Gemein. (Schöne Künste) Dasjenige, was den mittelmäßigen Grad der Vollkommenheit, der in den allermeisten Dingen seiner Art angetroffen wird, nicht überschreitet: oder was sich von anderen Dingen seiner Art durch keinen merklichen Grad der Schönheit oder Vollkommenheit auszeichnet. Das Gemeine ist demnach in allen Dingen das, was in seiner Art am gewöhnlichsten vorkommt; mithin reizt es unsere Vorstellungskraft wenig und ist dem Ästhetischen entgegen. Gemeine Gedanken, gemeine Gemälde aus der Natur oder den Sitten, gemeine Begebenheiten, sind kein guter Stoff zu Werken der Kunst. Die Kunstrichter raten deswegen den Künstlern, ihre Materie nicht aus dem gemeinen Haufen der Dinge zu nehmen, sondern so viel möglich edle, große, neue Gegenstände zu wählen.
Es kann aber eine Sache auf zweierlei Art gemein sein, entweder in ihrer Natur oder in ihrem äußerlichen Wesen, mithin in Künsten, in der Art wie sie vorgestellt wird. Ein hoher Gedanke, kann auf eine gemeine Art ausgedrückt werden und ein gemeiner Gedanke kann durch einen edlen Ausdruck sich über das Gemeine herausheben.
Der gemeine Stoff ist in Künsten nicht schlechterdings zu verwerfen. Er ist oft zur Vollständigkeit des Ganzen notwendig. Es geht z. B. in einem histori schen Gemälde, in einem Trauerspiel, in einer Epopee nicht allemal an, jeden einzeln Gegenstand aus der Klasse des Edlen zu wählen. Nur muss das Gemeine nicht über die Notdurft da sein, dass nicht das ganze Werk dadurch in das Gemeine verfalle. Man muss es vermeiden, so viel man kann, weil es nichts zum Gefallen tut.
Es kann aber ein Werk in Absicht auf die Wahl der Materie gemein und in Ansehung der Kunst groß und vortreflich sein, so wie die historischen Gemälde eines Rembrandts, Teiniers, Gerard Dow und vieler holländischer Meister, welche dennoch hochgeschätzt werden; und wie der Thersites des Homers, der ein gar gemeiner und schlechter Mensch ist, aber unter den Helden gelitten wird, weil ihn der Dichter mit meisterhafter Kunst geschildert hat.
In diesen Fällen aber geht das Gefallen nicht auf den Gegenstand, sondern auf die Geschicklichkeit des Künstlers. Weil aber diese dasjenige eigentlich nicht ist, warum die Künste vorhanden sind, so beweißt das Gefallen an solchen Werken nichts gegen die Verwerfflichkeit des Gemeinen. Man bedauert billig an solchen Werken, dass der Künstler seine großen Gaben in der Darstellung der Dinge nicht auf edlere Gegenstände verwendet hat.
Doch muss das Gemeine, insofern es zur Ergänzung des Zusammenhanges dient, nicht ängstlich vermieden werden. Der welcher glaubt, er dürfe niemals, auch in den Nebensachen etwas Gemeines anbringen, wird leicht gezwungen und verstiegen. Muß man aber gemeinen Sachen aus Not Platz geben, so müssen sie auch auf eine, ihrem gemeinen Wesen angemessene Art, vorgestellt werden. Es wäre ein weit größerer Fehler, etwas Gemeines durch einen hohen Vortrag aufzustutzen als das Hohe gemein zu sagen. Das beste hierbei ist dieses, dass man dem Gemeinen auch nur notdürftiges Licht und Farben gebe, damit man es nicht zu sehr bemerke und dabei stehen bleibe. So wie ein gemeiner Mensch unter dem Gefolge eines großen Herren leicht mit durchläuft, ohne anstößig zu sein, so würde er einen großen Übelstand machen, wenn er entweder mitten unter den Großen und Vornehmen ginge oder prächtig gekleidet wäre.