Ekel, Ekelhaft

Ekel. Ekelhaft. (Schöne Künste) Einige unserer Kunstrichter haben es zu einer Grundmaxime der schönen Künste machen wollen, dass nie etwas Ekelhaftes in einem Werk soll vorgestellt werden.1 Allein bei näherer Untersuchung der Sachen findet man dieses Verbot nicht nur an sich ungegründet, sondern auch von den größten Meistern der Kunst übertreten. Zwar müssen alle, die das Wesen der schönen Künste in der Nachahmung der schönen Natur suchen oder die das Gefallen oder das Ergötzen zum letzten Endzweck derselben machen, diese Grundmaxime gelten lassen, weil das Ekelhafte weder schön noch gefällig ist. Soll aber der Künstler sich darin als ein Nachahmer der Natur zeigen, dass er, wie sie, durch Vergnügen zum Guten anlocke und durch Missvergnügen und Widrigkeit vom Bösen abhalte, so muss er sich aller Arten des Widrigen und also auch des Ekelhaften bedienen, so wie seine Lehrmeisterin, die Natur es getan hat. Man kann gewiss annehmen, dass die Dinge, für welche der Mensch einen natürlichen Ekel hat, etwas Schädliches an sich haben und dass das Gefühl des Ekels das Mittel ist, uns von schädlichen Dingen abzuhalten.

 Darin also kann der Künstler ohne alles Bedenken dieser großen Lehrmeisterin nachahmen, dasjenige mit Ekel zu belegen, wovon die Menschen müssen abgeschreckt werden. Also hat sich Hogarth als ein wahrer Künstler gezeigt, da er in seinen Kupferstichen, Harlots-Progress, manches wirklich Ekelhaftes eingemischt hat. Eben so wenig ist auch Homer zu tadeln, dass er uns von den ruchlosen Zyklopen ein ganz ekelhaftes Bild macht;2 oder Äschylus , dessen Eumeniden auch gewiss nicht ohne Ekel gesehen worden sind. Auch ist es wohl niemand eingefallen den Poußin zu tadeln, dass er in der Vorstellung der Krankheit der Philister, die sich an der Lade des Bundes vergriffen, einiges Ekelhaftes mit eingemengt hat.

 Freilich muss man sich nicht, wie schwache Köpfe wirklich bisweilen getan haben, das Ekelhafte bloß darum wählen, um die Kunst einer genauen Nachahmung zu zeigen. Zum Vergnügen und zur Ergötzung müssen angenehme Gegenstände gewählt werden; aber zur Abschreckung, wo diese nötig ist, dient so wohl das Hässliche als das Ekelhafte; daher dann in der Tat beides von den größten Meistern wirklich gebraucht worden ist.3

 

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1 S. Briefe über die neueste Literatur V. Teil.

2 Odyss. I. vs. 373, 374.

3 Man sehe was im Artik. Entsetzen hierüber erinnert worden.

 


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