Erklärung. (Beredsamkeit) Erklären ist so viel als klar oder verständlich machen; so dass die Erklärung überhaupt ein solcher Teil der Rede ist, wodurch etwas klar gemacht wird. Man braucht aber das Wort besonders von den Fällen, wo der genaue Sinn eines Wortes klar oder wo der Begriff, den das Wort ausdrückt, deutlich gemacht wird. Im ersten Fall erklärt man das Wort oder den Namen der Sache, im anderen Fall den Begriff.
Die Redner brauchen beide Arten der Erklärungen, wie die Philosophen, aber nicht so oft, weil sie nicht in dem Fall sind, die ersten Begriffe aller Sachen, wovon sie reden, festzusetzen, wie diejenigen Philosophen, welche für Personen schreiben, die Wissenschaften erlernen wollen. Der Redner spricht selten oder vielleicht gar nie von Materien, die seinen Zuhörern ganz unbekannt sind und davon er ihnen die Begriffe erklären müsste. Er würde sich daher sehr lächerlich machen, wenn er den steifen Vortrag des Philosophen, jede Materie durch Vorausschickung der Erklärung der dabei vorkommenden Begriffe anzufangen, nachahmen wollte, wie ehedem einige unverständige Redner und Schriftsteller in Deutschland als die Wolffische Methode zu philosophieren noch neu war, getan haben. Doch muss man auch auf der anderen Seite nicht denken, dass der Redner nie erklären dürfe: es kommen Fälle vor, wo die Erklärungen ihm höchst wichtig sind. Die Betrachtung dieser Fälle und wie der Redner mit der Erklärung verfahren soll, gehören also in die Rhetorik.
Es ist an seinem Ort1 angemerkt worden, dass die Erklärungen unter die Beweisgründe gehören. Sie werden dem Redner notwendig, wenn das, was er zu beweisen hat, aus genauer Entwicklung und Gegeneinanderhaltung der Begriffe kann erhärtet werden. In den beweisenden Reden kommt es meistenteils darauf an, dass gezeigt werde, ob ein gewisser allgemeiner Begriff auf eine besondere Sache, auf eine Person, eine Tat, ein Unternehmen, angewendet werden könne oder nicht. Dieses kann selten geschehen, ohne dass der allgemeine Begriff durch die Erklärung bestimmt und entwickelt werde. Der Redner muss also, wie der Philosoph, eine Fertigkeit im Erklären besitzen. Was hierzu gehöre und wie man dazu gelange, wird in der Vernunftlehre gezeigt.
Nicht nur in den Hauptbeweisen, sondern auch gar oft in Nebensachen, hat der Redner Erklärungen nötig, um zu zeigen, dass das worauf er dringt schon wirklich in den Begriffen seiner Zuhörer liege und also ohne Widerspruch nicht könne verworfen werden. Er hat tausend Gelegenheiten auf Namenerklärungen zurück zuführen, die ihm weit größere Dienste tun als dem Philosophen. Dieser braucht sie bloß um verständlich zu sein; der Redner aber wendet sie zur Überredung an. Diese entsteht meistenteils aus der Klarheit sinnlicher Begriffe, die gar oft bloß der Erfolg einer etymologischen Erklärung ist. Die meisten Wörter aller Sprachen sind Metaphern, auf deren Ursprung man selten zurückdenkt. Man braucht sie also meistenteils als bloße Töne, die abgezogene Begriffe bezeichnen, da sie doch im Grunde Bilder sind, die dem anschauenden Erkenntnis richtige Begriffe der Sachen geben. Wer weiß, dass das Wort Ehe ursprünglich ein Gesetz bedeutet, der kann bloß durch eine etymologische Erklärung gewisse Vorurteile bestreiten. Er kann bloß dadurch begreiflich machen, dass diese Verbindung gesetzmäßig sein müsse. Diese Erklärungen sind in der Beredsamkeit um so viel wichtiger, weil sie durch ihre Neuigkeit überraschen und weil sie abgezogene Begriffe plötzlich in sinnliche verwandeln.
Bei dem Vortrag der Erklärung verfährt der Redner allgemein ganz anders, als der Philosoph. Denn so wie dieser einen Vernunftschluss in sehr wenig Worten vorträgt, da der Redner oft eine große Rede daraus macht 2, so wendet dieser auch bisweilen einen Hauptteil der Rede dazu an, dass er die Erklärung des Begriffs, worauf die Hauptsache ankommt, weitläufig ausführt und bestätiget. Andre male hingegen ist er darin kürzer als der Philosoph, weil er mit einem ein zigen Wort und wie im Vorbeigehen, den Zuhörer mehr an die wahre Bedeutung des Wortes erinnert, als durch eine förmliche Erklärung davon unterrichtet.
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1 Art. Beweisgründe. S. 163 .
2 S. Beweisarten S. 161 .