D
[Die Langeweile, ewige Wiederkehr]
»Will denn die Sonne alle Träume morden,
die blassen Kinder meiner Lustreviere?
Die Tage sind so still und grell geworden.
Erfüllung lockt mit wolkigen Gesichten.
Mich packt die Angst, daß ich mein Heil verliere.
Wie wenn ich ginge, meinen Gott zu richten.«
Franz Böhle: Theater-Catechismus oder humoristische Erklärung verschiedener vorzüglich im Bühnenlehen üblicher Fremdwörter München p 74
»Die Langeweile wartet auf den Tod.«
Johann Peter Hebel
»Attendre c’est la vie.«
Victor Hugo
Kind mit seiner Mutter im Panorama. Das Panorama stellt die Schlacht bei Sedan dar, das Kind findet alles sehr schön: »Nur schade, daß der Himmel so trübe ist.« – »So ist das Wetter im Krieg« erwidert die Mutter. ■ Dioramen ■
Also auch Panoramen sind im Grunde dieser Nebelwelt verschworen, das Licht ihrer Bilder bricht wie durch Regensträhnen hindurch. [D 1, 1]
»Ce Paris-là [sc. de Baudelaire] est très différent du Paris de Verlaine qui, pourtant, lui-même, a déjà bien changé. L’un est sombre et pluvieux, comme un Paris sur lequel l’image de Lyon se serait superposée; l’autre est blanchâtre et poussiéreux comme un pastel de Raffaelli. L’un est asphyxiant, l’autre aéré, avec des bâtisses neuves, isolées dans des terrains vagues, et la barrière, non loin, aux tonnelles flétries.« François Porché: La vie douloureuse de Charles Baudelaire Paris 1926 p 119 [D 1, 2]
Wie gerade die kosmischen Kräfte auf den hohlen und brüchigen Menschen nur narkotisierend wirken, das bekundet dessen Verhältnis zu einer ihrer höchsten und lindesten Manifestationen – zum Wetter. Nichts ist bezeichnender, als daß gerade diese innigste und geheimnisvollste Wirkung, die auf die Menschen vom Wetter ausgeht, der Kanevas ihres leersten Geschwätzes hat werden müssen. Nichts langweilt den gewöhnlichen Menschen mehr als der Kosmos. Daher für ihn die innigste Verbindung von Wetter und Langeweile. Wie schön die ironische Überwindung dieses Verhaltens in der Geschichte vom spleenigen Engländer, der eines morgens aufwacht und sich erschießt, weil es regnet. Oder Goethe: Wie er in seinen meteorologischen Studien das Wetter zu durchleuchten wußte, so daß man versucht ist zu sagen, er sei auf diese Arbeit gekommen, nur um auf diese Weise sogar das Wetter seinem wachen, schaffenden Leben einbeziehen zu können. [D 1, 3]
Baudelaire als Dichter des »Spleen de Paris«. »Un des caractères essentiels de cette poésie, en effet, c’est l’ennui dans la brume, ennui et brouillard mêlés (brouillard des villes); en un mot, c’est le spleen.« François Porche: La vie douloureuse de Charles Baudelaire Paris 1926 p 184 [D 1, 4]
Emile Tardieu ließ 1903 in Paris ein Buch »L’ennui« erscheinen, in dem alle menschliche Aktivität als ein untauglicher Versuch soll erwiesen werden, dem ennui zu entgehen, zugleich aber alles was war, ist und sein wird als die unerschöpfliche Nahrung dieses selben Gefühls. Hört man das, so möchte man glauben irgend ein gewaltiges Literaturdenkmal 〈vor sich zu haben〉: ein Monument aere perennius dem taedium vitae der Römer zu Ehren. Es ist aber nur die süffisante, mesquine Wissenschaft eines neuen Homais, der alles Große, den Heroismus des Helden und die Askese des Heiligen als Beweisstücke seinem einfallsarmen, spießbürgerlichen Mißvergnügen hörig macht. [D 1, 5]
»Quand les Français allèrent en Italie soutenir les droits de la couronne de France sur le duché de Milan et sur le royaume de Naples, ils revinrent émerveillés des précautions que le génie italien avait trouvées contre l’excessive chaleur; et, de l’admiration pour les galeries, ils passèrent à l’imitation. Le climat pluvieux de ce Paris, si célèbre par ses boues, suggéra les piliers, qui furent une merveille du vieux temps. On eût ainsi, plus tard, la place Royale. Chose étrange! ce fut par les mêmes motifs que, sous Napoléon, se construisirent les rues de Rivoli, de Castiglione, et la fameuse rue des Colonnes.« Auch der Turban kam so aus Ägypten〈.〉 Le diable à Paris Paris 1845 II p 11/12 (Balzac: Ce qui disparaît de Paris)
Um wieviel Jahre war der anfangs erwähnte Krieg von der napoleonischen Expedition nach Italien getrennt? Und wo liegt die rue des Colonnes? [D 1, 6]
»Les averses ont donné naissance à lieu des aventures.« Abnehmende magische Kraft des Regens. Imperméable. [D 1, 7]
Als Staub nimmt der Regen an den Passagen seine Revanche. – Staub legte sich unter Louis-Philippe sogar über die Revolutionen. Als sich der junge Herzog von Orléans »mit der Prinzessin von Mecklenburg vermählte, feierte man ein großes Fest in jenem berühmten Ballsaale, auf dem sich die ersten Symptome der Revolution gezeigt hatten. Man räumte den Saal für das Fest des jungen Brautpaares auf und fand ihn so, wie ihn die Revolution verlassen hatte. Noch sah man auf der Erde die Spuren des militairischen Bankettes, sah Lichtstumpfe, zerbrochne Gläser, Champagnerkorke, sah die zertretenen Cokarden der Gardes du Corps und die festlichen Bänder der Offiziere des Regiments von Flandern.« Karl Gutzkow: Briefe aus Paris Leipzig 1842 II p 87 Eine historische Szene wird zum Panoptikumsbestandteil. ■ Diorama ■ Staub und erstickte Perspektive ■ [D 1 a, 1]
»Il explique que la rue Grange-Batelière est particulièrement poussiéreuse, qu’on se salit terriblement dans la rue Réaumur.« Louis Aragon: Le paysan de Paris Paris 1926 p 88 [D 1 a, 2]
Plüsch als Staubfänger. Geheimnis des in der Sonne spielenden Staubes. Der Staub und die »gute Stube«. »Kurz nach 1840 erscheinen die französischen ganz überpolsterten Möbel und mit ihnen gelangt der Tapezierstil zu ausschließlicher Herrschaft.« Max von Boehn: Die Mode im XIX. Jahrhundert II München 1907 p 131 Andere Anstalten, Staub aufzuwirbeln: die Schleppe. »Neuerdings ist gleichzeitig auch die wirkliche Schleppe wieder mehr aufgekommen, wird nun aber, um den Übelstand des Straßenfegens zu vermeiden, mit Hülfe eines Hakens und einer Schnur im Gehen gehalten und getragen.« Friedrich Theodor Vischer: Mode und Zynismus Stuttgart 1879 p 12 ■ Staub und erstickte Perspektive ■ [D 1 a, 3]
Die galerie du thermomètre und galerie du baromètre in der passage de l’opéra. [D 1 a, 4]
Ein Feuilletonist der vierziger Jahre, der einmal vom pariser Wetter handelt, hat festgestellt, daß Corneille nur ein einziges Mal (im Cid) von den Sternen gesprochen, Racine nur ein einziges Mal von »soleil« geschrieben hat und er behauptet, die Sterne und Blumen seien erst in Amerika durch Chateaubriand für die Literatur entdeckt und in Paris heimisch gemacht worden. (Nach Victor Méry: Le climat de Paris im Diable à Paris 〈Bd. 1 Paris 1845 p 245〉) [D 1 a, 5]
