Farben. (Malerei) In der Malerei müssen die Farben, aus deren Zusammensetzung das Gemälde entsteht, in einem doppelten Gesichtspunkt betrachtet werden; als Materien, deren körperliches Wesen auf die Wirkung und Dauer des Gemäldes einen beträchtlichen Einfluss hat; und dann als bloßes Licht, das durch die Mannigfaltigkeit seiner Färbung den Künstler in Stand setzt, die Farben eines jeden sichtbaren Gegenstandes nachzuahmen.
In dem ersten Gesichtspunkt betrachtet, sind die Farben zum Gemälde, was die Materialien, Holz, Stein und Kalk dem Gebäude sind. Die Maler schreiben auch ihren Farben mehr oder weniger Körper zu, nachdem sie mehr oder weniger davon nehmen müssen, um eine gewisse Wirkung davon zu erhalten. Weil man z. B. mit sehr wenig Bleiweiß mehr ausrichtet als mit viel Kreide, so sagt man, jenes habe mehr Körper.
Der Maler hat also eine gute Kenntnis des Körperlichen der Farben nötig; eines Teils, damit er so wohl in der Arbeit besser fortkomme und die Wirkung der Farben leichter erhalte als auch um anderen Teils seiner Arbeit eine längere Dauer zu geben. Es gibt Farben, womit man mit einem Pinselstrich mehr ausrichtet als mit öfterer Überarbeitung durch andere Farben; und so gibt es auch Farben, die in den Ge mälden sehr lange beinahe dieselbe Kraft behalten, die sie von Anfang gehabt haben, da andere sich gar bald ändern, es sei, dass sie ausblaßen oder dass sie dunkler werden. Zwar kommt ein Teil dieser verschiedenen Wirkungen von der Behandlung des Malers her; viel aber kommt auf die körperliche Natur der Farben an. Der angehende Maler, der das Glück hat, seine Kunst von einem guten und aufrichtigen Meister zu lernen, kommt ohne große Mühe zur Kenntnis der körperlichen Eigenschaften der Farben. Aber mancher Lehrer ist zurückhaltend, auch wohl neidisch und manch vortrefliches Genie fällt einem schlechten Lehrmeister in die Hände; und in diesem Fall muss seine eigene Beobachtung sein Lehrer sein. Es ist überhaupt gut, dass der Maler seine ältesten Arbeiten sehr oft wieder ansehe, um die darin allmählich sich äussernden Veränderungen der Farben zu beobachten. Er kann sich auch dadurch etwas helfen, dass er Probegemälde macht und sie an die Sonne und an die offene Luft setzt, um das Veränderliche der Farben kennen zu lernen. Großen Vorteil wird ihm, wenn er nur die Gelegenheit dazu hat, eine fleissige Beobachtung der Werke der besten alten Meister geben, deren Arbeiten schon ein oder ein Paar Jahrhunderte hinter sich haben. Vorzüglich können bloß angelegte Gemälde alter Meister hierin lehrreich sein, weil man mit ziemlicher Gewissheit die eigentli chen Farben, die sie gebraucht haben, noch erkennen kann. Auf diese Weise kann der Maler zur Kenntnis des Festen und Dauerhaften der Farben kommen.
Ihren Wert, in Absicht auf die Bearbeitung selbst, das mehr oder weniger Körperliche in ihnen, die Eigenschaft, durch ihre Einmischung in andre, diesen aufzuhelfen oder sie zu verderben, ihre Stärke durch andre Farben durchzudringen oder nur als schwache, durchsichtige Decken anderer Farben nützlich zu sein, wird der Künstler nie anders als durch genaues Nachdenken und Beobachten, währender Arbeit selbst kennen lernen. Der scharfsinnigste und nachdenkendste Kopf kommt hierin natürlicher Weise am weitesten. Der Maler muss das Genie eines Naturforschers haben, um jede körperliche Veränderung wahrzunehmen und mit Scharfsinnigkeit ihre Ursache zu entdecken. Ohne dieses Genie ist es nicht wohl möglich, ein guter Koloriste zu werden.
