Eng. (Musik) Man nennt die Harmonie enge, wenn die zu einem Akkord gehörigen Töne nah an einander liegen und weit oder zerstreuet, wenn sie weit aus einander liegen. In der im Artikel Dreiklang befindlichen Tabelle der Dreiklänge1, sieht man bei a, b, c, den Dreiklang in der engen und bei d, e, f, g, in der zerstreuten Harmonie.
Bei den zur Harmonik gehörigen Lehren und Regeln werden die Intervalle, in welcher Oktave sie liegen mögen, für gleich gehalten und bekommen auch dieselben Namen, z. B. e wird die große Terz von C genannt, es sei dass man es in derselben Oktave nehme, da C liegt oder eine, zwei und noch mehr Oktaven höher, so dass die Terz eines Tones drei oder zehn oder siebenzehn oder vier und zwanzig etc. diatonische Stufen von ihrem Grundton entfernt sein kann. So bald man aber auf den wirklich vielstimmigen Gesang sieht, so ist es gar nicht mehr gleichgültig, ob die Stimmen weit aus einander oder nah an einander liegen; denn wenn der Gesang die beste Wirkung tun soll, so müssen seine verschiedenen Stimmen innerhalb gewissen Grenzen liegen, die sie weder durch Annäherung noch durch Entfernung überschreiten sollen; und eben dieses hat auch in Ansehung der Orgeln oder Klaviere, die man zur Begleitung braucht, statt.
Die Grenzen der Annäherung und der Entfernung scheinen von der Natur in dem Ursprung des harmonischen Klanges festgesetzt zu sein. Man nehme die im Artikel Konsonanz2 befindlichen Notensysteme vor sich, und bemerke, was im Art. Klang gezeigt worden, dass bei Anschlagung des tiefsten Tones alle auf den beiden Systemen angezeichneten Töne mitklingen und dass eigentlich diese Töne zusammen den Klang des tiefsten Tones ausmachen. Man kann hieraus lernen, 1) dass zwischen dem tiefsten Ton oder dem, durch den begleitenden Bass angeschlagenen Grundton und seiner Oktave kein anderer Ton liegen müsse. 2) Dass der völlige Dreiklang seinen natürlichen Sitz in der dritten Oktave von dem Grundton habe, da in der zweiten Oktave die Quinte des Grundtons oder vielmehr seine Duodezime allein vorkommt.
Aus dieser von der Natur angegebenen Beschaffenheit des harmonischen Klanges, lässt sich abnehmen, dass in diesen Beispielen die Harmonie bei a die natürlichen Grenzen der Entfernung, bei b aber die Grenzen der Annäherung überschreite.
Überhaupt also scheinen so wohl für die Stimmen als für die begleitende Harmonie, folgende Regeln in der Natur gegründet.
1) Dem tiefsten Basston kann kein Ton näher als auf eine Oktave kommen. So würde z. B. auf einer Orgel, die ein Pedal von 16 Fuß hat, diese Begleitung angehen: Wo aber der tiefste Ton eine Oktave höher und also von 8 Fuß genommen würde, so müssten die übrigen Stimmen alle auch höher genommen werden, wie hier: 2) In der kleinen oder sogenannten ungestrichenen Oktave3 können die Töne, wenn der Grundton in der großen Oktave liegt, nicht wohl näher als eine Quarte an einander liegen; ist aber noch ein tieferer Bass vorhanden, so können sie auch schon bis auf Terzen an einander kommen. Also wäre in dem nächst vorhergehenden Beispiel die Terz H, schon um eine Oktave zu niedrig und um die ganze Harmonie so zu nehmen, wie sie hier liegt, müsste man schon den tiefsten Ton eine Oktave tiefer nehmen.
3) Hohe konzertierende Stimmen oder hohe Solostimmen können nicht einen tiefen Bass zur Begleitung haben. Der begleitende Bass kann sich überhaupt von den konzertierenden Stimmen oder von der Solostimme nicht weiter als bis in die zweite Oktave entfernen; ihm aber auch nie näher kommen als bis auf eine Oktave. Nur wenn Mittelstimmen vorhanden sind, kann sich der Bass von den Hauptstimmen noch um eine Oktave tiefer entfernen.
Eine sorgfältige Beobachtung der engen oder entfernten Harmonie trägt sehr viel dazu bei, dass in einem vielstimmigen Stück sich jede Stimme gehörig ausnimmt und dass das Ganze schön wird.
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1 S. 280 .
2 S. 224 .
3 S. System.