Feierlich. (Schöne Künste) Man nennt dasjenige Feierlich, was die Empfindung eines hohen Grades der Ehrfurcht und einer bewundernden Erwartung erweckt. Es ist ein feierlicher Anblick, eine große Menge zum Gottesdienst versammelter Menschen stillschweigend und in der größten Andacht auf ihren Knien liegen zu sehen. In den schönen Künsten ist das Feierliche eines von den kräftigsten Mitteln die Gemüter mit Ehrfurcht zu rühren, die Erwartung zu erwecken und den Vorstellungen den höchsten Nachdruck zu geben.
Es ist aber seiner Natur nach nur in erhabenen Gegenständen zu suchen, weil nur diese Ehrfurcht und Bewunderung erwecken; in Handlungen, wo die Gottheit sich in ihrer vollen Majestät zeigt; auch in solchen Handlungen, wo das gänzliche Schicksal vieler Menschen durch einen glücklichen oder unglücklichen Augenblick zu entscheiden ist; in Hymnen, in geistlichen Oden und festlichen Liedern.
Das Feierliche liegt entweder in den Vorstellungen selbst oder in dem Ton, darin sie vorgetragen werden. Im ersteren Fall ist es eine besondere Gattung des Erhabenen, das allemal aus Vorstellungen entsteht, die uns mit großer Ehrfurcht erfüllen oder in höchst wichtige Erwartungen setzen. Dieses Feierliche hängt von dem Genie und einer großen Denkungsart des Künstlers ab. Der feierliche Ton aber ist die Wirkung, der mit einem feinen Geschmack verbundenen Begeisterung. Niemand hat jemals diesen Ton so völlig und so mannigfaltig getroffen als Klopstok, der darin allein zum Muster dienen kann. Es würde sehr vergeblich sein, alle die kleinen Hülfsmittel des Ausdrucks und des Silbenmaßes, woraus der feierliche Ton entsteht, aus einander setzen zu wollen; dieses lässt sich besser empfinden als beschreiben. Wir setzen nur ein einziges Beispiel her, das schon Hr. Schlegel als ein Muster des feierlichen Tones angepriesen hat [in seinem übersetzten Batteux II Th. S. 462 nach der zweiten Ausgabe].
Der Erdkreis ist des Herrn und sein sind seine Heere,
Der Erdkreis und wer ihn bewohnt, ist sein.
Der Grund, auf den er ihn baut, sind ausgebreitete Meere,
Und Fluten umufern und schließen ihn ein –!*)
Der feierliche Ton hat eine sehr große Kraft, wenn der Gegenstand selbst groß und erhaben ist; aber weh dem Dichter oder Redner, der diesen Ton bei geringen Gegenständen annimmt; denn da fällt er ins Possierliche. Es gehört ein feiner Geschmack dazu, den gemäßigten, den hohen und den feierlichen Ton, jeden bei dem Gegenstand, dem er eigen ist, anzuwenden.
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*) Cramer in der Übersetzung des 24 Ps. Hat nicht Hr. Schlegel, um dieses im Vorbeigehen zu erinnern, sich mit der Kritik des Wortes umufern, etwas übereilt? Freilich wird das Meer vom Land umufert; hat aber nicht der Dichter die ganze Vorstellung dadurch wunderbarer gemacht, dass er den Erdkreis als das Feste, von dem Flüssigen umufern lässt?