liegt doch etwas Täuschendes, wofern man die Unbegreiflichkeit des Gegenteils für die Unmöglichkeit desselben hält. — Die Dilemmata haben daher vieles Verfängliche an sich, ob sie gleich richtig schließen. Sie können gebraucht werden, wahre Sätze zu verteidigen, aber auch, wahre Sätze anzugreifen, durch Schwierigkeiten, die man gegen sie aufwirft.


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