Freude

Freude. (Schöne Künste) Die Freude ist ein hoher, die Seele durchdringender Grad des Vergnügens, das aus einem ungewöhnlichen oder plötzlichen Gefühl der Glückseligkeit entsteht. Sie scheint das höchste Ziel der Wünsche des Menschen zu sein. Wenigstens ist sonst keine Leidenschaft, die so ganz Genuß, ohne Beimischung von Unruhe und von anderm Bestreben wäre. Da sie aus der Vorstellung entsteht, dass alle Wünsche erreicht sind, so wünscht und hoft und fürchtet das ganz freudige Herz nichts mehr, sondern überlässt sich ganz dem gegenwärtigen Genuß. Daher kommt es, dass der Mensch, indem er die Freude genießt, ein gutmütiges, gefälliges und durchaus angenehmes Geschöpf ist, mit dem man beinahe machen kann, was man will. Denn da er selbst währender Freude an dem Ziel seiner Wünsche zu sein glaubt, so sucht er für sich nichts mehr, hat kein eignes Interesse und wenn ihm noch etwas zu wünschen übrig bleibt, so ist es dieses, dass nun auch alle Menschen so glücklich, wie er selbst sein mögen. Nur muss man ihn in seiner Glückseligkeit nicht stören; denn weil die Freude natürlicherweise unbedachtsam, leichtsinnig und dabei schnell ist, so könnte sie auch leicht in wütende Rache ausbrechen. So erwünscht die Freude dem Menschen ist, so darf er sich doch nicht beklagen, dass ein beträchtlicher Grad derselben selten kommt und nicht lange anhält, weil ihm dieses mehr schädlich als nützlich sein würde; denn sie spannt alle Saiten der Seele ab, weil sie nichts wünscht und nichts sucht. So wie der Mensch, der von Kindheit auf nie gefühlt hat, dass ihm etwas fehlt, natürlicher Weise leichtsinnig, träg und unbesonnen wird und sich sehr wenig über die Sinnlichkeit erhebt; so würde es der, der lauter Freuden genossen hat, noch vielmehr werden, da ihm gar alle Gelegenheiten zur Anstrengung seiner wirkenden Kräfte benommen wären.

Dessen ungeachtet aber kann diese Leidenschaft, wenn sie nur zur rechten Zeit erweckt wird, ganz wichtige Folgen haben, wie z. B. alle öffentlichen Freuden, da man in religiösen oder politischen Feiertagen eine glückliche Begebenheit feiert. Dass ein ganzes Volk seine Glückselig keit erkenne und sich derselben erfreue, ist in mehreren Absichten wichtig, weil dieses Gefühl sehr vorteilhaften Einfluss auf den Charakter des Volks und auf seine Handlungen hat. Da können die schönen Künste, besonders Musik, Poesie und Beredsamkeit große Dienste tun. Oden und Lieder, die durch Vorstellung des Nationalglücks zur Freud ermuntern, sind unter die wichtigen Werke der Künste zu zählen. Horaz hat die Römer mehr als einmal zur Freude über ihr Glück ermuntert [z. B. im 1 B. die 37. Ill. B. 14. VI. 5.], und die dahin abzielenden Oden gehören unter seine vornehmsten Werke. Wenn wir die Päane der Griechen noch hätten, so würden wir vielleicht begreifen, dass mancher Sieg dieses ausserordentlichen Volks hauptsächlich den Freudengesängen, womit sie ihre Schlachten angefangen haben, zuzuschreiben sein möchte.

Der Affekt der Freude ist also vorzüglich ein Gegenstand der lyrischen Dichtkunst und der Musik; und die Gesänge, die für öffentliche Freudenfeste gemacht werden, können unter den Werken der Kunst auf den ersten Rang Anspruch machen. Aber auch jede Art der Privatglückseligkeit, die allgemeinen Wohltaten der Vorsehung und was etwa einzelne Familien oder Menschen glücklich macht und die Äusserungen der Freuden dabei, sind noch wichtige Gegenstände. Wir wollen auch die Lieder nicht als unnütze verwerfen, die bloß sinnliche Gegenstände des Vergnügens zu Erweckung der Freude brauchen; ob wir gleich dem vollkommensten Trinklied eben keinen hohen Rang anweisen würden. Es kann nicht leicht einem aufmerksamen Beobachter der Menschen unbemerkt bleiben, dass bisweilen eine freudige Minute, wenn ihre Veranlassung auch noch so gering gewesen ist, wichtige Folgen haben kann, Gemüter die durch allerhand Verdrießlichkeiten etwas in Untätigkeit gesunken waren, wieder aufzurichten.