Zu einigen lasziven Bildern: »Ce n’est plus l’éventail, mais bien le parapluie, invention digne de l’époque du roi garde-national. Le parapluie propice aux fantaisies amoureuses! Le parapluie servant d’abri discret. La couverture, le toit de l’île de Robinson.« John Grand-Carteret: Le décolleté et le retroussé Paris 〈1910〉 II p 56 [D 1 a, 6]
»Nur hier«, hat Chirico gesagt, »läßt sich malen. Die Straßen haben solche Skalen von Grau …« [D 1 a, 7]
Die Pariser Atmosphäre erinnert Carus an das Aussehen der neapolitanischen Küste wenn der Skirokko weht. [D 1 a, 8]
Städtisches Regenwetter mit seiner ganzen durchtriebenen Lockung, in frühe Kinderjahre sich zurückzuträumen, ist nur dem Kind einer Großstadt verständlich. Regen hält überall mehr verborgen, macht Tage nicht nur grau sondern ebenmäßig. Vom Morgen bis zum Abend kann man dann dasselbe tun, schachspielen, lesen, sich streiten, während Sonne, ganz anders, die Stunden schattiert und dem Träumer nicht wohl will. Darum muß er die strahlenden Tage mit Listen umgehen, vor allem sehr früh aufstehen wie die großen Müßiggänger, die Hafenbummler und die Vaganten: er muß früher zur Stelle sein als die Sonne. Ferdinand Hardekopf, der einzige echte Dekadent, den Deutschland hervorgebracht hat, hat in der Ode vom seligen Morgen, die er vor vielen Jahren Emmy Hennings schenkte, dem Träumer für die sonnigen Tage die besten Schutzmaßregeln anvertraut. [D 1 a, 9]
»donner à cette poussière un semblant de consistance qu’en l’arrosant de sang.« Louis Veuillot: Les odeurs de Paris Paris 1914 p 12 [D 1 a, 10]
Andere europäische Städte nehmen die Kolonnaden in ihr Stadtbild auf; Berlin maßgebend im Stil seiner Stadttore. Besonders bezeichnend das Hallesche Tor und mir unvergeßlich in einer blauen Ansichtskarte, den nächtlichen Belle-Alliance-Platz darstellend. Es war ein Transparent und gegen das Licht gehalten, erleuchteten all seine Fenster sich in ganz genau dem gleichen Lichte, das oben am Himmel der Vollmond ausstrahlte. [D 2, 1]
»Les constructions du nouveau Paris relèvent de tous les styles; l’ensemble ne manque pas d’une certaine unité, parce que tous ces styles sont du genre ennuyeux, et du genre ennuyeux le plus ennuyeux, qui est l’emphatique et l’aligné. Alignement! fixe! Il semble que l’Amphion de cette ville soit caporal … / Il pousse quantité de choses fastueuses, pompeuses, colossales: elles sont ennuyeuses; il en pousse quantité de fort laides: elles sont ennuyeuses aussi. / Ces grandes rues, ces grands quais, ces grands édifices, ces grands égouts, leur physionomie mal copiée ou mal rêvée, garde je ne sais quoi qui sent la fortune soudaine et irrégulière. Ils exhalent l’ennui.« Veuillot: Les odeurs de Paris 〈Paris 1914〉 p 9 ◼ Haussmann ◼ [D 2, 2]
Pelletan schildert den Besuch bei einem Börsenkönig, einem vielfachen Millionär: »Als ich in den Hof des Hotels eintrat, war eine Schar von Stallknechten in rothen Westen beschäftigt, ein halbes Dutzend englischer Pferde abzureiben. Ich stieg eine Marmortreppe hinan, über welcher eine kolossale vergoldete Laterne hing, und fand im Vestibule einen Kammerdiener mit weißer Kravatte und aus gestopften Waden, welcher mich in eine große glasgedeckte Galerie führte, deren Wände ganz mit Camellien und Treibhauspflanzen decorirt waren. Etwas wie heimliche Langeweile lag in der Luft; beim ersten Schritt athmete man einen Dunst wie von Opium. Man ging zwischen einer doppelten Reihe von Stangen, auf welchen Papagaien aus verschiedenen Ländern saßen. Sie waren roth, blau, grün, grau, gelb und weiß; aber alle schienen an Heimweh zu kranken. An dem äußersten Ende der Galerie stand ein kleiner Tisch einem Renaissancekamin gegenüber: denn um diese Zeit frühstückte der Hausherr … Nachdem ich eine Viertelstunde gewartet, ließ er sich herab, zu erscheinen … Er gähnte, war schläfrig, schien immer auf dem Punkt, einzunicken; er ging wie einer, der im Schlaf geht. Seine Müdigkeit hatte die Wände seines Hotels angesteckt. Die Papagaien sahen aus wie seine abgelösten Gedanken, verkörpert und auf einer Stange befestigt …« ◼ Intérieur ◼ Rodenberg: Paris bei Sonnenschein und Lampenlicht 〈Leipzig 1867〉 p 104/105 [D 2, 3]
Rougemont und Gentil lassen in den Variétés die »Fêtes françaises ou Paris en miniature« spielen. Es handelt sich um die Heirat Napoleons I mit Marie-Louise und dabei ist von den geplanten Festen die Rede. »Cependant« sagt eine der Personen »le temps n’est pas trop sûr.« – Antwort: »Mon ami, rassure-toi, ce jour est du choix de notre souverain.« Und darauf stimmt er ein Couplet an, das beginnt:
»On sait qu’à ses regards perçants
L’avenir toujours se dévoile,
Et quand il nous faut du beau temps
Nous l’attendons de son étoile.«
cit bei Théodore Muret: L’histoire par le théâtre 1789-1851 Paris 1865 I p 262 [D 2, 4]
»cette tristesse diserte et plate qu’on appelle l’ennui.« Louis Veuillot: Les odeurs de Paris Paris 1914 p 177 [D 2, 5]
»Jede Tracht reservirt sich einige Stücke, mit welchen sie vorzüglich nobel thut, d. h. welche viel Geld kosten, weil sie schnell ruinirt sind, namentlich weil jeder Regen sie verderbt.« Dies bei Gelegenheit des Cylinders ◼ Mode ◼ F. Th. Vischer: Vernünftige Gedanken über die jetzige Mode 〈in: Kritische Gänge Neue Folge 3. Heft Stuttgart 1861〉 p 124 [D 2, 6]
Langeweile haben wir, wenn wir nicht wissen, worauf wir warten. Daß wir es wissen oder zu wissen glauben, das ist fast immer nichts als der Ausdruck unserer Seichtheit oder Zerfahrenheit. Die Langeweile ist die Schwelle zu großen Taten. – Nun wäre zu wissen wichtig: der dialektische Gegensatz zur Langenweile? [D 2, 7]
Das höchst komische Buch von Emile Tardieu: L’ennui Paris 1903, dessen Hauptthese lautet, das Leben sei zweck- und bodenlos und strebe dem Zustande des Glückes und des Gleichgewichts vergeblich nach, nennt unter den vielen Umständen, die Ursache der Langeweile sein sollen auch das Wetter. – Man kann dies Buch eine Art Andachtsbuch des 20ten Jahrhunderts nennen. [D 2, 8]
Langeweile ist ein warmes graues Tuch, das innen mit dem glühendsten, farbigsten Seidenfutter ausgeschlagen ist. In dieses Tuch wickeln wir uns wenn wir träumen. Dann sind wir in den Arabesken seines Futters zuhause. Aber der Schläfer sieht grau und gelangweilt darunter aus. Und wenn er dann erwacht und erzählen will, was er träumte, so teilt er meist nur diese Langeweile mit. Denn wer vermöchte mit einem Griff das Futter der Zeit nach außen zu kehren? Und doch heißt Träume erzählen nichts anderes. Und nicht anders kann man von den Passagen handeln, Architekturen, in denen wir traumhaft das Leben unserer Eltern, Großeltern nochmals leben wie der Embryo in der Mutter das Leben der Tiere. Das Dasein in diesen Räumen verfließt denn auch akzentlos wie das Geschehen in Träumen. Flanieren ist die Rhythmik dieses Schlummers. 1839 kam über Paris eine Schildkrötenmode. Man kann sich gut vorstellen, wie die Elegants in den Passagen leichter noch als auf den Boulevards das Tempo dieser Geschöpfe nachahmen. ■ Flaneur ■ [D 2 a, 1]
