Sinnbild. (Zeichnende Künste) Ist ein sichtbares Bild, das außer der unmittelbaren Vorstellung, die es erweckt, noch eine andere allgemeine Bedeutung hat. Nämlich in den zeichnenden Künsten vertritt das Sinnbild die Stelle der Allegorie, des Gleichnisses, des Beispiels, der Vergleichung oder der Metapher in der Rede; und drückt etwas allgemeines durch das Besondere aus. Viel Sinnbilder sind allegorisch; aber sie sind es nicht notwendig und deswegen muss das Sinnbild überhaupt nicht mit dem allegorischen Bilde verwechselt werden.
Man kann demnach jedes Gemälde oder überhaupt jedes Werk der zeichnenden Künste, insofern es dient etwas allgemeines anzudeuten, ein Sinnbild nennen. Das Bild der Pallas, das ursprünglich eine vermeinte Gottheit vorstellte, ist nun ein Sinnbild der Weißheit. Die Abbildung eines Marcus Curtius, der sich in einen entstandenen Schlund der Erde stürzt, konnte ehedem die Vorstellung einer besonderen, wahrhaften oder vorgegebenen Geschichte sein; jetzt wäre sie das Sinnbild eines für die Errettung seiner Mitbürger sich selbst aufopfernden Patrioten. Da wäre sie ein Beispiel.
Also dienen überhaupt die Sinnbilder dazu, dass sie die zeichnenden Künste in gewissen Fällen zu einer Sprache machen, die allgemeine Begriffe ausdrückt, ob sie gleich ihrer Natur nach nur Begriffe von einzeln oder individuellen Dingen erwecken können. Aus dem was wir im Artikel Allegorie gesagt haben, erhellt hinlänglich, wie die eigentliche Allegorie von dem Sinnbild unterschieden ist und warum jede Allegorie ein Sinnbild, aber nicht jedes Sinnbild eine Allegorie ist. Achilles als das Bild eines kühnen und hitzigen Helden, Pylades als das Bild eines getreuen Freundes u. d. gl. sind keine Allegorien, aber Sinnbilder.
Sie werden also überall gebraucht, wo die zeichnenden Künste allgemeine Vorstellungen erwecken sollen. Die Alten haben sie auf ihren Münzen, geschnittenen Steinen, auf ihren Gefäßen und Gerätschaften, an Gebäuden vielfältig angebracht. Es ist allerdings eine löbliche Bemühung, die zeichnenden und bildenden Künste dazu anzuwenden, dass Dinge, die wir zu unserer Notdurft täglich brauchen, wie das Geld, die mancherlei Gerätschaften und unsere Wohnungen, etwas an sich tragen, das nützliche allgemeine Begriffe täglich in uns erneuere. Hätten die Griechen Taschenuhren gehabt, wie wir, so würden sie dieselben unfehlbar nicht bloß wie jezt geschieht, mit unbedeutenden Zierraten, sondern mit allerhand Sinnbildern verschönert haben.1 Hieraus erkennt man also die Natur und den Gebrauch der Sinnbilder.
Es ist also in den zeichnenden Künsten eine wichtige Frage, wie man Sinnbilder erfinde und wie eine besondere Sache, zum Sinnbild könne gemacht werden. Dieses ist eigentlich das, was die sogenannte Iconologie lehren sollte. Die Erfindung der Allegorie in zeichnenden Künsten, wovon wir an seinem Orte gesprochen haben, ist nur ein Teil davon. Das was wir in verschiedenen anderen Artikeln über das Bild, das Gleichnis, das Beispiel und die Vergleichung überhaupt angemerkt haben, müsste für die Ikonologie besonders auf die zeichnenden Künste angewendet werden.2
Es kommt hier auf zwei Hauptsachen an, nämlich auf die genaue, aber dabei sinnreiche oder reizende Ähnlichkeit zwischen dem Bild und dem Gegenbild und auf das Mittel das Allgemeine in dem besonderen merkbar zu machen. Es ist nicht genug, dass man einsehe, der zwischen der Wollust und der Tugend stehende Herkules, könne als ein vollkommen ähnliches Bild eines edlen und tugendhaften Jünglings, der einen rühmlichen Entschluß wegen der Wahl seiner Lebensart fasst, gebraucht werden. Man muss auch gewiss sein, dass der, welcher das Sinnbild sieht, es verstehe.