Aber die geringern, ganz sinnlichen Freuden müssen in der lyrischen Dichtkunst ihrem Charakter gemäß, das ist, leicht und flüchtig behandelt werden. Es wäre unsinnig, bei einem Trinkgelage das Lob des Weines in dem hohen Ton einer feierlichen Ode zu singen und solche bloß die Sinne kitzelnde Vergnügungen, die noch dazu nur gar zu bald in niedrige Debauchen ausarten, mit den hohen Freuden der inneren Glückseligkeit in eine Klasse zu setzen. Für Menschen von Verstand und von ausgebreitetem sittlichen Gefühl, sind die Vergnügungen der Sinne und die daher entstehenden Freuden, nicht Speisen, sondern bloße Würzen die sehr sparsam zu einiger Erhöhung des Geschmacks hier und da eingestreuet werden. So bald die Künste sie anders behandeln, so machen sie einen Mißbrauch davon. So angenehm manche witzige Trinklieder sind, so unsinnig und abgeschmackt sind die groben Mißgeburthen, wo die Schwelgerei im ernsthaftesten Ton als der Endzweck des Lebens und die daher entstehenden Freuden als die eigentliche Glückseligkeit des Menschen vorgestellt werden.

Mancher unbesonnene Jüngling in Deutschland hat sich, bei seinem noch nicht reif gewordenen Urteil, durch den Beifall, den die leichten und angenehmen Lieder einiger feinen Dichter erhalten haben, verleiten lassen, den Trank der Wollust, von dem jene feinere Köpfe nur einige Tropfen genommen, Stromweis einzugießen. Darin zeigt man eben so viel Verstand als bisweilen der unwissende Pöbel, der anstatt weniger Tropfen, die er aus einem Arzneiglas nehmen sollte, nach seinen dummen Begriffen es für besser hält, das ganze Glas auszutrinken. Wenn wenig hilft, denkt der Dummkopf, warum sollte viel nicht noch mehr helfen?

Aber die lyrische Dichtkunst ist nicht in dem ausschliessenden Besitz, Freude zu erwecken; auch das Drama und die Epopee bedienen sich dieser Leidenschaft und können sie auf eine vorteilhafte Weise nützen. Je begieriger der Mensch nach Freud ist, je wichtiger wird es, ihn fühlen zu lassen, dass die wichtigsten, das Herz am meisten durchdringenden und zugleich die dauerhaftesten Freuden, Folgen großer, tugendhafter und verdienstvoller Handlungen sind. Dieses gibt also dem epischen und dramatischen Dichter Gelegenheit, diese Leidenschaft auf eine wichtige Weise zu behandeln. Man stelle sich ein versammeltes Volk vor, das einen Mann, den es für seinen Erretter, für seinen Wohltäter hält, mit Dank und Jubel empfängt; man genieße in Gedanken nur einen Augenblick die überfließende Freude, die diesen Mann dann mit Seeligkeit erfüllet; so wird auch zugleich ein brennendes Verlangen entstehen, eine solche Glückseligkeit zu genießen. Diese einzige Anmerkung scheint hinlänglich, den epischen und dramatischen Dichtern die Winke zu geben, wie sie die Freude in ihren Werken behandeln müssen.