Langeweile ist immer die Außenseite des unbewußten Geschehens. Deshalb ist sie den großen Dandys vornehm erschienen. Ornament und Langeweile. [D 2 a, 2]
Über die Doppelbedeutung von »temps« im Französischen. [D 2 a, 3]
Die Fabrikarbeit als ökonomischer Unterbau der ideologischen Langeweile der Oberklassen. »Der trübselige Schlendrian einer endlosen Arbeitsqual, worin derselbe mechanische Process immer wieder durchgemacht wird, gleicht der Arbeit des Sisyphus; die Last der Arbeit, gleich dem Felsen, fällt immer wieder auf den abgematteten Arbeiter zurück.« Friedrich Engels: Die Lage der arbeitenden Klasse in England 〈2. Aufl. Leipzig 1848〉 p 217 (zit. bei Marx: Kapital Hamburg 1922 I p 388) [D 2 a, 4]
Das Gefühl einer »imperfection incurable« (vgl. Les plaisirs et les jours cit im Hommage von Gide) »dans l’essence même du présent« ist vielleicht für Proust der Hauptgrund gewesen, die mondäne Geselligkeit bis in ihre letzten replis kennen zu lernen, ja ist vielleicht ein Grundmotiv geselliger Zusammenkünfte aller Menschen. [D 2 a, 5]
Über die Salons: »Auf allen Physiognomien zeigten sich die unverkennbarsten Spuren der Langenweile, und die Unterhaltungen waren im Allgemeinen spärlich, still und ernst. Das Tanzen wurde von den Meisten wie eine Frohn-Arbeit angesehen, der man sich unterwerfen müsse, weil es einmal guter Ton sei zu tanzen.« Ferner die Behauptung, daß man »vielleicht in den Gesellschaften keiner Stadt Europas weniger zufriedene, heitere und belebte Gesichter entdeckt, als in den pariser Salons; … ferner nirgends in Gesellschaft mehr als hier, und zwar eben so sehr aus Mode, als aus wirklicher Ueberzeugung, über unausstehliche Langeweile klagen hört.« »Eine natürliche Folge davon ist, daß in den Reunionen eine Stille und Ruhe herrscht, die man in andern Städten bei größeren Gesellschaften gewiß nur ausnahmsweise bemerken wird.« Ferdinand von Gall: Paris und seine Salons Oldenburg 1844 I p 151-153 und 158 [D 2 a, 6]
Man sollte über die Pendülen in den Appartements unter dem Eindruck der folgenden Zeilen nachdenken: »Ein gewisser leichter Sinn, ein ruhiger sorgenloser Blick auf die dahineilende Zeit, ein gleichgültiger Verbrauch der nur zu rasch schwindenden Stunden – dies sind Eigenschaften, welche das oberflächliche Salonleben begünstigen.« Ferdinand von Gail: Paris und seine Salons II Oldenburg 1845 p 171 [D 2 a, 7]
Langeweile der auf den Historienbildern dargestellten Zeremonieszenen und das dolce far niente der Schlachtenbilder mit alle〈m〉 was im Pulverdampfe wohnt. Von den Images d’Epinal bis zu Manets »Erschießung Kaiser Maximilians von Mexiko« ist das die immer gleiche, immer neue Fata Morgana, immer der Dampf, in dem der Mogreby 〈?〉 oder der Geist aus der Flasche vor den träumenden, geistesabwesenden Kunstverständigen auftaucht. ◼ Traumhaus, Museen ◼ [D 2 a, 8]
Schachspieler im Café de la Régence: »C’était là que l’on voyait quelques habiles joueurs faire leur partie en tournant le dos à l’échiquier: il leur suffisait qu’on leur nommât à chaque coup la pièce que l’adversaire avait touchée, pour qu’ils fussent assurés de gagner.« Histoire des Cafés de Paris Paris 1857 p 87 [D 2 a, 9]
»En somme, l’art classique urbain, après avoir donné ses chefs-d’œuvre, s’était stérilisé au temps des philosophes et des faiseurs de systèmes; le XVIIIe siècle finissant avait donné le jour à d’innombrables projets, la Commission des Artistes les avait réunis en corps de doctrine, l’Empire les appliquait sans originalité créatrice. Au style classique flexible et vivant succédait le pseudo-classique, systématique et rigide … L’Arc-de-Triomphe répète la porte Louis XIV, la Colonne est imitée de Rome, la Madeleine, la Bourse et le Palais-Bourbon sont des temples antiques.« Lucien Dubech, Pierre d’Espezel: Histoire de Paris Paris 1926 p 345 ◼ Interieur ◼ [D 3, 1]
»Le premier Empire copia les arcs de triomphe et les monuments des deux siècles classiques. Puis, on croit réinventer en ranimant des modèles plus éloignés: le second Empire imita la Renaissance, le gothique, le pompéien. Puis, on tombe à l’ère de la vulgarité sans style.« Dubech-D’Espezel: Histoire de Paris Paris 1926 p 464 ◼ Interieur ◼ [D 3, 2]
Annonce eines Buches von Benjamin Gastineau »La vie en chemin de fer«: »La Vie en chemin de fer est un ravissant poëme en prose. C’est l’épopée de la vie moderne, toujours emportée et tourbillonnante, le panorama de gaieté et des larmes passant comme la poussière des rails près des stores du wagon.« Par Benjamin Gastineau: Paris en rose Paris 1866 p 4 [D 3, 3]
Man muß sich nicht die Zeit vertreiben – muß die Zeit zu sich einladen. Sich die Zeit vertreiben (sich die Zeit austreiben, abschlagen): der Spieler. Zeit spritzt ihm aus allen Poren. – Zeit laden, wie eine Batterie Kraft lädt: der Flaneur. Endlich der Dritte: er lädt die Zeit und gibt in veränderter Gestalt – in jener der Erwartung – wieder ab: der Wartende. [D 3, 4]
»Die jungen Kalkflöze, auf denen Paris liegt, lösen sich äußerst leicht in Staub auf, und dieser Staub ist, so wie aller Kalkstaub, äußerst schmerzlich für die Augen und die Brust. Ein wenig Regen hilft nicht einmal ein wenig sondern gar nicht, weil sie das Wasser schnell in sich trinken und auf der Oberfläche gleich wieder trocken sind.« »Hiezu kommt das unansehnliche abgebleichte Grau der Häuser, die alle aus dem mürben Flözkalkstein gebaut sind, welcher bei Paris gebrochen wird; – die falben Ziegeldächer, die mit den Jahren schmutzig schwarz werden; – die hohen breiten Schornsteine, die selbst die öffentlichen Gebäude entstellen … und die in einigen Gegenden der Altstadt so dicht auf einander stehen, daß man kaum zwischen ihnen durchsehen kann.« J. F. Benzenberg: Briefe geschrieben auf einer Reise nach Paris Dortmund 1805 I p 112 u 111 [D 3, 5]
»Engels erzählte mir, daß Marx 1848 in Paris im Café de la Regence, einem der ersten Zentren der Revolution von 1789, ihm zum erstenmal den ökonomischen Determinismus seiner Theorie der materialistischen Geschichtsauffassung vortrug.« Paul Lafargue: Persönliche Erinnerungen an Friedrich Engels Die neue Zeit Stuttgart 1905 XXIII, 2 p 558 [D 3, 6]
Langeweile – als Index für die Teilnahme am Schlaf des Kollektivs. Ist sie darum vornehm, so daß der Dandy sie zur Schau trägt? [D 3, 7]
1757 gab es erst drei Cafés in Paris. [D 3 a, 1]
