Führer. (Musik) Ist in der Fuge das Thema oder der Gesang der Hauptstimme, welche in den anderen Stimmen nachgeahmet wird.1 Bei Verfertigung der Fugen hat man nicht, wie bei anderen Singstücken, bloß darauf zu sehen, dass der Gesang mit dem Charakter oder dem Inhalt der Worte genau übereinkomme; man muss über dieses den Führer so einrichten, dass er in den anderen Stimmen genau könne nachgeahmet werden, welches, zumal in drei oder vierstimmigen Fugen, bisweilen große Schwierigkeit macht. Man hat also so wohl in Ansehung seiner Länge als der melodischen Fortschreitung verschiedenes zu bedenken.
Er muss nicht so lang sein, dass er nicht im Ganzen leicht faßlich wäre; denn wenn diese Faßlichkeit wegfiele, würde das Wesen der Fuge darunter leiden, weil man die Nachahmung nicht wohl mehr mit dem Hauptgesang würde vergleichen können. Ist die Melodie desselben schon an sich sehr faßlich, so kann der Führer, doch immer nach Maßgabe der langsamen oder geschwinden Bewegung, ohne Gefahr vier, fünf oder sechs Takte lang sein; ist sie aber schwerer, so muss er kürzer sein.
In Ansehung der Melodie ist ohne Zweifel das Einfache das beste; je fließender und natürlicher der Gesang ist, je besser schickt er sich zum Fugensatz. Am schicklichsten sind die, deren Umfang nur eine Quarte oder Quinte ausmacht und in die untre Hälfte der Oktave fällt, in welcher alle wesentlichen Saiten der Tonart vorkommen; weil dadurch sogleich die Tonart festgesetzt wird. Dabei ist auch vornehmlich darauf zu sehen, dass der Gesang des Führers eine leichte und abzuändernde Harmonie zum Grund habe, weil dieses die Nachahmung ungemein erleichtert. Endlich ist auch zu vermeiden, dass der Führer sich mit einem förmlichen Schluss endige, weil die Fuge keinen ganzen Schluss zulässt als am Ende. Wär aber das Thema so, dass es sich natürlicher Weise mit einer Kadenz endigt, so müsste auf dem Schluss eine andere Stimme dergestalt eintreten, dass der Gesang ohne Ruhe fortginge.2
Der Gesang des Führers soll eigentlich den Umfang einer Oktavenicht überschreiten; doch geschieht es bisweilen größerer Bequemlichkeit halber, dass dieser Umfang um einen oder zwei Töne überschritten wird. Die schönsten Sätze sind oft von geringem Umfang und überschreiten nicht einmal die Quarte. Ohne den Gefährten oder den so genannten Begleiter sogleich in Gedanken zu haben, kann der Führer nicht glücklich erfunden werden. Man muss sogleich voraussehen können, auf wie mancherlei Art er nachzuahmen ist und was für Schwierigkeiten dabei vorkommen können. Und da auch die Gegensätze aus dem Führer müssen genommen werden, damit man eine wahre Einheit des Gesangs erhalte, so muss er auch dazu tüchtig sein. Er kann übrigens in jedem Intervall seiner Tonika anfangen und jede Art der Bewegung haben.3
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1 S. Fuge.
2 S. Gegensatz.
3 S. Gefährter.