Hierbei entsteht ganz natürlich der Gedanken, dass die Tragödie oder das hohe Drama, dessen Ausgang eine völlige und allgemeine Freude wäre, von großer Wichtigkeit sein könnte. Jede große Tat, wodurch ein Volk oder eine beträchtliche Anzahl Menschen glücklich geworden, könnte den Stoff zu einem solchen Drama geben. Und der epische Dichter hat wohl schwerlich irgendwo sicherere Gelegenheit, die wichtigsten Empfindungen zu erwecken, als wo er Nationalfreuden zu beschreiben hat. Wer ist so fühllos, dass er sich nicht an Xenophons Stelle zu sein wünschte, in der Stunde, da die, meistenteils durch seine Klugheit und Tapferkeit geretteten zehntausend Griechen, zuerst das Meer wiedersahen, an dessen Küsten sie Freunde, Landsleute und völlige Sicherheit zu erwarten hatten? Wer kann die Geschichte von der Befreiung der Stadt Wien durch den großen Sobiesky lesen, ohne von vielen wichtigen Empfindungen und Gedanken durchdrungen zu werden? Dergleichen Materie zur Freud geben die Geschichten fast aller Völker und die epische Poesie kann dieselbe vorzüglich nützen. Große Freuden, die wir an anderen Menschen sehen, können auch die Wirkung auf uns haben, dass sie das Gemüt menschlicher und wohltätiger machen. Man sollte denken, ein Tyran selbst müsste der Tyrannei entsagen, wenn er die große Szene ließt, die Plutarchus und Livius beschrieben, da der römische Feldherr Flaminius dem ganzen versammelten Griechenland durch Herolde die Freiheit öffentlich hat ankündigen lassen. Es scheint als wenn Menschen, indem sie in festlichen Freuden begriffen sind, etwas geheiligtes und unverletzliches an sich haben, dass sich auch der ruchloseste Mensch ein Gewissen daraus machen müsste, sie darin zu stören. Also hat die Freude anderer Menschen überhaupt auf gute Gemüter die Wirkung, dass man diesen Menschen gewogen wird, sich bereit findet ihre Freude mit zugenießen und wo möglich die Quelle derselben noch voller fließen zu lassen. Hingegen flößen ungezogene Freuden, die Leichtsinn oder wohl gar Mutwillen und ungezogene Schwelgerei zum Grund haben, Verachtung ein.

Diese wenigen Anmerkungen können einem verständigen Künstler zur Richtschnur dienen, wie und bei welchen Gelegenheiten er die Freude zu seinem Stoff nehmen oder nur in seine übrige Materie einflechten soll. Was hier besonders für die Dichter gesagt zu sein scheint, dient auch dem Maler, dessen Werke auf sehr verschiedene Weise, von freudigem Inhalt sein können. Die Erinnerungen, die wir den Dichtern der sinnlichen Freuden von dem rechten Gebrauch und Mißbrauch dieser Leidenschaft gegeben haben, können dem Maler auch ganz dienen, der gerade so, wie der Dichter entweder sich als einen platten Schwelger oder als einen feinen Kenner geistreicher Freuden zeigen kann: und aus dem, was wir den epischen und dramatischen Dichtern gesagt haben, kann auch der Maler lernen, wie er die Freude in einem hohen Stil behandeln müsse.

Von dem natürlichen und wo es nötig ist, edlen Ausdruck dieser Leidenschaft, wäre noch viel zu sagen, wenn hier Regeln etwas helfen könnten. Das große Geheimnis dazu zu gelangen ist, überhaupt einen feinen Geschmack zu haben und diesen durch das Studium der besten Muster noch sicherer zu machen. Mäßige Freude ist oft geschwätzig, offenherzig und naiv; in großen Freuden aber drückt man sich kurz, äußerst nachdrücklich, feurig und abgebrochen aus. Zum Ausdruck großer Freuden wird besonders Überlegung und Geschmack erfordert. Was für mancherlei Schattierungen liegen nicht zwischen den äußersten Grenzen, nämlich den Äusserungen dieser Leidenschaft, wie sie sich in dem rohen und pöbelhaften Freudengeschrei wilder Menschen zeigt und dem Betragen der Personen von höherer Denkungsart, bei denen die empfindlichsten Freuden sich kaum durch äußerliche Merkmale an den Tag legen.

Hierüber kann nachgesehen werden, was von der Mäßigung des Ausdrucks überhaupt in den Artikeln Ausdruck und Leidenschaft erinnert worden.


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