1548. Zurückblicken¹⁾. Sich erinnern²⁾.
Zurückblicken kann sowohl im örtlichen als im zeitlichen Sinne gebraucht werden, sich erinnern steht nur zeitlich. Man kann, wenn man einen Berg ersteigt, eine Wanderung ausführt usw., auf die durchmessene Strecke zurückblicken. Man kann aber im bildlichen Sinne auch das Leben als eine Wanderung auffassen und gleichfalls auf die bisher zurückgelegte Lebensbahn zurückblicken. Davon hat man dann zurückblicken überhaupt auf jedes Durchmustern der Vergangenheit angewendet. Es tritt dann beim Zurückblicken die Bedeutung des Prüfens hervor. Man läßt prüfend die Vergangenheit an seinem geistigen Auge vorüberziehen. Daher sagt man z. B. mit Befriedigung auf einen vollendeten Lebensabschnitt zurückblicken, mit Scham auf einen Zeitabschnitt, in dem man die Lebenskraft unnütz vergeudet hat oder auf Abwege geraten ist, zurückblicken, mit Stolz auf die Vergangenheit seines Volkes zurückblicken usw. Sich erinnern dagegen braucht sich nicht auf die ganze zurückgelegte Zeitstrecke zu beziehen, sondern auch auf einen beliebigen Punkt in dieser Strecke, z. B. Er erinnerte sich noch deutlich des Augenblicks, wo er von seiner Heimat auf immer Abschied nahm. Das Zurückblicken geschieht immer absichtlich. Sich erinnern kann dagegen auch dann gesagt werden, wenn einem eine Begebenheit, ein Erlebnis usw. zufällig wieder ins Gedächtnis kommt, z. B. Beim Anblick dieses Bildes erinnerte ich mich meiner glücklichen Jugendzeit. Das Zurückblicken ist immer absichtlich, zusammenfassend, kritisch und prüfend, das Sich erinnern dagegen ist mehr zufällig, auf das Einzelne gerichtet und gefühlsmäßig, so daß es Gefühle der Freude oder der Wehmut auslöst, z. B. Ich erinnere mich noch mit Freuden des Augenblickes, wo wir uns zum ersten Male sahen. Nur mit Schmerzen erinnere ich mich jener Tage unserer tiefen Erniedrigung.