Florentinische Schule. Die Stadt Florenz ist schon seit vielen Jahrhunderten ein vorzüglicher Sitz der zeichnenden Künste; sie hat in allen Zweigen der Kunst eine so beträchtliche Anzahl großer Männer besessen, Bildhauer, Stein- und Stempelschneider und Maler, dass keine andere Stadt ihr in diesem Stück den Vorzug streitig machen kann.
Man muss die ganz alte florentinische Schule von der neuen unterscheiden. Schon im dreizehnten Jahrhundert haben die Künste in dieser Stadt geblüht. Der Rat ließ verschiedene Künstler aus Griechenland kommen, welche sich in Florenz niedergelassen und daselbst Schüler gezogen haben, durch welche der Geschmack an zeichnenden Künsten sich in Italien festgesetzt hat.
Die alte florentinische Schule fängt sich bei diesen Griechen und dem Cimabue ihrem Schüler an und endigt sich bei Leonhard da Vinci. Die Werke der Künstler, die vor Leonhardo gelebt haben, sind nur in Vergleichung derer, die in den noch ältern Zeiten der Barbarei gemacht worden sind, schätzbar; aber er, der letzte und größte Maler und Zeichner dieser Schule, näherte sich der Vollkommenheit und kann zugleich als der erste Künstler der neuen Schule angesehen werden. Man kann bei Sandrat und bei Florent le Comte die Nachrichten von der ältern florentini schen Schule antreffen.
Die neue Schule fängt sich bei da Vinci und Michael Angelo an und besteht aus einer zahlreichen Folge berühmter und zum Teil großer Künstler, besonders Bildhauer. Die Verfasser der unlängst herausgekommenen malerischen Reise durch Italien, fällen von dieser Schule überhaupt folgendes gründliches Urteil: »Die ältere florentinische Schule hat eine Menge Maler gehabt, die nicht zu verachten sind, wiewohl wenige davon einen großen Grad des Ruhms erhalten haben. Die Kirchen von Florenz sind voll ihrer Arbeiten, die alle von einer Hand gemacht scheinen. – Die Farbe ist grau und schwach; die Zeichnung hat etwas Großes, ist aber mit einer Manier verbunden, in dem Geschmack des M. Angelo. – Die Figuren haben in ihren Wendungen etwas so gedrehtes, dass man sie für unmöglich halten möchte. Große übertriebene Umrisse, welche von verrenkten und verdrehten Gliedern herzukommen scheinen; ein übertriebener Reitz, darin in der Tat etwas Grosses, aber aus einer erdichteten Natur ist. Gute Koloristen findet man da nicht, die Schule hat ihren meisten Ruhm von den Bildhauern bekommen. Man hat sich darin fast einzig um die Zeichnung bekümmert und um eine gewisse Größe der Formen, die aber leicht in eine Manier ausartet.« Von den florentinischen Künstlern kann man also einen der wichtigsten Teile der Kunst lernen;
das Große in den Formen und in der Zusammensetzung, wodurch die Werke der Kunst den wichtigsten Teil der Kraft bekommen. Junge Künstler, die Gelegenheit haben, diese Schule zu studiren, tun wohl, sich dabei so lang aufzuhalten, bis ihr Auge sich so an das Große und Starke gewöhnt hat, dass es dasselbe überall als einen wesentlichen Teil sucht. Erst alsdenn, wenn dieses Gefühl unauslöschlich bei ihnen festgesetzt ist, können sie auf die höchste Richtigkeit im Zeichnen arbeiten. Denn ohne Größe kann kein Werk der Kunst in die erste Klasse gesetzt werden.
Lepicie gibt in der Beschreibung der Gemälde des Königs von Frankreich kurze Lebensbeschreibungen der vornehmsten Maler dieser Schule. Diese sind: da Vinci, Bruder Bartolom. von St. Marcus, Michel Angelo, Baccio Bandinelli, Andr. del Sarte, Jacob Pantorma, Balth. Pruzzi, Franz Salviati und Math. Roselli.