Ernsthaft

Ernsthaft. (Schöne Künste) Wenn der Mensch ernsthaft ist, so richtet er eine sorgsame Aufmerksamkeit auf die Gegenstände, die ihn in diese Gemütsfassung setzen. Denn die Ernsthaftigkeit scheint die Wirkung solcher Vorstellungen zu sein, die wir für wichtig halten, und dabei zugleich etwas zu besorgen ist. Eine ernsthafte Gemütslage kann demnach zur gewissen Wirkung der Werke der Kunst viel beitragen. Darum hat der Künstler bei wichtigen Vorstellungen sich zu bemühen, dass sie sich gleich durch einen ernsthaften Ton ankündigen.

 Der Maler unterstützt die Ernsthaftigkeit seines Inhalts durch einen strengen Ton, wodurch die schönen und hellen Farben ihren Glanz, die sanften ihre Annehmlichkeit verlieren. Dadurch allein schon kann er das Auge zu ernsthafter Betrachtung des Gegenstandes reizen, so wie ein schwarzer und trauriger Himmel uns in ernsthafte Erwartung eines Gewitters setzt. Der Tonsetzer wird ernsthaft durch einen schweren Gang der Bewegung; durch häufige und schwere Vorhalte1, durch plötzliche und ungewöhnliche Ausweichungen, durch chromatische Fortschreitungen und durch Vermeidung lieblicher melismatischer Verzierungen. Der Redner durch schwere volltönende Worte; durch häufige Ausrufungen und Anreden, durch Beschwerungen und Eidschwüre, dergleichen man sowohl beim Demosthenes als in den so genannten Philippischen Reden des Cicero sehr oft antrift.2 Der epische Dichter unterhält seinen Leser durch den ernsthaften und bisweilen feierlichen Ton und Gang seines Verses, fast durchaus in der Ernsthaftigkeit. Und wenn er das Ernsthafte auf das höchste treiben will, so mischt er fürchterliche Nebenbegriffe ein. Beides Ton und Begriffe sind in folgender Stelle höchst ernsthaft.

        –– –– Bald stand er voll Tiefsinn, Bald sah' er überall langsam herum und setzte sich wieder Wie auf hohen unwirtlichen Bergen drohende Wetter Langsam und Verweilend sich lagern; so saß er und dachte.3

Das Ernsthafte bei kleinen und verächtlichen Gegenständen macht eine Art des Scherzhaften und Lächerlichen aus und kann also beim Spott sehr gute Wirkung tun; denn nichts ist possierlicher als ein ernsthafter Ton der läppischen Gegenständen. Wer kann sich des Lachens enthalten, wenn Scarron in einem ernsthaften Ton sein zerrissenes Kleid besingt? Er vergleicht es mit den ägyptischen Pyramiden, die er also anredet:

Superbes monumens –– ––

Par l'injure des ans, vous êtes abolis.

          –– –– –– ––

Il n'est point de ciment que le tems ne dissoude Si vos marbres si durs ont senti son pouvoir Dois je trouver mauvais qu'un mechant pourpoint noir Qui m'a duré deux ans soit percé par le coude.

 

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1 S. Vorhalt, auch Dissonanz

2 Nur ein Beispiel aus hunderten, die Cicero geben könnte. Proh Dii immortales! Ubi est ille mos, virtusque Majorum? – – An ego ab eo mandata acciperem, qui senatus mandata contemneret? aut ei cum senatu quidquam commune judicarem, qui Imperatorem Pop. Rom. senatu prohibente obsideret? At quæ mandata? arrogantia! Quo stupore! Quo spiritu? Philip. VIII. 8.

3 Meßias II Ges.

 


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