Über die Ähnlichkeit haben wir bereits hinlänglich gesprochen3; die allgemeine Bedeutung verständlich zu machen, ist eine Sache von großer Schwierigkeit. Wo man sich der Schrift bedienen kann, wie auf Münzen, Kupferstichen und bei anderen Werken, da fallen die meisten Schwierigkeiten weg; weil oft ein einziges Wort hinlänglich ist, die Deutung anzuzeigen.4 Wo dieses sich nicht schickt, da hat die Sache große Schwierigkeit. Die Allegorie, wenn sie glücklich genug erfunden ist, leitet natürlicher Weise auf die Bedeutung. Doch muss der Ort, wo sie angebracht wird oder andere Nebenumstände dazu behülflich sein. Ein Gemälde, darauf nichts als eine Rose vorgestellt wird, kann Niemand auf die Gedanken bringen, dass es eine allgemeine Deutung haben soll. Aber ein Kind, das neben einem Rosenstrauch stünd und weinte, dabei eine Mutter, die dem Kind etwas ernsiliches sagte, würde die Vorstellung sogleich zum Sinnbild machen. Die Deutung desselben Bildes aber kann verschieden sein. Es kann dienen, die Lehre zu sagen; man soll nicht ohne Vorsicht nach jedem scheinbaren Guten greifen; es kann aber auch den Sinn des französischen Sprichworts: nulle rose sans é pine, ausdrücken. Für jenen Fall schickte sich das weinende Kind, mit der warnenden Mutter, um die Bedeutung zu bestimmen; für diesen aber, müsste man schon einen Jüngling und einen lehrenden Philosophen dazu malen; weil das Kind die wichtigere Lehre noch nicht fassen kann.
Ich muss mich, da die allgemeinen Grundsätze, zu verständlicher Deutung der Bilder, noch fehlen, mit Beispielen behelfen, um nur überhaupt begreiflich zu machen, wie die Sache zu erhalten sei. Hierher gehören auch ein paar Anmerkungen, die wir über das moralische Gemälde, das im Grund auch ein Sinnbild ist, gemacht haben.5 Will man das Beispiel zum Sinnbild erheben, so muss man suchen das Individuelle der Vorstellung, so viel möglich von dem Gemälde zu entfernen; damit man sogleich merken möge, das Bild stelle keinen besonderen Fall vor. Wenn z.B. die Personen gar nicht oder doch noch gar keiner bekannten, weder alten noch neuen Art gekleidet sind, so gibt dieses schon eine Vermutung, das Bild habe eine allgemeine Bedeutung. Und dergleichen Mittel gibt es noch mehr; wenn nur ein Mann von Genie das Bild behandelt. So kann bisweilen ein Zusatz irgend einer allegorischen Person, die unter wirkliche handelnde Personen gesetzt wird, sogleich anzeigen, dass der Maler nicht eine Historie, sondern eine Moral hat malen wollen.
Aber wir können uns hierüber nicht weiter ausdehnen und wollen nur noch über den Wert der Sinnbilder anmerken, dass es dabei gar nicht darauf ankomme, dass sie hohe oder wenig bekannte Begriffe und Lehren ausdrücken. Die Wichtigkeit muss hier nicht durch die Seltenheit oder das Neue und Hohe, sondern durch die Brauchbarkeit bestimmt werden. Es gibt sehr gemeine, sehr leichtfaßliche Wahrheiten und Lehren, wie z.B. die meisten sind, die durch ganz bekannte Sprüchwörter ausgedruckt werden; die eine weit größere Wichtigkeit und Brauchbarkeit haben als manche nur durch großen Scharfsinn oder tiefe Wissenschaft zu entdeckende und auch schwer zu fassende Wahrheit. Wir erwarten von den Künsten eben nicht Aufklärung des Verstandes, sondern wirksame Erinnerungen an ganz bekannte, aber sehr nützliche Wahrheiten; nicht neue Begriffe, aber tägliche und lebhafte Erinnerung der wichtigsten uns schon genug bekannten Begriffe. Es war darum ein sehr guter Einfall den unser geschickte Historienmaler Rohde hatte, gemeine Sprüchwörter sinnbildlich zu zeichnen, wovon sein Bruder der Kupferstecher verschiedene herausgegeben hat.
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1 S. Künste S. 620 u. 625 .
2 S. Ähnlichkeit; Bild, Beispiel, Gleichnis, Vergleichung.
3 Art. Ähnlichkeit.
4 S. Aufschrift.
5 S. Moral; Moralisches Gemälde.