Maximen der Empire-Malerei: »Les artistes nouveaux n’admettaient que le ›style héroïque, le sublime‹, et le sublime ne pouvait être atteint qu’avec ›le nu et la draperie‹ … Les peintres devaient chercher leurs inspirations dans Plutarque ou dans Homère, dans Tite-Live ou dans Virgile, et choisir de préférence, selon la recommandation de David à Gros …, ›des sujets connus de tout le monde‹ … Les sujets empruntés à la vie contemporaine étaient, à cause des costumes, indignes du ›grand art‹.« A Malet et P Grillet: XIXe siècle Paris 1919 p 158 ◼ Mode ◼ [D 3 a, 2]
»L’heureux homme qu’un observateur! Pour lui l’ennui est un mot vide de sens.« Victor Fournel: Ce qu’on voit dans les rues de Paris Paris 1858 p 271 [D 3 a, 3]
Die Langeweile begann in den vierziger Jahren epidemisch empfunden zu werden. Diesem Leiden soll zuerst Lamartine Ausdruck gegeben haben. Es spielt seine Rolle in einer kleinen Geschichte, bei der es sich um den berühmten Komiker Deburau handelt. Ein großer pariser Nervenarzt wurde eines Tages von einem Patienten aufgesucht, der zum ersten Male bei ihm erschien. Der Patient klagte über die Krankheit der Zeit, Unlust zu Leben, tiefe Verstimmungen, Langeweile. »Ihnen fehlt nichts, sagte nach eingehender Untersuchung der Arzt. Sie müßten nur ausspannen, etwas für ihre Zerstreuung tun. Gehen Sie einen Abend zu Deburau und Sie werden das Leben gleich anders ansehen.« »Ach lieber Herr, antwortete der Patient, ich bin Deburau.« [D 3 a, 4]
Rückkehr von den Courses de la Marche: »La poussière a dépassé toutes les espérances. Les élégances retour de la Marche sont quasi ensevelies, à l’instar de Pompeï, et il faut les déterrer à coups de brosse, sinon à coup de pioche.« H de Pêne: Paris intime Paris 1859 p 320 [D 3 a, 5]
»L’introduction du système Mac Adam pour le pavage des boulevards donna naissance à de nombreuses caricatures. Cham montre les Parisiens aveuglés par la poussière et propose d’ériger … une statue, avec cette inscription: ›A Macadam, les oculistes et les marchands de lunettes reconnaissants!‹ D’autres représentent les promeneurs juchés sur des échasses et parcourant ainsi les marécages et les fondrières.« Paris sous la République de 1848 Exposition de la Bibliothèque et des Travaux historiques de la Ville de Paris 1909 [Poëte, Beaurepaire, Clouzot, Henriot] p 25 [D 3 a, 6]
»L’Angleterre seule pouvait produire le dandysme; la France est aussi incapable d’engendrer son équivalent que sa voisine l’est d’offrir l’équivalent de nos … lions, aussi empressés de plaire que les dandys en sont dédaigneux … D’Orsay … plaisait naturellement et passionnément à tout le monde, même aux hommes, tandis que les dandys ne plaisaient qu’en déplaisant … Du lion au gandin, il y a un abîme; mais quel autre abîme entre le gandin et le petit crevé!« Larousse〈: Grand dictionnaire universelle〉 du dix-neuvième siècle 〈VI Paris 1870 (art dandy) p 63〉 [D 4, 1]
Im drittvorletzten Kapitel seines Buches »Paris depuis ses origines jusqu’en l’an 3000« Paris 1886 spricht Léo Claretie von einem Schutzdach aus Kristallplatten, das bei Regen über die Stadt geschoben wird – im Jahre 1987. »En 1987« lautet die Überschrift dieses Kapitels. [D 4, 2]
Mit Beziehung auf Chodruc-Duclos: »C’était peut-être le débris de quelque vieux et âpre citoyen d’Herculanum qui, s’étant échappé de son lit souterrain, nous revenait criblé des mille colères volcaniques et vivait dans la mort.« Mémoires de Chodruc-Duclos Recueillis et publiés par J Arago et Edouard Gouin Paris 1843 I p 6 (Préface) Der erste Flaneur unter den Deklassierten. [D 4, 3]
Le monde où l’on s’ennuie – »Mais, si l’on s’y ennuie, quelle influence peut-il avoir?« – »Quelle influence! … quelle influence, l’ennui, chez nous? mais énorme! … mais considérable! Le Français, vois-tu, a pour l’ennui une horreur poussée jusqu’à la vénération. Pour lui, l’ennui est un dieu terrible qui a pour culte la tenue. Il ne comprend le sérieux que sous cette forme.« Edouard Pailleron: Le monde où l’on s’ennuie (1881) 1,2 (Edouard Pailleron: Théâtre complet III Paris 〈1911〉 p 279〈)〉 [D 4, 4]
Michelet »forme une description, pleine d’intelligence et de pitié, de la condition, vers 1840, des premiers manœuvres spécialisés. Voici ›l’enfer de l’ennui‹ dans les tissages: ›Toujours, toujours, toujours, c’est le mot invariable que tonne à notre oreille le roulement automatique dont tremblent les planches. Jamais l’on ne s’y habitue.‹ Souvent les remarques de Michelet (par example sur la rêverie et les rythmes des métiers) devancent intuitivement les analyses expérimentales des psychologues modernes.« Georges Friedmann: La crise du progrès Paris 〈1936〉 p 244 [das Zitat aus Michelet: Le peuple Paris 1846 p 83][D 4, 5]
faire droguer im Sinne von faire attendre gehört dem Argot der revolutionären und kaiserlichen Heere an. (Nach Brunot: Histoire de la langue française IX La Révolution et l’Empire Paris 1937 〈p 997〉 [D 4, 6]
»Pariser Leben«〈:〉 »Wie ein Andenken hinter Glas erscheint Paris in jenem Empfehlungsbrief, den Baron Stanislas de Frascata seinem Freund Gondremarck für Metella mitgibt. Der an die väterliche Scholle gefesselte Briefschreiber klagt darin, daß er sich aus seinem ›kalten Land‹ nach den Champagnergelagen zurücksehne, dem himmelblauen Boudoir Metellas, den Soupers, den Liedern, der Trunkenheit. Hell steht Paris vor ihm: ein Ort, an dem die Standesunterschiede getilgt sind, eine Stadt voll südlicher Wärme und tosenden Lebens. Metella liest Frascatas Brief, und während sie ihn liest, umspielt die Musik das kleine leuchtende Erinnerungsbild mit einer Wehmut, als sei Paris das verlorene Paradies, und mit einer Seligkeit, die es dem verheißenen gleichsetzt. Wenn dann die Handlung fortschreitet, entsteht der unabweisbare Eindruck, dieses Bild selber begänne lebendig zu werden.« S Kracauer: Jacques Offenbach und das Paris seiner Zeit Amsterdam 1937 p 348/349 [D 4 a, 1]
»Le Romantisme aboutit à une théorie de l’ennui, le sentiment moderne de la vie à une théorie du pouvoir ou, au moins, de l’énergie … Le Romantisme, en effet, marque la prise de conscience par l’homme d’un faisceau d’instincts à la répression desquels la société est fortement intéressée, mais, pour une large part, il manifeste l’abandon de la lutte … L’écrivain romantique … se tourne vers … une poésie de refuge et d’évasion. La tentative de Balzac et de Baudelaire est exactement inverse et tend à intégrer dans la vie les postulations que les Romantiques se résignaient à satisfaire sur le seul plan de l’art … Par là, cette entreprise est bien apparentée au mythe qui signifie toujours un accroissement du rôle de l’imagination dans la vie.« Roger Caillois: Paris, mythe moderne (Nouvelle Revue Française XXV, 284 1 mai 1937 p 695 et 697) [D 4 a, 2]
1839 »La France s’ennuit« Lamartine [D 4 a, 3]
