Kraft und Stoff
Kraft und Stoff betitelte Ludwig Büchner ein im Jahre 1855 zuerst erschienenes naturphilosophisches Buch, das in der deutschen Presse einen wahren Sturm hervorrief und in zahlreichen Kritiken und Gegenschriften erbittert befehdet wurde. Dieser Name des bald in die verschiedensten Kultursprachen übersetzten Werkes wurde sofort zum lauttönenden Schlagwort. Allerdings zeigt Gombert ZfdW. 7, 149, dass Büchner die Wendung selbst der Lektüre von Moleschotts „Kreislauf des Lebens“ (1852) verdankte, worin der 17. Brief die Überschrift Kraft und Stoff trägt.
Über die Wirkung des Schlagwortes nur einige Belege. Selbst in Unterhaltungsblättern, wie in Gutzkows Unterh. am häuslichen Herd 1855, Nr. 57 wurde gegen dies „Kraft- und Stoff-Titanentum“ polemisiert. Gombert zitiert ferner eine geharnischte Ablehnung auch von philosophischer Seite in einem Briefe Schopenhauers (Reclam 3376 ff.) S. 341, der am 11. Juli 1856 an Frauenstädt über Büchner, Moleschott und deren Gesinnungsgenossen schrieb: „Studieren sie ein Mal Kants metaphysische Anfangsgründe der Naturwissenschaft durch, und dann bedeuten sie den hochtrabend von „Kraft und Stoff“ schwätzenden Barbiergesellen, Pillendrechslern und Klystiersetzern, dass Körper krafterfüllte Räume sind.“ Auch S. 374 (am 27. Febr. 1856 in einem Brief an Adam v. Doß) wettert Schopenhauer gegen den „berüchtigten und nichtswürdigen „Stoff und Kraft".“
Sanders 3, 1223c bringt außerdem aus dem Jahre 1862 die parodistischen Wortbildungen Kraft-Stoffelei und Kraft-Stoffler. Vgl. auch die mannigfachen Ausfälle bei Bogumil Goltz, Typen der Gesellschaft (1860) gegen „Stoff- und Kraft-Philosophen“ und „Stoff- und Kraft-Menschen“ usw.