Entwurf

Entwurf. (Schöne Künste) Ein Werk das nur nach seinen Hauptteilen zusammengesetzt, in keinem einzeln Stück aber ausgearbeitet worden, so dass darin nichts als die Vereinigung der Hauptteile ins Ganze zu sehen ist. Dem Entwurf muss die Erfindung des Ganzen und der dazu gehörigen Hauptteile vorhergehen. Er ist die erste sichtbare Darstellung des ganzen Werks und wird zu dem Ende vorgenommen, dass man von der Vollkommenheit des Ganzen ein sicheres Urteil fällen könne, ehe jeder einzelne Teil ausgearbeitet wird.

 In der Rede ist die Anordnung der Hauptsätze, wodurch der Endzweck der Rede erhalten wird, der Entwurf. Wenn der Redner diese Sätze ohne Ausführung und Beweise derselben, ohne die Übergänge, welche die Verbindungen anzeigen, kurz hinschreibt; so hat er seine Rede entworfen. So entwirft der Maler sein Gemälde, wenn er die Hauptgegenstände in der Ordnung oder Verbindung, wie er sie in der Phantasie sich vorstellt, anzeigt und obenhin zeichnet, ohne auf die Ausführung der Zeichnung dabei zu achten. Der Dichter entwirft ein Trauerspiel, wenn er die Hauptumstände der Handlung der Ordnung nach anmerkt.

 Bei jedem Entwurf muss demnach die Hauptaufmerksamkeit beständig auf das Ganze gerichtet sein, damit man sehe, wie jeder Hauptteil darauf abziele, da man bei der Ausarbeitung seine Gedanken hauptsächlich auf die Vollkommenheit der Teile richtet. Und hieraus erhellt die Notwendigkeit, dass ein Künstler sein Werk entwerfe, eh' er es ausführt. Denn die Aufmerksamkeit, die er bei der Ausführung auf so viel einzelne Dinge richtet, welche unmittelbar nur die besonderen Teile angehen, würde notwendig die, welche er dem Ganzen schuldig ist, schwächen.

 Ohne den Entwurf wird der Künstler gar oft bei der Ausführung einzelner Teile eine unnütze Arbeit vornehmen, indem es sich vielleicht finden wird, dass die schon sorgfältig ausgearbeiteten Sachen wieder müssen verworfen werden, weil sie zum Ganzen nicht passen. Der Entwurf dient auch dazu, dass die gemachte Erfindung, die man leicht wieder verlieren könnte, dadurch festgehalten wird.

 Aus allen diesen Ursachen ist dem Künstler zu raten, dass er sich angewöhne, jedes Werk, nachdem er es in seinem Kopf erfunden und angeordnet hat, so flüchtig und geschwind zu entwerfen als ihm möglich ist. Die geringste Zerstreuung der Aufmerksamkeit, die er auf das Ganze bei der Zusammensetzung gerichtet hat, kann ihm einige Teile in der Phantasie auslöschen, die er vielleicht danach nicht wieder findet. Es geschieht oft, dass man, ohne Vorsatz, durch gegebene Gelegenheiten oder zufällige Verbindungen gewisser Vorstellungen in glücklichen Augenblicken Dinge von großer Schönheit erfindet. Diese glücklichen Augenblicke muss der Künstler nicht versäumen. Er muss sogleich das, was er erfunden hat, entwerfen, wenn er auch gleich nicht alsbald einen Gebrauch davon machen könnte; sonst läuft er Gefahr, dass das schöne Ganze, welches sich so glücklicher als zufälliger Weise in seiner Phantasie gebildet hat, plötzlich wieder verschwindet oder dass sich wenigstens Hauptteile daraus verlieren, deren Mangel die ganze Erfindung vernichtet.

 Dazu ist gut, dass ein Künstler sich eine schnelle Art zu entwerfen angewöhne, damit er, wenn seine Einbildungskraft glücklich erhitzt ist, sogleich sich dies Feuer zu Nutze mache, eh' es auslöscht. Von diesen glücklichen Augenblicken sind in dem Art. Begeisterung verschiedene hierher gehörige Anmerkungen.

 Damit aber der Künstler eine desto größere Fertigkeit im schnellen Entwerfen erlange, so muss er sich fleißig darin üben. So oft ihm eine gute Erfindung einfällt, so entwerfe er dieselbe, wenn er gleich sich nicht vorgesetzt hat, das Werk auszuführen, nur damit er sich auf künftige Fälle übe.

 Dieses tun alle großen Meister und daher kommen diese häufigen, bloß flüchtig gezeichneten Entwürfe der besten Maler, die man in den Kabinetten der Liebhaber findet und die niemals in wirklich aus geführten Gemälden angetroffen werden. Dergleichen Entwürfe, wenn sie von großen Meistern sind, werden oft höher geschätzt als ausgeführte Arbeiten, weil das ganze Feuer der Einbildungskraft darin anzutreffen ist, das oft in der Ausführung etwas geschwächt worden. Der Entwurf ist das Werk des Genies, die Ausarbeitung aber ist vornehmlich das Werk der Kunst und des Geschmacks.

 


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