Glieder

Glieder. (Baukunst) Sind die kleineren Teile, aus deren Zusammensetzung die zur Verzierung der Gebäude und der wesentlichen Teile derselben gehörigen Hauptteile, besonders die Gesimse, entstehen. Die verschiedenen kleineren und größeren Teile, woraus der im Artikel Attisch abgezeichnete Säulenfuß zusammengesetzt ist, sind Glieder desselben.

  Die Glieder sind für die Gesimse beinahe, was die Buchstaben für die Wörter sind: und wie aus wenig Buchstaben eine unzählbare Menge von Wörtern kann zusammengesetzt werden, so entsteht aus der verschiedenen Zusammensetzung der Glieder eine große Mannigfaltigkeit der Gesimse, Füße und Kränze, wodurch so wohl die verschiedenen Ordnungen sich von einander unterscheiden als auch die Gebäude überhaupt ihren Charakter des Reichtums oder der Einfalt bekommen. Es ist nichts leichters als unzählige Arten von Kränzen und Gesimsen zu erfinden; aber sie in jedem Falle so zu erfinden, wie sie sich für das Gebäude und den besonderen Teil desselben am besten schicken, ist das Werk eines ganz verständigen und einen guten Geschmack besitzenden Baumeisters.

 Die Glieder sind in Ansehung ihrer Form von zweierlei Gattung, nämlich platt oder gebogen; und diese letztere sind entweder einwärts oder auswärts, das ist hol oder bauchigt oder halb auswärts und halb einwärts gebogen. Sie bekommen sowohl nach der Verschiedenheit der Form als nach der Größe verschiedene Namen. In Ansehung der Größe werden sie in große, mittlere und kleine Glieder eingeteilt. Die welche den sechsten Teil eines Models und darüber hoch oder breit sind, machen die Klasse der großen Glieder aus; die, deren Höhe vom zwölften bis auf den sechsten Teil des Models steigen kann, gehören zu den mittlern; und die noch niedriger oder schmäler sind als der zwölfte Teil des Models beträgt, sind die kleinen. Die gebräuchlichsten Glieder sind in folgenden Zeichnungen abgebildet.

Hierüber ist noch anzumerken, dass einige Glieder nach dem Orte, wo sie angebracht werden, andere Namen bekommen. So wird das Glied, was hier und überall, wo es zur Absönderung zwischen zwei andere Glieder gesetzt wird, der Riem heißt, ein Überschlag genannt, wenn es das oberste Glied ist; und der Pfühl, wenn er an dem Hals einer Säule oder eines Pfeilers ist, wird ein Ring genannt.

 Die Zusammensetzung der Gesimse aus den verschiedenen Gliedern ist in der Baukunst nicht so genau bestimmt, dass nicht bald jeder Baumeister darin seinem eigenen Geschmack folgen sollte. Es ist aber leichte zu sehen, dass eine geschickte Vermischung kleiner und großer, platter und gebogener Glieder, das Werk des guten Geschmacks sei und dass die im vorhergehenden Artikel gemachten Anmerkungen auch hier gelten. Die Hauptsache kommt auf zwei Punkte an: darauf, dass die Menge der Glieder das Auge nicht verwirre; und dass in der Ordnung derselben, so wohl in Ansehung der Form als der Größe, eine gefällige Abwechslung beobachtet werde.

 Zwei Glieder von einer Art oder von einerlei Größe sollen nicht unmittelbar über einander liegen und das Ganze, was aus der Zusammensetzung der Glieder entsteht, soll sich einigermaßen gruppieren. Man sollte kaum denken, wie sehr viel eine gute Zusammensetzung der Glieder zur Schönheit eines Gebäudes beiträgt; es ist aber kaum etwas, woraus der gute oder schlechte Geschmack des Baumeisters schneller zu erkennen ist als dieses.

 In den antiken Gebäuden der besten Zeit sind alle Glieder glatt; aber mit äußerstem Fleiß und der größten Nettigkeit gemacht. Hingegen in den späteren Zeiten sind die ausgebogenen Glieder häufig mit Laubwerk und anderen Schnitzwerk verziert. Dieses scheint, wenigstens an Außenseiten großer Gebäude, höchst unpassend; weil man da, um das Gebäude im Ganzen zu übersehen, nie so nahe herantreten kann, dass solches Schnitzwerk in die Augen fallen könnte. Das Glatte ist allemal das Schicklichste.

 


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