Baudelaire im Essay über Guys: »Le dandysme est une institution vague, aussi bizarre que le duel; très ancienne, puisque César, Catilina, Alcibiade nous en fournissent des types éclatants; très générale, puisque Chateaubriand l’a trouvée dans les forêts et au bord des lacs du Nouveau-Monde.« Baudelaire: L’art romantique Paris p 91 [D 4 a, 4]
Das Guys-Kapitel des »L’art romantique« über die Dandys: »Tous sont des représentants … de ce besoin, trop rare chez ceux d’aujourd’hui, de combattre et de détruire la trivialité … Le dandysme est le dernier éclat d’héroïsme dans les décadences; et le type du dandy retrouvé par le voyageur dans l’Amérique du Nord n’infirme en aucune façon cette idée; car rien n’empêche de supposer que les tribus que nous nommons sauvages soient les débris de grandes civilisations disparues … Ai-je besoin de dire que M. G., quand il crayonne un de ses dandys sur le papier, lui donne toujours son caractère historique, légendaire même, oserais-je dire, s’il n’était pas question du temps présent et de choses considérées généralement comme folâtres?« Baudelaire: L’art romantique (éd Hachette tome III) Paris p 94/95 [D 5, 1]
Baudelaire formuliert so die Impression, die der vollendete Dandy erwecken muß: »Voilà peut-être un homme riche, mais plus certainement un Hercule sans emploi.« Baudelaire: L’art romantique Paris p 96 [D 5, 2]
Die Menge als remède suprême gegen den ennui erscheint im Essay über Guys: »Tout homme, disait un jour M. G. dans une de ces conversations qu’il illumine d’un regard intense et d’un geste évocateur, tout homme ... qui s’ennuie au sein de la multitude, est un sot! un sot! et je le méprise!« Baudelarie: L’art romantique p 65 [D 5, 3]
Unter allen Gegenständen, die Baudelaire als erster dem lyrischen Ausdruck erschlossen hat, dürfte einer voranstehen: das schlechte Wetter. [D 5, 4]
Die bekannte Anekdote von dem von Langeweile heimgesuchten Schauspieler Deburau bildet, einem »Carlin« zugeschrieben, die pièce de résistance des versifizierten »Eloge de l’ennui« von Charles Boissière de la société philotechnique Paris 1860 – Carlin ist ein nach dem Vornamen eines italienischen Harlekindarstellers gebildeter Hundename. [D 5, 5]
»La monotonie se nourrit de neuf.« Jean Vaudal: Le tableau noir (cit E Jaloux: L’esprit des livres Nouvelles Littéraires 20 novembre 1937) [D 5, 6]
Contrepartie der Blanqui’schen Weltansicht: das Universum ist eine Stätte dauernder Katastrophen. [D 5, 7]
Zu 〈»〉l’Eternité par les astres«: Blanqui, der an der Schwelle des Grabes das Fort du Taureau als sein letztes Gefängnis weiß und dieses Buch schreibt, um neue Kerkertüren sich zu erschließen. [D 5 a, 1]
Zu »L’Eternité par les astres«: Blanqui unterwirft sich der bürgerlichen Gesellschaft. Aber es ist ein Kniefall von solcher Gewalt, daß ihr Thron darüber ins Wanken kommt. [D 5 a, 2]
Zu »L’Eternité par les astres«: In dieser Schrift ist der Himmel ausgespannt, an dem die Menschen des neunzehnten Jahrhunderts die Sterne stehen sehen. [D 5 a, 3]
In den Litanies de Satan dürfte (〈Baudelaire: Œuvres〉 ed Le Dantec 〈Bd. 1, Paris 1931〉 p 138) die Figur Blanquis bei Baudelaire auftauchen: »Toi qui fais au proscrit ce regard calme et haut.« In der Tat gibt es ja von Baudelaire eine aus dem Gedächtnis vollführte Zeichnung, die den Kopf von Blanqui darstellt. [D 5 a, 4]
Um die Bedeutung der nouveauté zu erfassen, muß man auf die Neuigkeit im täglichen Leben zurückgehen. Warum teilt jeder dem andern das Neueste mit? Wahrscheinlich um über die Toten zu triumphieren. So nur, wenn es nichts wirklich Neues gibt. [D 5 a, 5]
Die Schrift, die Blanqui in seinem letzten Gefängnis als seine letzte geschrieben hat, ist soviel ich sehe, bis heute gänzlich unbeachtet geblieben. Es ist eine kosmologische Spekulation. Zuzugeben ist, daß sie beim ersten Blättern sich abgeschmackt und banal anläßt. Indessen sind die unbeholfenen Überlegungen eines Autodidakten nur die Vorbereitung einer von keinem weniger als von diesem Revolutionär zu vergegenwärtigenden Spekulation. Sofern die Hölle ein theologischer Gegenstand ist, kann man sie in der Tat eine theologische nennen. Die kosmische Weltansicht, die Blanqui darin entwirft, indem er der mechanistischen Naturwissenschaft der bürgerlichen Gesellschaft seine Daten entnimmt, ist eine infernalische – ist zugleich ein Komplement der Gesellschaft, die B〈lanqui〉 an seinem Lebensabend als Sieger über sich zu erkennen gezwungen war. Das Erschütternde ist, daß diesem Entwurf jede Ironie fehlt. Es ist eine vorbehaltlose Unterwerfung, zugleich aber die furchtbarste Anklage gegen eine Gesellschaft, die dieses Bild des Kosmos als ihre Projektion an den Himmel wirft. Das Stück, das sprachlich von sehr starker Prägung ist hat sowohl zu Baudelaire als zu Nietzsche die merkwürdigsten Beziehungen. (Brief vom 6 I 1938 an Horkheimer) [D 5 a, 6]
Aus Blanquis »L’éternité par les astres«: »Quel homme ne se trouve parfois en présence de deux carrières? Celle dont il se détourne lui ferait une vie bien différente, tout en le laissant la même individualité. L’une conduit à la misère, à la honte, à la servitude. L’autre menait à la gloire, à la liberté. Ici une femme charmante et le bonheur; là une furie et la désolation. Je parle pour les deux sexes. On prend au hasard ou au choix, n’importe, on n’échappe pas à la fatalité. Mais la fatalité ne trouve pas pied dans l’infini, qui ne connaît point l’alternative et a place pour tout. Une terre existe où l’homme suit la route dédaignée dans l’autre par le sosie. Son existence se dédouble, un globe pour chacune, puis se bifurque une seconde, une troisième fois, de milliers de fois. Il possède ainsi des sosies complets et des variantes innombrables de sosies, qui multiplient et représentent toujours sa personne, mais ne prennent que des lambeaux de sa destinée. Tout ce qu’on aurait pu être ici-bas, on l’est quelque part ailleurs. Outre son existence entière, de la naissance à la mon, que l’on vit sur une foule de terres, on en vit sur d’autres dix mille éditions différentes.« cit Gustave Geffroy: L’enfermé Paris 1897 p 399 [D 6, 1]
Aus dem Schluß der »Eternité par les astres«: »Ce que j’écris en ce moment dans un cachot du fort du Taureau, je l’ai écrit et je l’écrirai pendant l’éternité, sur une table, avec une plume, sous des habits, dans des circonstances toutes semblables.« cit Gustave Geffroy: L’enfermé Paris 1897 p 401 Unmittelbar anschließend Geffroy: »Il écrit ainsi son sort dans le nombre sans fin des astres et à tous les instants de la durée. Son cachot se multiple jusqu’à l’incalculable. Il est, dans l’univers entier, l’enfermé qu’il est sur cette terre, avec sa force révoltée, sa pensée libre.« [D 6, 2]
