Fantasie

Fantasieren; Fantasie. (Musik) Wenn ein Tonkünstler ein Stück, so wie er es allmählich in Gedanken setzt, so fort auf einem Instrumente spielt; oder wenn er nicht ein schon vorhandenes Stück spielt, sondern eines, das er währendem Spielen erfindet, so sagt man, er fantasire. Also gehört zum Fantasiren eine große Fertigkeit im Satz, besonders, wenn man auf Orgeln, Klavieren oder Harffen vielstimmig fantasiert. Die auf diese Weise gespielten Stücke werden Fantasien genannt, was für einen Charakter sie sonst an sich haben. Oft fantasiert man ohne Melodie bloß der Harmonie und Modulation halber; oft aber fantasiert man so, dass das Stück den Charakter einer Arie oder eines Duetts oder eines anderen singenden Stücks, mit begleitendem Basse hat. Einige Fantasien schweifen von einer Gattung in die andere aus, bald in ordentlichem Takt, bald ohne Takt u. s. w.

Die Fantasien von großen Meistern, besonders die, welche aus einer gewissen Fülle der Empfindung und in dem Feuer der Begeisterung gespielt werden, sind oft, wie die ersten Entwürfe der Zeichner, Werke von ausnehmender Kraft und Schönheit, die bei einer gelassenen Gemütslage nicht so könnten verfertigt werden.

Es wäre demnach eine wichtige Sache, wenn man ein Mittel hätte, die Fantasien großer Meister aufzu schreiben. Das Mittel ist auch wirklich erfunden und darf nur bekannt gemacht werden und von geschickten Männern die lezte Bearbeitung zur Vollkommenheit bekommen.

In den Transaktionen der Königl. Gesellschaft der Wissenschaften in London befindet sich in der 483 Numer, die 1747 herausgekommen, ein kurzer Aufsatz, in welchem ein englischer Geistlicher, Namens Creed, den Entwurf zu einer Maschine angibt, welche ein Tonstück, indem es gespielt wird, in Noten setzt [A Letter from Mr. John Freke – inclosing a paper of Mr. Creed concerning a Machine to write down Extempore Voluntaries or other pieces of Music. Trans act. Philos. Vol. 44. pag. 445.]. Nicht lang danach nämlich 1749 hat ein auswärtiges Mitglied der Königl. Akademie der Wissenschaften von Berlin derselben eröfnet, dass er seit einiger Zeit an einem Klavier arbeite, das die Fantasien in Noten setzen könne, sich aber genötigt sehe, die Sache wegen Mangel an einem geschickten Arbeiter aufzugeben; er schickte zugleich der Akademie seinen Entwurf davon. Dieser Veranlassung haben wir die Erfindung des holfeldischen Setzinstruments zu danken, die hier näher angezeigt zu werden verdient.

Denselben Tag als die Akademie die erwähnte Nachricht erhalten, machte ich sie dem, damals noch wenig bekannten, zu mechanischen Erfindungen aber vorzüglich aufgelegten, Mechanikus Holfeld, ohne ihm das geringste von den an die Akademie geschickten Zeichnungen zu sagen, bekannt. Die Zeichnungen hat er in der Tat nicht gesehen, bis seine Erfindung völlig fertig und ausgeführt gewesen. In ganz kurzer Zeit brachte mir dieser vortreffliche Mann seine sinnreich erfundene Maschine. Sie ist so eingerichtet, dass sie ohne alle Weitläufigkeit auf jedes Klavier, von der Art, die man hier zu Lande Flügel nennt, gesetzt werden kann und dann jedes, bis auf die kleinste Manier im Spielen, genau aufzeichnet. Verschiedene Liebhaber hatten sich bei dem Erfinder gemeldet, um dieses Instrument zu haben; weil aber keiner Miene machte, die Erfindung daran auf eine anständige Art zu belohnen, so blieb sie, so wie ein von demselben Künstler erfundenes Klavier, mit Darm-Saiten und einem Bogen von Pferdhaaren, bei dem Erfinder liegen. Nach seinem Tode [im Frühjahr 1770] kaufte die Akademie der Wissenschaften das Instrument und wird ohne Zweifel eine genaue Abzeichnung davon bekannt machen.*)

Was übrigens die Kunst des Fantasierens betrift, was für Hülfsmittel man habe, dasselbe zu erleichtern und was bei den verschiedenen Arten desselben zu bedenken sei, darüber wird man in Bachs Versuch über die wahre Art das Klavier zu spielen, so wohl im ersten als im zweiten Teile, in eigenen Kapiteln, viel nützliches antreffen.

 

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*) Aus dieser Erzählung wird sich beurteilen lassen, wie viel Unrichtiges über dieses Instrument und seinen Erfinder in Herrn Stähelins Nachricht von dem Zustand der Musik in Rußland gesagt worden. Dieser Aufsatz befindet sich in Haigolds Beilagen zum neuveränderten Rußland II Teile. 1. Es ist nicht wahr, dass Holfeld die an die Akademie geschickten Zeichnungen gesehen, ehe er sein Instrument gemacht hat. 2. Es ist nicht wahr, dass der Erfinder die Maschine selbst aus Verdruss wieder vernichtet habe. 3. Auch nicht, dass er sie durch einen zufälligen Brand, darin viel von seinen Sachen im Rauch aufgegangen, verloren habe. 4. Auch ist nicht wahr, dass seine Verdienste unbelohnt geblieben seien. Der König hat ihm 1765 eine Gnadenpension gegeben, die er bis an sein End genossen hat. Auch ist er dadurch auf eine schmeichelhafte Weise belohnt worden, dass der König seinen Bogenflügel von ihm gefordert, ihn dafür belohnt und das Instrument als eine vorzüglich schätzbare Erfindung, in das Neue Schloß hinter Sans-Souci hat setzen lassen.


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