In Ansehung der Bestandteile sind die Farben entweder Erdfarben oder Gattungen gefärbter, von der Natur erzeugter Erden, wie der Ocher, die grüne, braune, rote Erden; und diese sind gemeiniglich, wiewohl mit Unterschied, die beständigsten und die auch am meisten Körper haben; oder chimische Farben, die durch die Chymie aus metallischen Materien verfertigt worden. Diesen ist nicht allemal zu trauen, weil sie nicht nur oft selbst etwas scharfes, beißen des an sich haben, wodurch sie anderen Farben, mit denen sie vermischt werden, schädlich sind, sondern auch selbst von den in der Luft befindlichen mineralischen Ausdünstungen angegriffen werden, wiewohl es auch sehr schöne und höchst dauerhafte Farben dieser Art gibt. Endlich hat man auch Farben, die durch Zubereitung aus den animalischen und vegetabilischen Körpern verfertigt werden. Allein eine umständliche Beschreibung dieser Gegenstände gehört nicht hierher. Wer ausführlichere Nachrichten über die Farben sucht, der wird sie unter anderen in Dom Pernetys am Rand angezeigten Werke finden.1
Weit wesentlicher zur Kunst dient die Betrachtung der Farben, insofern man sie als gefärbtes Licht ansieht, womit man jedem gezeichneten Gegenstand das Ansehen eines in der Natur vorhandenen Körpers geben kann. Die Farben selbst, womit die Natur die Körper bemahlt hat, sind von unendlicher Mannigfaltigkeit und es ist völlig unmöglich, sie alle zu nennen oder auch nur zu zählen. Dann verursachen die verschiedenen Grade der Stärke des auffallenden Lichts, die Entfernung vom Auge, der Ton der Luft und die Wiederscheine bei jeder Farbe, wieder mannigfaltige Abänderungen. Dem ersten Anscheine nach ist gar keine Hofnung vorhanden, dass die Kunst des Kolorits auch nur einigermaßen in Regeln zu fassen sein könnte. Dennoch haben wir Gemälde, darin die Natur bis auf einen hohen Grad der Täuschung nachgeahmt ist. Man muss also die Hofnung nicht aufgeben, diesem Teil der Kunst durch bestimmte und sichere Vorschriften weiter aufzuhelfen.
Den Anfang dazu muss man notwendig von einem Verzeichnis aller Farben machen, damit jede zu nennen sei und von der Bestimmung der verschiedenen Modificationen, denen ein und eben dieselbe Farbe unterworfen ist, ohne ihre eigentliche Färbung zu ändern. Ausser den ersten Versuchen, die da Vinci zu einer solchen Theorie gemacht hat und die binnen zwei hundert Jahren von keinem Maler fortgesetzt oder erweitert worden, haben zwei scharfsinnige Philosophen und Naturforscher seit kurzem den Weg dazu etwas genauer gebahnt. Wir wollen die noch wenig bekannten Versuche über diese Sache hier anzeigen.
Es ist also zuerst die Frage, in wie weit es möglich sei, alle in der Natur vorkommenden Farben natürlicher Körper in ein Verzeichnis zu bringen und gleichsam dem Maler auf seine Platte zu legen, damit er allemal die rechte wählen könne? Den ersten Versuch zur Auflösung dieser Aufgabe hat da Vinci gemacht2; der berühmte Astronomus Mayer in Göttingen aber, der vor einigen Jahren zu großem Schaden der Wissenschaften verstorben ist, viel weiter fortgesetzt. Doch ist zu bedauren, dass die Abhandlung von dieser Sache, die er der göttingischen Gesellschaft der Wissenschaften vorgelesen, bis jetzt ungedruckt geblieben ist. Folgendes wird einen Begriff von der Mayerischen Methode geben.