Aus dem Schluß von L’éternité par les astres: »A l’heure présente, la vie entière de notre planète, depuis la naissance jusqu’à la mort, se détaille, jour par jour, sur des myriades d’astres-frères, avec tous ses crimes et ses malheurs. Ce que nous appelons le progrès est claquemuré sur chaque terre, et s’évanouit avec elle. Toujours et partout, dans le camp terrestre, le même drame, le même décor, sur la même scène étroite, une humanité bruyante, infatuée de sa grandeur, se croyant l’univers et vivant dans sa prison comme dans une immensité, pour sombrer bientôt avec le globe qui a porté dans le plus profond dédain, le fardeau de son orgueil. Même monotonie, même immobilisme dans les astres étrangers. L’univers se répète sans fin et piaffe sur place.« cit Gustave Geffroy: L’enfermé Paris 1897 p 402 [D 6 a, 1]
Blanqui betont ausdrücklich den wissenschaftlichen Charakter seiner Thesen, die nichts mit fourierschen Spielereien zu tun hätten. 〈»〉Il faut arriver à admettre que chaque combinaison particulière du matériel et du personnel ›doit se répeter des milliards de fois pour faire face aux nécessités de l’infini〈‹〉.« cit Geffroy: L’enfermé Paris 1897 p 400 [D 6 a, 2]
Menschenfeindschaft Blanquis: »Les variations commencent avec les êtres animés qui ont des volontés, autrement dit, des caprices. Dès que les hommes interviennent surtout, la fantaisie intervient avec eux. Ce n’est pas qu’ils puissent toucher beaucoup à la planète …. Leur turbulence ne trouble jamais sérieusement la marche naturelle des phénomènes physiques, mais elle bouleverse l’humanité. Il faut donc prévoir cette influence subversive qui … déchire les nations et culbute les empires. Certes, ces brutalités s’accomplissent, sans même égratigner l’épiderme terrestre. La disparition des perturbateurs ne laisserait pas trace de leur présence soi-disant souveraine, et suffirait pour rendre à la nature sa virginité à peine effleurée.« Blanqui: Eternité 〈par les astres〉 p 63/4 [D 6 a, 3]
Schlußkapitel (VIII Résumé) von Blanqui’s »Eternité par les astres«: »L’univers tout entier est composé de systèmes stellaires. Pour les créer, la nature n’a que cent corps simples à sa disposition. Malgré le parti prodigieux qu’elle sait tirer de ces ressources et le chiffre incalculable de combinaisons qu’elles permettent à sa fécondité, le résultat est nécessairement un nombre fini, comme celui des éléments eux-mêmes, et pour remplir l’étendue, la nature doit répéter à l’infini chacune de ses combinaisons originales ou types. / Tout astre, quel qu’il soit, existe donc en nombre infini dans le temps et dans l’espace, non pas seulement sous l’un de ses aspects, mais tel qu’il se trouve à chacune des secondes de sa durée, depuis la naissance jusqu’à la mort. Tous les êtres répartis à sa surface, grands ou petits, vivants ou inanimés, partagent le privilège de cette pérennité. / La terre est l’un de ces astres. Tout être humain est donc éternel dans chacune des secondes de son existence. Ce que j’écris en ce moment dans un cachot du fort du Taureau, je l’ai écrit et je l’écrirai pendant l’éternité, sur une table, avec une plume, sous des habits, dans des circonstances toutes semblables. Ainsi de chacun. / Toutes ces terres s’abîment, l’une après l’autre, dans les flammes rénovatrices, pour en renaître et y retomber encore, écoulement monotone d’un sablier qui se retourne et se vide éternellement lui-même. C’est du nouveau toujours vieux, et du vieux toujours nouveau. / Les curieux de vie ultra-terrestre pourront cependant sourire à une conclusion mathématique qui leur octroie, non pas seulement l’immortalité, mais l’éternité? Le nombre de nos sosies est infini dans le temps et dans l’espace. En conscience, on ne peut guère exiger davantage. Ces sosies sont en chair et en os, voire en pantalon et paletot, en crinoline et en chignon. Ce ne sont point là des fantômes, c’est de l’actualité éternisée. / Voici néanmoins un grand défaut: il n’y a pas progrès. Hélas! non, ce sont des rééditions vulgaires, des redites. Tels les exemplaires des mondes passés, tels ceux des mondes futurs. Seul, le chapitre des bifurcations reste ouvert à l’espérance. N’oublions pas que tout ce qu’on aurait pu être ici-bas, on l’est quelque part ailleurs. / Le progrès n’est ici-bas que pour nos neveux. Ils ont plus de chance que nous. Toutes les belles choses que verra notre globe, nos futurs descendants les ont déjà vues, les voient en ce moment et les verront toujours, bien entendu, sous la forme de sosies qui les ont précédés et qui les suivront. Fils d’une humanité meilleure, ils nous ont déjà bien bafoués et bien conspués sur les terres mortes, en y passant après nous. Ils continuent à nous fustiger sur les terres vivantes d’où nous avons disparu, et nous poursuivront à jamais de leur mépris sur les terres à naître. / Eux et nous, et tous les hôtes de notre planète, nous renaissons prisonniers du moment et du lieu que les destins nous assignent dans la série de ses avatars. Notre pérennité est un appendice de la sienne. Nous ne sommes que des phénomènes partiels de ses résurrections. Hommes du XIXe siècle, l’heure de nos apparitions est fixée à jamais, et nous ramène toujours les mêmes, tout au plus avec la perspective de variantes heureuses. Rien là pour flatter beaucoup la soif du mieux. Qu’y faire? Je n’ai point cherché mon plaisir, j’ai cherché la vérité. Il n’y a ici ni révélation, ni prophète, mais une simple déduction de l’analyse spectrale et de la cosmogonie de Laplace. Ces deux découvertes nous font éternels. Est-ce une aubaine? Profitons-en. Est-ce une mystification? Résignons-nous / … / Au fond, elle est mélancolique cette éternité de l’homme par les astres, et plus triste encore cette séquestration des mondes-frères par l’inexorable barrière de l’espace. Tant de populations identiques qui passent sans avoir soupçonné leur mutuelle existence! Si, bien. On la découvre enfin au XIXe siècle. Mais qui voudra y croire? / Et puis, jusqu’ici, le passé pour nous représentait la barbarie, et l’avenir signifiait progrès, science, bonheur, illusion! Ce passé a vu sur tous nos globes-sosies les plus brillantes civilisations disparaître, sans laisser une trace, et elles disparaîtront encore sans en laisser davantage. L’avenir reverra sur des milliards de terres les ignorances, les sottises, les cruautés de nos vieux âges! / A l’heure présente, la vie entière de notre planète, depuis la naissance jusqu’à la mort, se détaille, jour par jour, sur des myriades d’astres-frères, avec tous ses crimes et ses malheurs. Ce que nous appelons le progrès est claquemuré sur chaque terre, et s’évanouit avec elle. Toujours et partout, dans le camp terrestre, le même drame, le même décor, sur la même scène étroite, une humanité bruyante, infatuée de sa grandeur, se croyant l’univers et vivant dans sa prison comme dans une immensité, pour sombrer bientôt avec le globe qui a porté dans le plus profond dédain, le fardeau de son orgueil. Même monotonie, même immobilisme dans les astres étrangers. L’univers se répète sans fin et piaffe sur place. L’éternité joue imperturbablement dans l’infini les mêmes représentations.« A Blanqui: L’éternité par les astres Hypothèse astronomique Paris 1872 p 73-76 Der fehlende Abschnitt verweilt bei der »consolation« der Vorstellung, daß die auf der Erde entrückten Lieben unserm Ebenbild auf einem andern Stern als Ebenbilder zur Stunde Gesellschaft leisten. [D 7; D 7 a]
