Giebel. (Baukunst) Bedeutet ursprünglich das obere End einer Mauer, welches in ein Dreieck zugespizt ist. Man stelle sich ein freistehendes Haus mit einem Satteldach vor1, das gegen die vordere und hintere Seite des Hauses herunterläuft; so macht dieses Dach über den Aussenseiten rechter und linker Hand des Hauses, ein gleichschenklichtes Dreiek aus, welches zugemauert wird, damit der Boden unter dem Dach auf den Seiten nicht offen bleibe. Diese dreieckigte Mauer ist das, was man eigentlich den Giebel nennt. Daher nennt man die Häuser Giebelhäuser, deren Dächer nicht gegen die Hauptseiten, sondern gegen die Nebenseiten ablaufen, weil alsdann die Hauptseiten bis an die Spitze des Daches zugemauert sind und an der Fassade Giebel haben.
An Gebäuden, die ordentlich verziert werden, bekommt der Giebel seine Einfaßung auf allen drei Seiten; das Hauptgesims macht die Grundlinie des Dreiecks aus und der Kranz die beiden anderen Seiten, wie aus beistehender Zeichnung zu sehen ist. Die glatte Mauer des Giebels, wird das Giebelfeld genannt. Die Alten pflegten an den Tempeln die Giebelfelder mit Schnitzwerk auszuzieren, welches allgemein Vorstellungen enthielt, die sich auf die Gottheit bezogen, der der Tempel gewiedmet war. Auf diese Weise haben sie den Giebel, der aus Notwendigkeit entstanden, zugleich zur Pracht und Schönheit angewandt.
Man hat nachher, wie noch jetzt geschieht, auch die Türen und Fenster mit Giebeln verziert. Dieses aber geschah vermutlich erst damals als der reine Geschmack der Baukunst schon durch willkürliche Zierraten verdunkelt worden. Der Pater Laugier will die Giebel schlechterdings nur auf die Dächer eingeschränkt wissen und Vitruvius scheint auch schon dieselbe Meinung zu äussern2. Man kann aber dage gen sagen, dass sie an Türen und Fenstern, die mit weithervorstehenden Gesimsen oder gar mit völligen Gebälken verziert werden, gar nicht unnatürlich stehen; weil in der Tat diese Gesimse zugleich zur Bedeckung solcher Öffnungen dienen und folglich kleine Dächer sind.
Doch muss man gestehen, dass eine Faßade, wo die Fenster etwas enge an einander stehen, durch die Giebel derselben ein etwas verworrenes und unangenehmes Wesen bekommen, weil man überall spitzige Winkel sieht. Wo aber die Fenster weit aus einander stehen, da scheinen die Giebel über den Fenstern dem edlen Ansehen der Faßade keinen Schaden zu tun. Das Opernhaus in Berlin behält, dieser Giebelfenster ungeachtet, eine edle Einfalt. Nirgend stehen die Fenstergiebel schlechter als da, wo die Geschoße durch Bänder oder Gesimse abgeteilt sind, da denn die Spitzen der Giebel nahe an diese Gesimse anstoßen. Dadurch geschieht es, dass man an einer ganzen Aussenseite nichts als Winkel zu sehen bekommt.
Man macht auch Giebel, da der Kranz in einem Zirkelbogen über das Hauptgesims wegläuft; und man kann sie um so viel weniger verwerfen, da die Dächer selbst eine solche Rundung annehmen können.
In Ansehung des Verhältnisses der Höhe zu der Breite weichen die Baumeister von einander sehr ab. Vitruvius setzt die Höhe des Giebelfeldes a b auf den neunten Teil der ganzen Breite des Giebels. Rechnet man die Höhe des Kranzes b c noch dazu, so wird allgemein die ganze Höhe des Giebels a c, den fünften Teil seiner Breite genommen.
Der Kranz des Giebels hat eben die Glieder und die Verhältnisse, die man dem Kranz des Gebälkes gibt; nur die Sparrenköpfe müssen natürlicher Weise da wegbleiben, weil die Sparren selbst da nicht statt haben. Die Zahnschnitte können in dem Giebelkranz angebracht werden. Einigermaßen sind sie da am natürlichsten, weil sie die hervorstehenden Lattenköpfe vorstellen können. Alsdann aber muss man sie nicht, wie einige Baumeister tun, Lothrecht, sondern nach dem rechten Winkel von der Richtung des Kranzes abschneiden.
Die neueren Baumeister begehen bisweilen in Ansehung der Giebel sehr ungereimte Fehler, indem sie entweder das Hauptgesims unterbrechen oder gar den Kranz oben offen lassen. Diese Baumeister vergessen ganz den Ursprung und die Absicht der Giebel und geben dadurch Kennern zu verstehen, dass sie nicht die geringste Überlegung haben.
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1 S. Dach.
2 L. VII. c. 5.