Er nimmt drei Grundfarben an, aus welchen er alle übrigen heraus zu bringen sucht. Diese Grundfarben sind das Rote, das Gelbe und das Blaue, jedes von der Art, wie sie in dem Regenbogen erscheinen oder in dem durch ein Prisma gebrochenen Bild der Sonne. Zu Folge einiger Versuche setzt er zum voraus, dass der Unterschied zweier Farben von derselben Gattung, die um weniger als den zwölften Teil des Zusatzes, von dem die Verändrung herkommt, unterschieden sind, für unser Auge nicht mehr merklich sei. Dieses ist so zu verstehen. Man mische unter das reine Rot, das eine der drei Grundfarben ist, den zwölften Teil Gelb, so entsteht daher eine Farbe, die sich von der Grundfarbe etwas entfernt. Mischt man etwas mehr als den zwölften Teil gelbes darunter, so entsteht eine andere rote Farbe. Nun nimmt man an, dass die auf einander folgenden, aus rot und gelb gemischten Farben, nicht merklich von einander abweichen als wenn der Unterschied von einer gegen die andre einen zwölften Teil gelber Farbe betrift.
Durch diese Voraussetzung wird auf einmal die Anzahl der Farben beinahe völlig bestimmt und man kann alle wirklich verschieden scheinenden Gattun gen der Farben in ein Dreiek bringen, wovon folgendes zur Probe dienen kann. u. s. f. Man stelle sich vor, dass hier in dem obersten kleinen Vierek, das mit r12 bezeichnet ist, die ursprüngliche hauptrote Farb stehe, die nach und nach mit einem, zwei, drei Teilen des ursprünglichen Blauen versetzt werde und dass die aus diesen Mischungen entstehenden Farben, in die unter einander stehenden Viereke aufgetragen würden, so dass das zweite Vierek mit der Farbe bemahlt wäre, die aus eilf Teilen rot und einem Teil blau gemischt ist; das dritte Vierek mit der Farbe, die aus 10 Teilen rot und zwei Teilen blau besteht u. s. f. Das vorlezte Vierek in dieser Reihe würde demnach r1 b11 und das lezte b12 sein.
Dadurch erhält er 91 verschiedene Mischungen die ser drei Farben, die alle, weil weder weiß noch schwarz darunter gemischt ist, einerlei Grad des Lichts und der Lebhaftigkeit haben. Hierauf schlägt er vor, mit jeder dieser 91 Mischungen, dem Weissen und dem Schwarzen wieder so zu verfahren, wie mit den drei Hauptfarben. Auf diese Weise würde man 91 dreieckigte Tafeln bekommen, jede Tafel in 91 Viereke eingeteilt und jedes Vierek mit einer besonderen Farbe bemahlt, welche Farben zusammen alle möglichen, unserem Auge zu unterscheidenden Haupt- und Mittelfarben wie in einem Verzeichnis enthielten.
Herr Lambert3 merkt aber sehr wohl an, dass in dieser Sache noch einige Ungewissheiten übrig sind; die eins Teils daher kommen, dass man nicht weiß, ob der zwölfte Teil der Farbe nach Maß oder nach Gewicht zu bestimmen ist; anderen Teils, weil es noch zweifelhaft scheint, ob die Stärke der Farben allemal genau durch das Verhältnis der Teile der Grundfarben bestimmt werde. Ferner merkt er an, dass auch noch unausgemacht ist, ob die Farben, in Ansehung des Hellen und Dunkeln, sich auch nur durch 12 merkliche Grade unterscheiden oder ob man deren mehr machen müsse.
Ohne Zweifel würde die Malerei durch die Mayerischen Dreieke viel gewinnen und die großen Koloristen würden dadurch auch in den Stand gesetzt werden, anderen ihr Verfahren bei der Farbengebung leichter und bestimmter zu beschreiben. Indessen würde man doch zu viel davon erwarten, wenn man glaubte, dass dann alle Regeln des Kolorits ganz bestimmt, wie die Regeln der perspektivischen Zeichnung, würden angegeben werden können. Man könnte alle mögliche Farben vor sich haben und doch sehr ins Trokene oder auch ins Kalte fallen; denn das Saftige und Warme des Kolorits kommt von verschiedenen Ursachen her, auf welche die Dreieke keinen Einfluss haben, wie z. B. von den durchscheinenden oder überlaßirten Farben, von den, auch im stärksten Schatten angebrachten ganzen Farben, von einem geschickten Tokkiren. Denn das schönste Kolorit wird gar oft nicht durch die, wirklich auf den Gegenständen liegenden natürlichen Farben, sondern durch ganz andere erhalten. Endlich haben auch einige Farben, in dem vollkommenen Kolorit, gewisse Eigenschaften, die mit den verschiedenen Mischungen der drei Hauptfarben und des Weißen und Schwarzen, keine Verbindung zu haben scheinen und über deren Erreichung man noch kein Licht haben würde, wenn man gleich die Mayerischen Dreieke in der größten Vollkommenheit vor sich hätte. Also würden diese Dreieke alle mögliche Farben, in allen möglichen Graden des Hellen und Dunkeln darstellen: aber in Ansehung des Tones des ganzen Kolorits und anderer sehr wesentlichen Eigenschaften desselben, würden sie dem Künstler keine Dienste tun.