»Denken wir diesen Gedanken in seiner furchtbarsten Form: das Dasein, so wie es ist, ohne Sinn und Ziel, aber unvermeidlich wiederkehrend, ohne ein Finale in’s Nichts: ›die ewige Wiederkehr‹. [p 45] … Wir leugnen Schluß-Ziele: hätte das Dasein eins, so müßte es erreicht sein.« Friedrich Nietzsche: Gesammelte Werke München 〈1926〉 XVIII (Der Wille zur Macht, Erstes Buch) p 46 [D 8, 1]
»Die Lehre der ewigen Wiederkunft würde gelehrte Voraussetzungen haben.« Nietzsche: Ges. Werke München XVIII p 49 (Der Wille zur Macht, Erstes Buch) [D 8, 2]
»Die alte Gewohnheit aber, bei allem Geschehen an Ziele … zu denken, ist so mächtig, daß der Denker Mühe hat, sich selber die Ziellosigkeit der Welt nicht wieder als Absicht zu denken. Auf diesen Einfall – daß also die Welt absichtlich einem Ziele ausweiche … – müssen alle Die verfallen, welche der Welt das Vermögen zur ewigen Neuheit aufdecretiren mochten [p 369] … Die Welt, als Kraft, darf nicht unbegrenzt gedacht werden, denn sie kann nicht so gedacht werden … Also – fehlt der Welt auch das Vermögen zur ewigen Neuheit.« Nietzsche: GW XIX 〈München 1926〉 p 370 (Der Wille zur Macht, Viertes Buch) [D 8, 3]
»Die Welt … lebt von sich selber: ihre Excremente sind ihre Nahrung.« Nietzsche: GW XIX p 371 (Der Wille zur Macht, Viertes Buch) [D 8, 4]
Die Welt »ohne Ziel, wenn nicht im Glück des Kreises ein Ziel liegt, ohne Willen, wenn nicht ein Ring zu sich selber guten Willen hat.« Nietzsche: Gesammelte Werke München XIX p 374 (Der Wille zur Macht, Viertes Buch) [D 8, 5]
Zur ewigen Wiederkunft: »Der große Gedanke als Medusenhaupt: alle Züge der Welt werden starr, ein gefrorener Todeskampf.« Friedrich Nietzsche: Gesammelte Werke München 〈1925〉 XIV Aus dem Nachlaß 1882-1888 p 188 [D 8, 6]
»Wir schufen den schwersten Gedanken, – nun laßt uns das Wesen schaffen, dem er leicht und selig ist!« Nietzsche: Gesammelte Werke München XIV Aus dem Nachlaß 1882-1888 p 179 [D 8, 7]
Analogie der späten Hinwendung zu den Naturwissenschaften bei Engels und bei Blanqui〈.〉 [D 8, 8]
»Wenn die Welt als bestimmte Größe von Kraft und als bestimmte Zahl von Kraftcentren gedacht werden darf – und jede andre Vorstellung bleibt … unbrauchbar –, so folgt daraus, daß sie eine berechenbare Zahl von Combinationen, im großen Würfelspiel ihres Daseins, durchzumachen hat. In einer unendlichen Zeit würde jede mögliche Combination irgendwann einmal erreicht sein; mehr noch: sie würde unendliche Male erreicht sein. Und da zwischen jeder Combination und ihrer nächsten Wiederkehr alle überhaupt noch möglichen Combinationen abgelaufen sein müßten …, so wäre damit ein Kreislauf von absolut identischen Reihen bewiesen … Diese Conception ist nicht ohne Weiteres eine mechanistische: denn wäre sie das, so würde sie nicht eine unendliche Wiederkehr identischer Fälle bedingen, sondern einen Finalzustand. Weil die Welt ihn nicht erreicht hat, muß der Mechanismus uns als unvollkommne und nur vorläufige Hypothese gelten.« Nietzsche: Gesammelte Werke München 〈1926〉 XIX p 373 (Der Wille zur Macht, Viertes Buch) [D 8 a, 1]
In der Idee der ewigen Wiederkunft überschlägt der Historismus des 19ten Jahrhunderts sich selbst. Ihr zufolge wird jede Überlieferung, auch die jüngste, zu der von etwas, was sich schon in der unvordenklichen Nacht der Zeiten abgespielt hat. Die Tradition nimmt damit den Charakter einer Phantasmagorie an, in der die Urgeschichte in modernster Ausstaffierung über die Bretter geht. [D 8 a, 2]
Nietzsches Bemerkung, die Lehre von der ewigen Wiederkunft schließe den Mechanismus nicht ein, scheint das Phänomen des perpetuum mobile (nichts anderes würde die Welt nach seiner Lehre sein) als Instanz gegen die mechanistische Weltauffassung geltend zu machen. [D 8 a, 3]
Zum Problem: Moderne und Antike. »Jenes haltlos und sinnlos gewordene Dasein und diese unfaßlich und unsinnlich gewordene Welt kommen zusammen im Wollen der ewigen Wiederkunft des Gleichen als dem Versuch: auf der Spitze der Modernität im Sinnbild zu wiederholen das griechische Leben im lebendigen Kosmos der sichtbaren Welt.« Karl Löwith: Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkunft des Gleichen Berlin 1935 p 83 [D 8 a, 4]
»L’éternité par les astres« ist vier, spätestens fünf Jahre nach Baudelaires Tod geschrieben (gleichzeitig mit der Commune de Paris?) – Es zeigt sich in dieser Schrift, was die Sterne in der Welt anrichten, aus der Baudelaire sie mit gutem Grunde ausschloß. [D 9, 1]
Die Idee der ewigen Wiederkunft zaubert aus der Misere der Gründerjahre die Phantasmagorie des Glücks hervor. Diese Lehre ist ein Versuch, die einander widersprechenden Tendenzen der Lust mit einander zu vereinbaren: die der Wiederholung und die der Ewigkeit. Dieser Heroismus ist ein Gegenstück zu dem Heroismus von Baudelaire, der aus der Misere des second empire die Phantasmagorie der Moderne hervorzaubert. [D 9, 2]
Der Gedanke der ewigen Wiederkehr kam auf als die Bourgeoisie der bevorstehenden Entwicklung der von ihr ins Werk gesetzten Produktionsordnung nicht mehr ins Auge zu blicken wagte. Der Gedanke Zarathustras und der ewigen Wiederkunft und die gestickte Devise des Schlummerkissens »Nur ein Viertelstündchen« gehören zusammen. [D 9, 3]
Kritik an der Lehre von der ewigen Wiederkunft: »Als Naturwissenschaftler ist … Nietzsche ein philosophierender Dilettant und als Religionsstifter ein ›Zwitter von Krankheit und Wille zur Macht‹.« [Vorwort zu Ecce Homo] (p 83) »Die ganze Lehre scheint somit nichts anderes als ein Experiment des menschlichen Willens zu sein und als ein Versuch zur Verewigung unsres Tuns und Lassens, ein atheistischer Religionsersatz. Dem entspricht der Stil der Predigt und die Komposition des Zarathustra, die oft bis ins einzelne das Neue Testament imitiert.« (p 86/87) Karl Lowith: Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkunft des Gleichen Berlin 1935 [D 9, 4]
Es gibt einen Entwurf, in dem Cäsar statt Zarathustra der Träger von Nietzsches Lehre ist. (Löwith p 73) Das ist von Wichtigkeit. Es unterstreicht daß Nietzsche die Komplizität seiner Lehre mit dem Imperialismus ahnte. [D 9, 5]
Löwith nennt Nietzsches »neue Wahrsagung … die Einheit … erstens von der aus den Sternen des Himmels und zweitens von der aus dem Nichts, welches die letzte Wahrheit in der Wüste der Freiheit des eigenen Könnens ist«. Löwith p 81 [D 9, 6]
Aus Les étoiles von Lamartine:
»Alors ces globes d’or, ces îles de lumière,
Que cherche par instinct la rêveuse paupière,
Jaillissent par milliers de l’ombre qui s’enfuit,
Comme une poudre d’or sur les pas de la nuit;
Et le souffle du soir qui vole sur sa trace
Les sème en tourbillons dans le brillant espace.«
»Tout ce que nous cherchons, l’amour, là vérité,
Ces fruits tombés du ciel, dont la terre a goûté,
Dans vos brillants climats que le regard envie
Nourrissent à jamais les enfants de la vie;
Et l’homme un jour peut-être, à ses destins rendu,
Retrouvera chez vous tout ce qu’il a perdu.«
Lamartine: Œuvres complètes I Paris 1850 p 221 und 224 (Méditations) Die Meditation schließt mit einer Träumerei, in der Lamartine sich selber als Stern unter die Sterne versetzt wissen will. [D 9 a, 1]
Aus L’infini dans les cieux von Lamartine:
»Et l’homme cependant, cet insecte invisible,
Rampant dans les sillons d’un globe imperceptible,
Mesure de ces feux les grandeurs et les poids,
Leur assigne leur place, et leur route, et leurs lois,
Comme si, dans ses mains que le compas accable,
Il roulait ces soleils comme des grains de sable!«
»Et Saturne obscurci de son anneau lointain!«
Lamartine: Œuvres complètes Paris 1850 p 81/82 und 82 (Harmonies poétiques et religieuses) [D 9 a, 2]
Dislokation der Hölle: »Et, finalement, quel est le lieu des peines? Toutes les régions de l’univers d’une condition analogue à la terre et pires encore.« Jean Reynaud: Terre et Ciel Paris 1854 p 377 Das ungewöhnlich törichte Buch gibt seinen theologischen Synkretismus, seine philosophie religieuse als die neue Theologie aus. Die Ewigkeit der Höllenstrafen ist ein Irrglaube: »l’ancienne trilogie Terre, Ciel et Enfer se trouve donc finalement réduite à la dualité druidique Terre et Ciel.« p XIII [D 9 a, 3]
Das Warten ist gewissermaßen die ausgefütterte Innenseite der Langenweile. (Hebel: Die Langeweile wartet auf den Tod.) [D 9 a, 4]
»J’arrivais le premier; j’étais fait pour l’attendre.« J-J Rousseau: Les confessions éd Hilsum Paris 〈1931〉 III p 115 [D 9 a, 5]
Erste Andeutung der Lehre von der ewigen Wiederkunft am Ende des vierten Buches der »Fröhlichen Wissenschaft«: »Wie, wenn dir eines Tages oder Nachts ein Dämon in deine einsamste Einsamkeit nachschliche und dir sagte: ›Dieses Leben, wie du es jetzt lebst und gelebt hast, wirst du noch ein Mal und noch unzählige Male leben müssen; und es wird nichts Neues daran sein, sondern jeder Schmerz und jede Lust und jeder Gedanke und Seufzer und alles unsäglich Kleine und Große deines Lebens muß dir wiederkommen, und alles in derselben Reihe und Folge – und ebenso diese Spinne und dieses Mondlicht zwischen den Bäumen, und ebenso dieser Augenblick und ich selber. Die ewige Sanduhr des Daseins wird immer wieder umgedreht – und du mit ihr, Stäubchen vom Staube!‹ – Würdest du … nicht … den Dämon verfluchen, der so redete? Oder hast du einmal einen ungeheuren Augenblick erlebt, wo du ihm antworten würdest: ›du bist ein Gott und nie hörte ich Göttlicheres!‹« (cit Löwith: Nietzsches Philosophie der ewigen Wiederkunft 〈des Gleichen Berlin 1935〉 p 57/8〈)〉 [D 10, 1]
Die Blanquische Theorie als eine répétition du mythe – ein fundamentales Exempel der Urgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts. In jedem Jahrhundert muß die Menschheit nachsitzen. Vgl die fundamentale Formulierung zur Urgeschichte des neunzehnten Jahrhunderts N 3 a, 2, auch N 4,1 [D 10, 2]
Die »ewige Wiederkehr« ist die Grundform des urgeschichtlichen, mythischen Bewußtseins. (Es ist wohl eben darum ein mythisches, weil es nicht reflektiert.) [D 10, 3]
Die Eternité par les astres ist mit de〈m〉 esprit quarante-huitard zu konfrontieren, wie er in Reynauds »Terre et Ciel« lebendig ist. Darüber Cassou: »L’homme, découvrant son destin terrestre, en reçoit une sorte de vertige, et ne peut tout de suite se conformer à ce seul destin terrestre. Il faut qu’il y associe la plus vaste immensité possible de temps et d’espace. C’est sous sa dimension la plus étendue qu’il veut s’enivrer d’être, de mouvement, de progrès. Alors seulement il peut en toute confiance et en toute fierté prononcer cette sublime parole du même Jean Reynaud: ›J’ai longtemps pratiqué l’univers.‹« »Nous ne rencontrons rien dans l’univers qui ne puisse servir à nous élever, et nous ne pouvons nous élever réellement qu’en nous aidant de ce que nous offre l’univers. Les astres eux-mêmes, dans leur sublime hiérarchie, ne sont que les degrés superposés, par lesquels nous montons progressivement vers l’infini.« 〈Jean〉 Cassou: Quarante-huit (Paris 1939) p 49 et48 [D 10, 4]
Das Leben im Bannkreis der ewigen Wiederkehr gewährt eine Existenz, die aus dem Auratischen nicht heraustritt. [D 10 a, 1]
Je mehr das Leben administrativ genormt wird, desto mehr müssen die Leute das Warten lernen. Das Hasardspiel hat den großen Reiz, die Leute vom Warten freizumachen. [D 10 a, 2]
Der Boulevardier (Feuilletonist) wartet, worauf er denn eigentlich wartet. Hugos Attendre c’est la vie gilt in erster Linie für ihn. [D 10 a, 3]
Die Essenz des mythischen Geschehens ist Wiederkehr. Ihm ist als verborgene Figur die Vergeblichkeit einbeschrieben, die einigen Helden der Unterwelt (Tantalus, Sisyphos oder die Danaiden) an der Stirne geschrieben steht. Den Gedanken der ewigen Wiederkunft im neunzehnten Jahrhundert noch einmal denkend, macht Nietzsche die Figur dessen, an dem das mythische Verhängnis sich neu vollzieht. (Die Ewigkeit der Höllenstrafen hat der antiken Idee der ewigen Wiederkunft vielleicht ihre furchtbarste Spitze abgebrochen. Sie setzt die Ewigkeit der Qualen an die Stelle, an der die Ewigkeit eines Umlaufs stand.) [D 10 a, 4]
Der Glaube an den Fortschritt, an eine unendliche Perfektibilität – eine unendliche Aufgabe in der Moral – und die Vorstellung von der ewigen Wiederkehr sind komplementär. Es sind die unauflöslichen Antinomien, angesichts deren der dialektische Begriff der historischen Zeit zu entwickeln ist. Ihm gegenüber erscheint die Vorstellung von der ewigen Wiederkehr als eben der »platte Rationalismus« als der der Fortschrittsglaube verrufen ist und dieser letztere der mythischen Denkweise ebenso angehörend wie die Vorstellung von der ewigen Wiederkehr. [D 10 a, 5]