Man würde also die 91 Dreieke vielleicht noch 91 mal verändern und jedem noch einen besonderen Ton geben müssen; und doch ist die Mischung der Farben schon vorher erschöpft worden! Hieraus erhellt nun ganz offenbar, dass das Kolorit Eigenschaften habe, die keinesweges von der Mischung der Farben, noch von dem Zusatz des Hellen und Dunkeln herkommen. Ohne Zweifel entstehen sie aus der Behandlung, so dass in dieser die größten Geheimnisse der Farbengebung liegen mögen.
Hieraus lässt sich einigermaßen abnehmen, was man zu tun hätte, wenn man die Farbengebung auf bestimmte Regeln bringen wollte. Man müsste 1) die Mayerischen Dreieke mit dem größten Fleiß verfertigen, jedes aber nach den verschiedenen Haupttönen der Farben abändern. 2) Alles, was aus einem genauen Studio der Werke der größten Koloristen und aus dem Bekenntnis derer, die die meiste Übung haben, in Ansehung der Behandlung kann angezeigt werden, zusammen sammeln. Diese wären eigentlich Arbeiten einer Maleracademie, wie die Parisische ist, welche die geschicktesten und erfahrnesten Meister der Kunst zu Mitgliedern annimmt.
Wichtig ist überhaupt, wegen des Schönen in den Farben, was ein großer Meister der Kunst davon anmerkt und welches einem nachdenkenden Künstler viel entdecken wird. »Die Teile, sagt er, die in Schönheit vollkommener sind, bringen weniger Nutzen mit sich, die aber, so weniger Schönheit haben, sind nützlicher –, dieses ist in allen Farben und in allen Gestalten. Die drei vollkommenen Farben können nie anders als gelb, rot und blau sein und ist nur ein Begriff ihrer Vollkommenheit, nämlich wenn sie gleich weit von allen anderen Farben sind; da hingegen die geringen und gemischten unterschiedlicher Art sein können, nämlich mehr von der einen oder der anderen abhangend und die geringsten, so von drei Farben gemischt, können unzählig verändert werden. Je weniger nun Vollkommenheit in einer Farb ist, je mehr Vielfältigkeit hat sie, bis endlich kein Hauptbegriff mehr in ihr bleibt und dann ist sie wie eine todte unbedeutende Sache.4«
Farbengebung. Dieses von dem Hrn. v. Hagedorn zuerst gebrauchte Wort ist schicklich, um denjenigen Teil der Kunst auszudrücken, der von den Farben abhängt. Die Farbengebung würde demnach folgende Teile der Kunst unter sich begreifen. 1) Licht und Schatten; 2) das Helle und Dunkle der Farben; 3) die eigentümlichen oder Lokalfarben; 4) die Harmonie; 5) den Ton; und 6) die Behandlung der Farben. Dieses wird bloß zur Erklärung des Wortes angemerkt.
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1 Diktionaire portatif de peinture etc. vor welchem Buch eine Abhandlung von dem Praktischen der Kunst ist, darin die verschiedenen Farben beschrieben werden, die in dem Werk selbst, jede unter ihren Namen, nochmals vorkommen.
2 Traité de la peinture Chap. CXXI.
3 S. Memoires de l'Acad. royale des Sciences et Belles Lettres de Prusse. Pour l'An 1768. p. 99.
4 Mengs Gedanken über die Schönheit und über den Geschmack in der Malerei auf der 6. S.